Filme bieten uns meist etwas Großes, Pompöses, Dramatisches, Komisches, Bewundernswertes, Trauriges, Deprimierendes oder Gruseliges.
Heutzutage allerdings lässt sich auch ein gesteigertes Interesse an Independentfilmen erkennen. Während es nicht selten vorkommt, dass große Schauspieler ein tolles kleines Drehbuch entdecken und mitspielen, nur um dabei zu sein, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass dabei wirklich oftmals kleine, aber wundervolle Filme herauskommen.
Ein anderer Aspekt lässt sich nun zusätzlich in Kelly Reichardts „Wendy and Lucy“ entdecken. In diesem geht es um die ruhe- und mittellose Wendy, die mit ihrem Hund Lucy auf dem Weg nach Alaska ist. In einem kleinen Städtchen schließlich muss sie sich um Verpflegung kümmern, währenddessen verschwindet Lucy…
Bei „Wendy and Lucy“ handelt es sich um einen Film, der mit Minimalem umgesetzt wurde. Für das Abzählen der Figuren, die einen Namen tragen, benötigt man insgesamt nicht mehr als zwei Hände, die Schauplätze sind ebenso übersichtlich.
Was den Film aber auszeichnet, und damit ist in der Besprechung unbedingt zu beginnen, ist seine enorme Echtheit. Selten bei einem Film drängt sich beim Zuschauer so dermaßen der Begriff „echt“ auf, wie er es hier tut. Geboten bekommt man technisch gesehen nichts großartig Revolutionäres, allerdings hat Regisseurin Reichardt („Meek’s Cutoff“, 2010) es geschafft, mit ihren minimalen Mitteln genau
dieses echte Gefühl hervorzuzaubern. Das Bild ist stets unscharf, stets grobkörnig, stets kontrastarm, und wirklich nichts davon fällt negativ auf, sondern ganz im Gegenteil: Die ausgelöste Rezeption ist eindeutig positiv.
Glücklicherweise macht der Film seinem Zuschauer das Geschenk, dieses wohlige, echte Gefühl über seine komplette Laufzeit beizubehalten. Musik gibt es bis auf eine immer wieder eingespielte Summmelodie nicht, und es ist relativ klar, dass diese von Wendy kommen muss.
Diese Abwesenheit unterstützt ebenso dieses authentische Gefühl wie die konsequent einfache Bildersprache, die uns stets genau das mitteilt, was im Bild zu sehen ist.
Wenn Michelle Williams („Blue Valentine“, 2010), die diesen Film bewundernswert allein trägt, mit ihrem Hund Lucy durchs Gebüsch stöbert, die Straßen entlang läuft oder auch allein nachts im Auto übernachtet, wird nicht viel gesagt, und trotzdem schafft sie es, beim Zuschauer sofort Sympathie zu gewinnen. Ihre Wendy scheint irgendwo ein ziemlich seltsamer Mensch zu sein, kein Wunder allerdings, schließlich ist sie eine mittellose junge Frau, die nicht weiß, wie sie den nächsten Tag halbwegs gut über die Runden kriegen soll, dabei sollte eine Frau wie sie ein völlig anderes, geordnetes Leben führen. Man erfährt praktisch keine Hintergründe über sie und fühlt sich nach einigen Minuten trotzdem schon wie ein Begleiter.
Williams haucht ihrer Figur durch nur wenige, aber ausdrucksstarke Handlungen Leben ein, man wähnt Wendy irgendwann als Freundin, der man zusehen muss, wie sie sich aus schwierigen Lagen windet.
Nun müsste man sich wiederholen, wenn man auch noch mehr Eigenarten des Films eingehen würde, da dieser sich voll und ganz seiner unaufgeregten Art widmet und einem damit ans Herz wächst. Es soll also bei obigen Beschreibungen bleiben.
Nicht unerwähnt darf allerdings die Ebene bleiben, die den Zuseher trotz oder gerade wegen einfachster Mittel tief erreicht. Allein durch die Dialoge und die Identifikation mit Wendy kreiert der Film und seine Story eine Verbundenheit zum Zuschauer, die darin gipfelt, dass das Ende des Films, welches selbstredend ähnlich menschlich ausfällt wie der ganze Streifen, im Zuschauer eine gewisse Ahnung keimen lässt, die mit keinem Wort ausgesprochen wird, dann aber doch in einer so simplen wie völlig ergreifenden Szene Wirklichkeit wird.
Es zeigt sich, dass hier Menschen am Werk waren, die viel von ihrer Menschlichkeit in diesen Film haben einfließen lassen. In jeder Sekunde verfolgt die Entwicklung der ans Herz gehenden Story gespannt, ist am Ende ergriffen und staunt im Nachhinein, was für ein warmherziger und tiefer, einfacher Film da in kurzen 77 Minuten die Seele gefordert hat.
Nun könnte man dem Film ein wenig ankreiden, er wäre trotz kurzer Laufzeit nicht gerade unterhaltend oder der Wiederansehfaktor wäre recht gering. Aber so etwas möchte man einem so einfach-schönen Film gar nicht vorwerfen, dafür hat er einen viel zu sehr überrascht, belohnt, beschenkt und irgendwo auch ein wenig nachdenklich gemacht. Über so etwas muss man sich als Mensch einfach freuen.