Die beiden englischen Pärchen Lucy und Norman sowie Paul und Isabel haben in ihrem Sommer 1978 großes vor: Paul hat das alte Haus seiner Großmutter in Spanien gekauft und zusammen will man darin die Ferien verbringen. Doch zwischen der holden Weiblichkeit und den Männern kommt es schon bald zu ersten Spannungen. Und als man in einer Dorfkneipe einen kurzen Halt macht, schlägt einem von Seiten der Dorfbevölkerung schon Ablehnung entgegen. Einen Tag später unternehmen die beiden Männer einen Jagdausflug in den weitläufigen Wäldern die das abgelegene Haus umgeben. Dabei stoßen sie auf eine verschlossene Hütte, in der ein verwahrlostes junges Mädchen eingesperrt ist. Paul entschließt sich zu ihrer Rettung, doch bald stehen die Männer des Dorfes vor der Tür...
"Backwoods" ist nicht nur der Titel des vorliegenden Films, sondern gleichzeitig auch noch der Name eines Subgenres des Horrorfilms. In den 70ern und 80ern gab es vor allem auf dem amerikanischen Markt einige Filme, die diesem Genre (auch) zugeordnet werden können. "Texas Chainsaw Massacre" von Tobe Hooper enthält solche Elemente, vom Szenario her könnte man sicherlich auch noch "Todesfalle am Mill Creek" nennen. Bei "gehobeneren" Filmen gibt es dieses Subgenre sogar auch, z.b. in Form von "Beim Sterben ist jeder der erste" oder "Die letzten Amerikaner". Daneben zählt auch "The Hills have Eyes" von Wes Craven zu diesem Genre, wenn auch der Name "Backwoods" hier von der Geographie her schwer
passt. Der Film wurde ja von Alexandre Aja geremaked, und vor diesem sah man auf den Leinwänden den kleinen aber feinen, bzw. fiesen, "Wrong Turn", der wohl als klassischer Vertreter des Subgenres viele Elemente vereint: im "Backwoods"-Genre gibt es normalerweise junge Menschen die eine Urlaubsreise unternehmen, natürlich in eine abgelegene Gegend ohne Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit außerhalb. Der Urlaub wird dann auch meistens von der örtlichen Bevölkerung versaut, häufig sind das Inzucht betreibende Hinterwäldler, die gerne mal die Terrorsau rauslassen und ein dementsprechend degeneriertes Äußeres bieten. Als Subtext gibt es hier immer wieder den Clash von Zivilisation und Landleben bzw. der moderne Mensch gegen alteingesessene Familienstrukturen. Bietet all dies auch "Backwoods", ist der Name des Films also Programm?
Nun ja, nicht ohne weiteres. Der Film beginnt mit der Autofahrt der Engländer in flirrender Hitze und kann hier schon ein nettes Retrofeeling aufbauen. Untermalt wird das ganze passenderweise von einem Lied mit dem Text "There's a war, between the rich and the poor. There's a war between the men and the women" Hier wird natürlich, nicht sonderlich versteckt, gleich einmal das dominierende Thema des Films angesprochen. Wie fast jeder Vertreter des Genres dreht es sich hier um den Kampf des zivilisierten Menschen gegen die eigenbrödlerische Landbevölkerung. Die Fremdenfeindlichkeit geht hier aber nicht nur gegen die Engländer, sondern auch diese sind den Dörflern nicht notwendigerweise freundlich gesonnen. Diese sind aber miteinander verschworen und stellen für den Stadtmenschen eine tödliche Gefahr dar. Oder? Hier zeigt der Film seine europäischen Wurzeln und folgt nicht wie etwa die amerikanischen Vertreter dem Schema F, sondern zeigt im Laufe seiner Handlung immer wieder Augenblicke und Details, die das Geschehen doch in einem anderen Licht erscheinen lassen. Das ist wirklich ganz große Klasse, wie der Film mit den Erwartungen des Zuschauers spielt, der meint, einen Terror-Hinterwäldler-Film mit dem bezeichnenden Titel "Backwoods" schon vorhersehen zu können. Doch gerade das Ende hat einen wunderbaren, wenn auch unspektakulär präsentierten Twist in der Hinterhand.
