Ein Schüler wird in der Öffentlichkeit auf einer Fußgängerbrücke brutal niedergestochen und ein anderer springt vom Dach eines Hauses. Die beiden jungen Polizeibeamten Chu Ja-young (Shin Eun-kyung), eine unverheiratete junge Frau um die dreißig, die nach dem Tod ihrer Schwester deren Sohn aufzieht, und ihr frisch aus der Ausbildung kommende hitzköpfige Partner Dong-wook (Mun Jeong-hyuk) nehmen sich des Falls an.
In einer Autopsie wird in den Mägen der Verstorbenen jeweils eine Kapsel mit einem Papierfetzen eines Tagebuchs gefunden, welche jeweils den anderen bezüglich des Todes der Opfer belasten. Während für Dong-Wook und seine ausschließlich männliche Kollegen auf dem Revier der Fall damit abgeschlossen ist, zweifelt die skeptische Chu an einer der viel zu einfachen Auflösung und folgert nach einem Vergleich der Beweismittel, dass die Handschrift der Tagebuchfetzen von einer einzelnen Person stammen und mit der Handschrift der Toten nicht übereinstimmen. Darüber hinaus gingen die beiden toten Knaben auch noch in die gleiche Klasse derselben Schule, so wie auch Chus Neffe, und nach weiteren Ermittlungen stößt das Polizei-Duo auf Indizien, die den Mord mit einem ungeheuren Mobbing-Fall in direkten Zusammenhang setzen. Hierbei wurde der schüchterne Außenseiter Jin-mo offenbar von der kompletten Klasse gemobbt und zutiefst erniedrigt, was mit einem Handy aufgezeichnet und im Internet verbreitet wurde.
Chu und Dong-Wook graben immer tiefer und stellen mit jeder Aufdeckung empört fest, dass selbst die Lehrer dem Mobbing-Opfer nicht beigestanden haben, sondern es ignorant haben geschehen lassen. Die Ungerechtigkeiten der Mitschüler sind an Bestialität und Variationsbreite nicht zu übertreffen und es überrascht somit kaum, dass sich die gesuchte Handschrift als die von Jin-Mo entpuppt. Nur ist Jin-Mo vor mehreren Wochen bei einem Autounfall gestorben und jemand anders übt an seiner statt blutige Vergeltung an den unbestraften Tätern. Chu und Dong-Wook haben auch schon bald mehr aus Glück als aus überragender Detektivarbeit die Spur des Killers aufgenommen – gerade rechtzeitig, denn dieser knöpft die Schüler mittlerweile nach dem 10-Negerlein-Prinzip sich einzeln vor und es dauert nicht lange bis Chus Neffe auf der Abschussliste steht….
Bystanders ist in erster Linie ein Drama, dem das Gewand eines Detektiv-Films mit Thriller-Elementen im nachhinein und besonders im letzten Drittel des Plots verpasst wurde. Drehbuchschreiber und Regisseur Kyung-Soo Im behandelt mit diesem Film sehr ausführlich die Thematik des Mobbings in der Schule, versucht dabei jedoch mehr Licht in andere, weniger abgegraste Aspekte zu bringen. Zum Beispiel wird im Film sehr deutlich in welchem Ausmaß die Verdrängung der grausamen Vergehen an Jin-Mo sowohl seitens der Schüler als auch der Lehrer betrieben, die auch mitunter sich darin spiegelt dass die Situation verharmlost und jegliche Schuld abgestritten wird. Auch ist dem Filmemacher die Beantwortung der Frage wichtig, warum jemand im Kollektiv einen Schwächeren mobbt (als ein Erklärungsgrund kristallisiert sich dabei der gesellschaftliche Druck auf die Schüler und die Unfähigkeit der jungen Generation die Freizeit mit etwas Sinnvollem und Konstruktivem zu füllen) aber auch nicht minder die Frage was die Vergeltung ausübende Person dazu veranlasst, einen derart unbarmherzigen Feldzug gegen die Täter zu starten.
Leider sind die Elemente des Detektiv-Thrillers und das Drehbuch die unübersehbaren Schwächen des Films: die Handlung setzt erst spät (nach ca. 30 min.) wirklich ein, die Charaktere sind zu Beginn sehr oberflächlich und eindimensional, so dass die beabsichtigen humoristischen Einlagen eher ärgern als unterhalten. Das größte Problem des Films ist seine Länge und die chaotische Artikulation von narrativer Chronologie und handlungsbezogenen Rückgriffen. Manche Sequenzübergänge sind in der Struktur so holprig, dass man erst mal total konfus vor dem Fernseher sitzt und mit einem Griff an den Kopf sich verzweifelt fragt wie das was man gerade sieht mit dem zuvor gesehenen zusammen passt.
Nach einer Stunde jedoch hat man sich an diese für uns Europäer ungewöhnliche, aber für die Koreaner sehr typische Erzählweise (siehe
„Sympathy for Lady Vengeance“) allmählich gewöhnt und ist überrascht wie sich der Film verändert. Es kommt richtig Bewegung in die Ermittlungen und die anfangs zusammenhanglosen Flashbacks zu den ruchlosen Geschehen in der Klasse geben der Geschichte einen frischen Antrieb.
Zum Schluss holt Kyung-Soo Im so ziemlich alles aus seinen Schauspielern heraus und beeindruckt mit großartiger Kameraführung und brillantem Schnitt. Die chronologisch hin-und-her springende Narration erzeugt eine ganz eigene Intensität, die zum Schluss den Zuschauer noch mal in tragische Untiefen stürzt.
„Bystanders“ erweist sich somit als ein solider, sehr eigenwilliger Film, der sich für kein Genre entscheiden möchte. Die größte Schwäche ist dabei der fehlende Spannungsaufbau in der ersten Stunde und die erschwerte Identifikation des Zuschauers mit den beiden Hauptcharakteren. Die unbestreitbaren Stärken des Films sind die brillante Optik und die gekonnten Kameraarbeit, die von der anfänglichen Routiniertheit einer Tv-Produktion sich schließlich in die Dynamik eines mitreißenden Thrillers verwandelt. Überhaupt reißt der Schluss, der einen zutiefst verstört und schockiert, den ganzen Film um einiges heraus und präsentiert dem Zuschauer letztendlich ein bewegendes, dramatisches Ende, das man hinterher schwer zu verdauen hat.
Der westliche Zuschauer muss bei „Bystanders“ (der Titel prangt dabei eben die Leute an, die bei solch grausamen Erniedrigungen eines Schwächeren nur dabei stehen und zuschauen) viel Geduld und Adaption mitbringen und darf darauf gefasst sein, dass einem ein schonungsloser Trip in die sozialen Missstände unserer Gesellschaft bevor steht.