DIABOLUS EX MACHINA
Die Blockbuster-Saison 2015 ist offiziell eröffnet. Nach dem fulminanten Start des Paul Walker-Vermächtnisses „Fast & Furious 7“ folgt nun gefühlt eine langerwartete Produktion der nächsten auf die große Leinwand. Und der Schein trügt keinesfalls, haben die Studios in den nächsten Wochen und Monaten mit „
Jurassic World“, „James Bond 007 – Spectre“ und natürlich „
Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht“ mächtig heiße Eisen im Feuer. Große Film-Ereignisse werfen also im noch jungen Jahr 2015 bereits ihre Schatten voraus, und wieder einmal ist
mannbeisstfilm in der Berichterstattung frühzeitig am Start, um die angestaute Vorfreude bestenfalls noch ein wenig mehr anzuheizen.
Der heutige Kandidat bedarf hinsichtlich seines Blockbuster-Potentials eigentlich keiner weiteren Erklärung, reichen doch im Grunde bereits zwei Worte, um das Kopfkino in Gang zu setzen:
Marvel und
Avengers. Ersteres ist bekanntermaßen das berühmte Comic- und neuerdings auch produzierendes Film-Studio, welches mit schöner Regelmäßigkeit einen erfolgreichen Superhelden-Film nach dem anderen raushaut (zuletzt die „
Guardians of the Galaxy“ [2014]). Und d
ie
Avengers? Nun, diese illustre Superhelden-Zusammenkunft darf sich rühmen, mit ihrem ersten Filmauftritt 2012 mal eben den weltweit dritterfolgreichsten Film aller Zeiten generiert zu haben. Es kann daher mit Fug und Recht behauptet werden, dass die Erwartungen, die in die morgen startende Fortsetzung gesetzt werden, nicht gerade klein sind. Die Frage bleibt nur, ob sie auch letztlich erfüllt werden können.
Zunächst aber zur Geschichte, die Comicfan, Drehbuchautor und Regisseur
Joss Whedon nun ohne Co-Autor gleich selbst beisteuerte: Tony Stark aka Iron Man (Robert Downey Jr.) hat Ambitioniertes vor: Er arbeitet im Geheimen an einem Friedensprogramm, von dem die übrigen
Avenger mit Ausnahme von Bruce Banner aka Hulk (Mark Ruffalo) zu diesem Zeitpunkt noch nichts wissen, das die Welt aber – so Starks frommer Wunsch – ein ganzes Stück sicherer machen soll. Doch etwas geht dabei gehörig schief, und plötzlich steht die künstliche Intelligenz
Ultron (Originalstimme: James Spader) auf der Matte, welche sogleich die Ausrottung der gesamten Menschheit plant. So liegt es einmal mehr an den
Avengers, die Welt zu retten.
„AVENGERS: AGE OF ULTRON“ ist ganz klar ein Film der Superlative: aufwendiger, lauter und hektischer dürfte bis dato keine Superheldenverfilmung gewesen sein. Und kurioser auch nicht. Denn dass sich dem filmischen Bombast etliche ruhige, weil charakterbezogene Momente anhängen würden, stand zwar zu erwarten (schließlich war Whedon seit jeher die Charakterzeichnung seiner Figuren sehr wichtig). Dass aber gerade diese Momente dem Film am Ende wenig heldenhaft Stolpersteine in den Weg legen sollten, dürfte selbst den eingefleischtesten Fan nach der Sichtung des aktuellsten
Marvel-Spektakels überraschen. Womit wir dann auch gleich mit der Kritik-Tür ins Haus fallen: Es ist das eine, einen bloßen Actionfilm versiert zu inszenieren (dies gelingt bei aller berechtigter Kritik einem Michael Bay nach wie vor sehr ordentlich), das andere, ein Charakter-Drama auf die Leinwand zu bannen. Hakelig wird es erst, wenn versucht wird, beides unter einen Hut zu bringen. Ein gesundes Maß an Fingerspitzengefühl und vor allem das richtige Timing entscheiden dann darüber, ob die an sich so grundverschiedenen Posten gekonnt miteinander verschmelzen oder nicht. Zuweilen trennt sich hier bereits die Blockbuster-Spreu vom Arthouse-Weizen.
„
The Avengers“ [2012] gelang damals sowohl das eine als auch bedingt das andere: Das Effektekino traf auf charakterbezogene Momente, die den Superhelden-Actioner sicherlich nicht zum Arthouse-Kino mutieren ließen, sondern das aufwendige Spektakel vielmehr um Einblicke in seine agierenden Helden bereicherten, während der Film nichtsdestotrotz unablässig die Fahne für unterhaltsames Kino ohne allzu viel Sinn und Verstand schwenkte. Eine recht einfache Formel, möchte man meinen, da das Ganze über immerhin 140 Minuten dann auch noch wie eine lässig aus dem Ärmel geschüttelte Fingerübung wirkte. Kurzum: „The Avengers“ war ein rundum
rundes Vergnügen, ungemein unterhaltsam und nebenbei das vielleicht erfolgreichste
guilty pleasure der Filmgeschichte. Dieser Ritterschlag wird dem zweiten Teil wohl verwehrt bleiben, da die ambitionierte Herangehensweise nunmehr zu einer regelrechten Zweiteilung des Geschehens führt.
