„You're not a soldier!“
„Damn right I'm not. I'm an army.“
Klein gebackene Brötchen sind ganz klar etwas für den hohlen Zahn. Sie sind viel zu schnell verzehrt, machen nicht satt, und vor allem werfen sie keinen merklichen Gewinn ab. Aus diesem Grund lassen sich auch viele gar nicht erst mit solch einem mickrigen Frühstück abspeisen, bevor sie sich auf den steinigen Weg des Erfolges wagen. Sie wollen vielmehr das, was alle wollen, nämlich einfach
mehr. Mehr Erfolg, mehr Geld, mehr Superlative. Und damit die nicht ausgehen, wird der ein oder andere mitunter recht erfinderisch.
Tony Stark (Robert Downey Jr.), der Kopf hinter
Stark Industries – dem wichtigsten Waffenlieferanten der US-Regierung – ist dies zweifellos. Einfallsreichtum und Erfindungsgeist ließen den zynischen Großindustriellen längst zum Multimillionär werden. Ein Leben wie im Bilderbuch, so scheint es. Macht, Geld und trockene Martinis.
Doch auch das schönste Leben kann einmal aus den Fugen geraten. Während eines groß angelegten und bei möglichen Kaufinteressenten mächtig Eindruck schindenden Waffen-Testlaufs in Afghanistan kommt es zum Eklat. Terroristen reißen kurzerhand in einem Feuergefecht die Macht an sich und nehmen Stark, der durch Granatsplitter lebensgefährlich verletzt wurde, gefangen. Der Anführer der Aufständischen, ein gewisser Raza (Faran Tahir), zwingt den von der P
resse gerne auch „Händler des Todes“ genannten Waffenlieferanten kurzerhand, eine verheerende Waffe zu bauen. Aber Stark denkt nicht daran, zu kooperieren. Heimlich entwickelt er zusammen mit dem Mitinhaftierten Yinsen (Shaun Toub, „
Drachenläufer“ [2007]) eine Rüstung aus Eisen, die nicht nur Schutz bieten, sondern vor allem zur Flucht benutzt werden soll. Tatsächlich gelingt es Stark dann auch, mittels der Rüstung zu entkommen, während Yinsen beim Versuch zu helfen den Heldentod stirbt. Die Zeit der Gefangennahme nagt auch noch dann an dem Großindustriellen, als er schon längst wieder zurück in Amerika und seinem alten Leben ist. Ein plötzlicher Sinneswandel, der sehr den Vorstellungen seiner rechten Hand, Obadiah Stane (gewohnt souverän: Jeff Bridges), zuwiderläuft, der in seiner Abwesenheit die Geschäfte leitete, bewegt Stark zu dem Entschluss,
Stark Industries in eine komplett andere Richtung zu lenken. Zuhause arbeitet der Erfinder derweil Tag und Nacht an der Perfektion seiner Rüstung, um sie für gute Zwecke einzusetzen. Fast immer an seiner Seite: die charmante Assistentin „Pepper“ Potts (nett, aber etwas farblos: Gwyneth Paltrow, „
Sieben“ [1995]), mit deren Hilfe er schließlich einer schändlichen Verschwörung weltweiten Ausmaßes auf die Spur kommt, die auch seinen Militärvertrauten Rhodey (Terrence Howard) auf den Plan ruft. Es ist schließlich die Geburt eines neuen Superhelden, es ist die Geburtsstunde von „Iron Man“, der erschien, um unsere Welt zu retten.
Jon Favreau („
Buddy der Weihnachtself“ [2003]) hat bei der Inszenierung von
„IRON MAN“, der ersten einer Reihe von insgesamt 10 durch
Marvel selbstproduzierten Superhelden-Verfilmungen, ein überaus glückliches Händchen bewiesen. Während der ersten Minuten wird der Zuschauer zunächst Zeuge des glamourösen und extravaganten Lebensstils des (tragischen) Helden Tony Stark, der mit seinen Playboy-Allüren erst gar nicht hinter dem Berg bleibt. Sarkastisch und dabei immer wunderbar zynisch – so verkörpert
Robert Downey Jr. den Weiberheld, der wohl nicht von ungefähr an den Erfinder, Abenteurer und Multimillionär Howard Hughes erinnert. Und er interpretiert die ihm auf den Leib geschriebene Rolle derart treffend, dass der Zuschauer zu Beginn eine wahrlich gelungene One-Man-Show mit niemals aufgesetzt wirkendem Wortwitz präsentiert bekommt. Eine Kunst für sich, zweifellos, an der so manche Verfilmung der letzten Jahre schon gescheitert ist. Doch Favreau tat gut daran, sich vollends auf das Spiel seines Hauptdarstellers zu verlassen. Eine Bereicherung für den Film und angesichts der deutlich sichtbaren Spielfreude Downey Jr.’s ein Genuss für den Zuschauer. Dieser etwas andere Superheld ist schlicht und ergreifend interessant!