"Backwoods" stellt, ohne zu viel zu verraten die Frage der moralischen Rechtfertigung für sein eigenes Handeln. Dies tut er über die gesamte Handlung hinaus auf eine recht subtile Weise, und genau das unterscheidet ihn dann auch von den sonstigen Genrevertretern. Denn der Film täuscht den Zuschauer doch recht gut, ohne ihn mit plumpen Tricks einfach anzulügen. Nebenbei stellt er auch nicht die Gewalttaten in den sonst üblichen krassen Kontrast und Steigerungseffekt; wo eigentlich die Hinterwäldler die sadistischen Mörder sind und am Ende ihre passend-spektakuläre Strafe bekommen, gibt es hier auf beider Seiten Gewalttaten, die in ihrer Intensität sich in wenig nachstehen. Dabei ist das ganze jedoch nicht splattereffektheischend inszeniert, sondern bleibt auf dem realistischen Boden der Tatsachen. Überhaupt kann man festhalten, dass eine Einordnung ins Horrorgenre eigentlich nicht gerechtfertigt wäre, sondern man das ganze wohl doch eher als Thrillerdrama bezeichnen sollte.
Wie das oben zitierte Lied schon richtig andeutet, ist es nicht nur ein Krieg zwischen "Arm" und "Reich", sondern auch zwischen Männern und Frauen. Die Themen Männlichkeit bzw. Weiblichkeit und deren Konflikt haben vor allem innerhalb der Gruppe eine dominierende Rolle. Paul ist der doch recht harte Hund, ein Jäger, Planer und Vordenker, darüberhinaus auch noch der ehemalige Chef von Norman. Dieser im Gegensatz dazu ist eher ein sanftes Gemüt, der sich anfangs immer nur auf Pauls Führung verlässt. Im späteren Verlauf des Films macht er aber die Horrorfilm-typische Entwicklung durch, auch wenn das hier weit weniger heroisch inszeniert wird - prima. Von seiner Frau Lucy wird Norman weitesgehend, wie er es nennt, "gedemütigt". Lucy verweigert ihm den Sex und meckert ständig an ihm herum. Jedoch sollte man nicht meinen, dies wäre ein frauenfeindlicher Film. Lucy und Isabel haben mehrere Dialogszenen, in denen sie sich über die Männer unterhalten. Hier wird wunderbar der Kontrast von sog. "männlichem" und "weiblichem" Verhalten dar- und in Frage gestellt.
Gestemmt werden diese eher leisen Themen und Töne von einem Quartett guter Schauspieler. Am besten ist hier - natürlich - Gary Oldman in der Rolle des Paul. Oldman kennt man aus "Das fünfte Element" oder "Leon - Der Profi", und auch hier zeigt er wieder einiges von seinem Können. Vor allem in seiner physisch und psychisch anstrengensten Szene kommt bei ihm wieder diese leicht psychotische Note zum Vorschein, die man so an ihm liebt. Norman wird von Paddy Considine gespielt, der zwar häufig den selben Gesichtsausdruck hat, aber gegen Ende auch überzeugen kann. Ihn kann man aus "Hot Fuzz" oder dem dritten Teil der Bourne-Reihe kennen. Seine Frau Lucy wird von Virginie Ledoyen dargestellt. Diese ist wie immer eine Augenweide, bleibt aber die meiste Zeit bedeckt, überzeugt dafür aber auch und hat auch eine durchaus schwierige Szene zu spielen. Sie kennt man unter anderem aus "The Beach" oder auch "8 Frauen". Aitana Sánchez-Gijón zeigt sich mit fast vierzig Jahren völlig nackt, hat aber leider weniger Screentime. Dafür kommen bei ihr die Muttergefühle besonders glaubwürdig rüber.
Als DVD liegt die Presse-DVD aus dem Hause e-m-s vor. Da diese nicht im Handel erhältlich ist, und der Leser hier sie ohnehin nie in den Player bekommen wird, erübrigt es sich, großartig etwas darüber zu schreiben. Das Bild ist jedoch sehr ansprechend, wenn auch das wechselnde "Ansichts-DVD" Logo etwas stört. Die Synchronisation ist professionell und überzeugt mit bekannten Sprechern. Allerdings ist hier manchmal der Sprachwechsel spanisch - englisch etwas verschleiert. Stört jedoch nicht unbedingt das Filmvergnügen. Vielen Dank an e-m-s für die Bereitstellung des Rezensionsexpemplars!
Fazit: "Backwoods" ist kein Horrorfilm, sondern intelligentes Thrillerkino europäischer Machart. Mit der verzwickten Fragestellung zur Moral und Handeln, sowie der Hinterfragung von männlichem Verhalten, fordert er von dem Zuschauer doch mehr ab als das Warten auf die nächste Terrorsequenz. Gut gespielt, zurückhaltend aber effektiv inszeniert und atmosphärisch überzeugend - so wünscht man sich intelligentes Kino. Doch, hat mir sehr gefallen!