„AVENGERS: AGE OF ULTRON“ präsentiert vordergründig ausladende Actionsequenzen, die den Kinosaal wortwörtlich zum Beben bringen, nur um plötzlich in ruhigere Gefilde abzudriften. Die Krux hieran: Was anfangs noch als 3D-Atempause für den inzwischen gänzlich reizüberfluteten Zuschauer beginnt, zieht sich leider zum Teil gehörig in die Länge.
So löblich es ist, es inmitten all der Kollateralschäden
once more with feeling zu probieren und so solide diese Momente auch gespielt sein mögen – im Grunde wartet der Zuschauer doch nur unruhig auf den nächsten Effekte-Shot und straft die ruhigeren Passagen somit bestenfalls mit geteilter Aufmerksamkeit, anstatt sich vollends auf sie einzulassen. Diesen Umstand hat sich
„AVENGERS: AGE OF ULTRON“ gewissermaßen selbst zuzuschreiben, zelebriert er doch in jeder Einstellung die Filmwerdung der in ihn investierten 250 Millionen Dollar, indem er keinesfalls mit seinen optischen Vorzügen geizt. Die Effekte sind diesmal noch aufwendiger, die Kamera noch dynamischer am Geschehen (was den 3D-Genuss zuweilen arg erschwert), und auch die Setgestaltung überzeugt auf durchweg hohem Niveau. Aber das letzte Fünkchen, das aus einem reinen Action-Blockbuster einen vielschichtigen, aus einem Guss wirkenden Action-Blockbuster werden lässt, fehlt.
„AVENGERS: AGE OF ULTRON“ schlägt im direkten Vergleich zum Vorgänger stattdessen hinsichtlich Bombast noch eine dicke Schippe drauf und entfesselt das vielleicht größte Spektakel dieses Kinosommers. Mit der Folge, dass jeder Versuch Whedons, etwas Ruhe einkehren zu lassen, dieses eine Mal von vornherein nichts weiter als vergebene Liebesmüh darstellt und wie ein glückloser
Chitauri-Krieger im Kampfgetümmel untergeht.
Darf man so etwas einem Film wie
„AVENGERS: AGE OF ULTRON“ vorhalten? Mit Sicherheit, da der Vorgänger seinerzeit bewiesen hat, dass Action alleine nicht alles ist. Dass nun in der Fortsetzung – wenn auch ungewollt – das Hauptaugenmerk des Zuschauers genau auf die Action alleine gerichtet wird, ist Ironie der bittersten Sorte, geboren aus zu hohen Erwartungen und einer allzu bombastisch angelegten Inszenierung. Irgendwie wird Whedon den Geistern, die er eigens rief, dieses eine Mal nicht wirklich Herr und verzettelt sich zusehends in seiner Herangehensweise. Da können auch abermals lustige One-Liner, ein stimmlich bestens aufgelegter
James Spader als
Ultron, das charismatische Heldengespann, sehenswerte Gastauftritte, Neuzugänge sowie der heimliche Szenenstehler
Jeremy Renner als Hawkeye nicht allzu viel drehen: Am Ende des unerwartet uneinheitlichen Actionspektakels fühlt sich der Zuschauer geplättet, als hätte der Hulk einem eine Kopfnuss verpasst. Multipliziert mit dem diesmal gänzlich entbehrlichen 3D-Einsatz bleibt so ein knapp überdurchschnittlicher Blockbuster übrig, der sich im soliden Mittelfeld des
Marvel Cinematic Universe einreiht. Was bei
der Heldenpower und dem vermuteten Mega-Budget einer sehr teuren Enttäuschung auf hohem Niveau gleichkommt.
Fazit: Marvels Fan-Service
„AVENGERS: AGE OF ULTRON“ ist eine abermals pompös-gigantische Materialschlacht, die trotz der Vielzahl an Charakteren jedem
Avenger seinen speziellen Moment spendiert. Würde sich der Film im Tempo nur nicht teilweise selbst ausbremsen und in seiner Komposition aus Action und ruhigen Passagen ein mindestens ebenso kohärentes Gesamtbild wie noch der erste Teil abgeben, wäre das
Zeitalter des Ultron ohne Zweifel der ausgezeichnete Blockbuster, den die Fans so sehnsüchtig erwarten. Ein würdiger Abschied Joss Whedons vom penibelst durchgeplanten
Marvel-Zirkus ist diese erneut unterhaltsame Heldenzusammenkunft trotz einiger Schönheitsfehler aber allemal.
Bilder: © Marvel Studios 2015