Denn wo ansonsten
durch Unfälle bedingte Mutationen oder gentechnisch veränderte und bissfreudige Insekten Marvel-Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten und Superkräften schaffen, ist es nun Tony Stark selbst, der sich zum „Iron Man“ macht. Einzig seine Rüstung stattet ihn mit Fähigkeiten aus und lässt ihn – zumindest im riesigen Marvel-Universum – zum einzigen Vertreter dieser Art werden. Tony Stark ist ein Mann, unter dessen rau anmutender Fassade ein zutiefst menschlicher und durchaus zerbrechlicher Kern steckt, verbildlicht in seinem schwachen Herz, das ihn zu einem so gar nicht perfekten Menschen macht. Gerade diese nicht glattgebügelten Macken, Ecken und Kanten, welche von Robert Downey Jr. wunderbar auf die Leinwand transportiert werden, tragen sehr dazu bei, den Mann hinter der Rüstung als einen der menschlichsten und auch verletzlichsten Superhelden überhaupt anzusehen – auf mindestens einer Stufe mit
Peter Parker, der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft. Superhelden, die nicht perfekt sind, machen ja auch einfach viel mehr her.
Ergänzt und unterstützt wird der gute Gesamteindruck der ersten Minuten im weiteren Verlauf durch eine einfühlsame Inszenierung Favreaus, die sich die Zeit nimmt, die benötigt wird, um die Geschichte eines Mannes zu erzählen, in dem schon immer ein Held schlummerte. Seit jeher. Jedoch fördern diesen erst grausame, gesellschaftliche Umstände an die Oberfläche. Ja, richtig gelesen:
„IRON MAN“ ist eine der wenigen Comic-Verfilmungen, die sich bewusst und erfrischend unaufdringlich mit unserer Welt und den damit unmittelbar verbundenen Problemen auseinandersetzt. Natürlich nur im begrenzten Rahmen des Drehbuchs, aber nichtsdestotrotz hinreichend genug, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Denn trotz leiser Kritik ist der Film natürlich vorrangig eines: eine Superheldenverfilmung, und als solche bietet auch
„IRON MAN“ letztlich das, was man von ihm erwartet. In den nicht vielen, dafür aber umso intensiveren Actionsequenzen verliert der Zuschauer nie den Überblick, was letztes Jahr bei den „
Transformers“ noch ganz anders aussah. George Lucas’ Effektschmiede ILM, die auch hier wieder für die digitalen Effekte verantwortlich zeichnet, liefert feinste Digital-Spielereien ab, die niemals aufdringlich, aber immer glaubhaft wirken. Alleine das muss bei einem Film dieses Kalibers (geschätztes Budget: 186 Mio. Dollar!) erst einmal geschafft werden.
Man kann
Marvel schlussendlich nur beglückwünschen für den Mut, den sie hatten, die Filmfranchise um den Mann in der rot-goldenen High-Tech-Rüstung in die eigenen Hände zu nehmen. Denn mit
„IRON MAN“ liegt eine wirklich gelungene Comic-Verfilmung vor, die vor allem dank ihres charismatischen Hauptdarstellers Lust auf mehr macht (nach dem Abspann noch sitzen bleiben!). Abwegig ist der Gedanke an eine mögliche Fortsetzung nicht, hat doch zumindest Robert Downey Jr. schon vorsichtshalber einen Vertrag für eine etwaige Trilogie unterschrieben. Gut möglich, dass auch er sich wie sein Alter Ego Tony Stark nur ungern mit kleinen Brötchen zufrieden gibt.
Auch interessant: „
Iron Man 2“ [2010] und „
Iron Man 3” [2013]