(USA, 1974)
“A train is down, its radio's dead, the power's off, and it's dumped its load. Aside from that, everything's ginger peachy.”
U-Bahnen und Züge gehören zu den ungeschütztesten Transportmitteln überhaupt. Flugzeuge sind Hochsicherheitstrakte dagegen. Ein Gefühl, mit dem man jeden Tag lebt und leben muss.
Die Formatierung für einen Thriller könnte dann so spartanisch wie effektiv aussehen: 1. New York, die Hauptstadt der Verbrechens (wie der versierte Kinogänger weiß). 2. Gangster nehmen einen ganzen Zug als Geisel. Da kommt eins zum anderen. In der bösen Großstadt ist man seines Lebens nicht mehr sicher. Und so ein Sumpf zieht eben auch Terroristen an. Ist es ein Wunder, dass so wenig Krimithriller auf dem Land spielen?!
In einem der bekannteren Filme von Joseph Sargent (
White Lightning (dt:
Der Tiger hetzt die Meute (1973),
Mac Arthur - Held des Pazifik (1976)) kapern maskierte Gangster eine U-Bahn und verlangen von der Stadt 1 Million Dollar Lösegeld. Ansonsten drohen sie damit, nach Ablauf des Ultimatums jede Minute eine Geisel zu erschießen. Und eine Million Dollar waren damals eine Menge Geld, gerade für die notorisch klamme Metropole. 1975, ein Jahr nach Produktion dieses Films, wird sie ihren Bankrott erklären müssen.
Im Kontrollzentrum des Untergrundverkehrs sitzt Lieutenant Garber (Walter Matthau) von
der U-Bahn-Polizei und muss am Mikrophon sein Bestes geben, um eine Katastrophe zu verhindern. Um ihn herum bricht der Verkehr zusammen und das Chaos aus. Der Bürgermeister liegt krank im Bett und ist mit der Gesamtsituation heillos überfordert.
The Taking of Pelham One Two Three ist ein lupenreiner Spannungsfilm der siebziger Jahre. An ihm kann man studieren, welch enormen Einfluss William Friedkins Überklassiker
French Connection (1971), der Prototyp des harten Bullenfilms, auf das gesamte Genre hatte. Sargents Reißer hat viel von diesem Schmirgelpapiercharme abbekommen, der in alle Zeichensysteme hineinrinnt, die einem Film überhaupt zur Verfügung stehen. Das gilt für den Realismus der Bilder, die ohne Stilisierung oder Symbolismus auskommen. Das gilt für Sargents Inszenierung, die die Spannung ohne Umwege, Szene für Szene hochschraubt. Und das gilt vor allem für das Drehbuch des Oscar prämierten Autors Peter Stone, das genau den richtigen Ton trifft. Der ganze Film strotzt vor knalligen Schlagabtausch-Dialogen. Und der polternde, treibende Soundtrack von David Shire passt sich nahtlos ein in die aufgeladene, sirrende Atmosphäre der Millionenstadt und der herannahenden Gefahr.
Der Seitenhieb, den man sich erlaubt, ist die Darstellung des New Yorker Bürgermeisters als bettlegerigen, entscheidungsschwachen Waschlappen, für den Wahlprognosen das einzig stichhaltige Argument darstellen. Ein Sinnbild für eine Stadtpolitik, die das New York City der Siebziger, ein Moloch aus finanziellem und sozialem Chaos, nicht in den Griff bekommt.
Der linguistische Stil, den das Drehbuch einfängt, gehört zu den Glanzstücken des Films. Die New Yorker, so wie Sargent und Stone sie portraitieren, sind flapsige Raubeinige. Ihre Sprache kennt keine übertriebene Zurückhaltung oder unnötige Höflichkeit. Jede Bemerkung ein Muskelspiel, jedes zweite Wort eine Beschimpfung. New Yorker leben in einer aufreibenden, hektischen Stadt, und diese Atmosphäre scheint sich in den Habitus dieser Menschen eingraviert zu haben. Auf jeden Fall in die, die für die hiesigen Verkehrsbetriebe tätig sind. Insofern ist dieser Thriller auch, irgendwie, eine kleine Anthropologie des Film-New Yorkers geworden.
Es ist schon interessant, dass gerade der Anführer der Terroristen, gespielt von Robert Shaw, den sprachlichen Gegenentwurf präsentiert. Seine Sprache ist stets gewählt und beherrscht, frei von Impulsivität oder Gefühlen. Noch interessanter ist, dass er, ein ehemaliger Söldner, nun seine Hard und Soft Skills dazu benutzt, nicht mehr in fernen Ländern, sondern in der ‚zivilisierten Welt’ zu wüten. Doch das ist nur konsequent. Denn es gehört zum Wesen des Söldnerdaseins, nicht in idealistischen und moralischen Kategorien zu denken, geschweige denn zu handeln.
Ach ja: die Rolle dieses kaltblütigen Fieslings mit einem Briten zu besetzen, gehört zum konventionellen Inventar, mit dem man die Gefühle eines amerikanischen Publikums zu lenken versucht. Es ist aber fast die einzige, etwas grelle Ansage, die man in diesem Film hören kann.
The Taking… ist schroff und grobkörnig, aber nicht antiliberal.
Walter Matthau gibt einen der zurückhaltendsten Helden, den man sich in diesem Genre vorstellen kann. Er gehört nicht in die Ahnengalerie der reaktionären Anzugcops (Clint Eastwood, Charles Bronson), die das Gesetz in die eigene Hand nehmen. Er ist zielstrebig, aber bedacht. Den lüsternen Kampfansagen seiner Kollegen, mit Terroristengesocks dürfen auf keinen Fall verhandelt werden, gibt er nicht nach. Er verhandelt, er möchte die Menschen retten. Schon einige Jahre später wäre so etwas im amerikanischen Unterhaltungsfilm nicht mehr wirklich denkbar gewesen. Da wäre Matthau der Schwächling und ein großkotziger Held würde ihm was husten, die Knarre auspacken und Tonnen von Kleinholz produzieren.
Nein, Matthau kriegt das Gesindel am Ende auch so. Durch gute, solide Polizeiarbeit. Wertarbeit!