Es war einmal im Jahre 2008, als sich ein altgedienter Comic-Held mit der Verfilmung seines turbulenten Lebens anschickte, wahrhaft
eisernen Willen zu beweisen, indem er kurzzeitig frecherweise am Thron des eigentlichen
Primus wackelte. Gestürzt werden konnte dieser zwar nicht, doch ein beachtlicher Erfolg wurde „
Iron Man“ dennoch. Denn neben einer angemessenen Story und imposanten Schauwerten überzeugte der Film vor allem durch die Performance eines bestens aufgelegten
Robert Downey Jr., der genau die richtige Wahl für die Verkörperung des exzentrischen Tony Stark darstellen sollte.
Die zahlreichen Aufenthalte in Entzugskliniken, die mit wiederholtem Drogenkonsum einhergingen, hat der charismatische Schauspieler mittlerweile glücklicherweise hinter sich gelassen und – so scheint es – schlussendlich vollends zu sich und einem Leben ohne Skandale zurückgefunden. Ab Mitte des neuen Jahrtausends regnete es plötzlich wieder Auszeichnungen und überraschend euphorisches Kritikerlob (der Oscar-Nominierung für „
Tropic Thunder“ [2007] folgte zuletzt der Golden Globe für seine Rolle der titelgebenden Hauptfigur in Guy Ritchies Neuauflage von „
Sherlock Holmes“ [2009]), so dass man kaum glauben mag, da
ss dieser Mann zeitweilig schon als abgeschrieben galt. Als sich Tony Stark am Ende des ersten „Iron Man“-Abenteuers zu seiner Geheimidentität bekannte und nach einigem Zögern der Öffentlichkeit mitteilte, dass er der eiserne Held sei, huschte kurzzeitig gar ein leichtes, flüchtiges Grinsen über das Gesicht des Schauspielers. Ob Downey Jr. wohl in jenem Moment erkannt hat, dass in diesen Worten soeben ein wenig von ihm selbst Einschlag gefunden hat? Wie dem auch sei, mehr Authentizität als hier kann von einem Schauspieler fast nicht in eine zu verkörpernde Rolle transportiert werden...
„IRON MAN 2“, die nach Hollywood-Regeln quasi unausweichliche Fortsetzung des erfolgreichen Erstlings, setzt nach diesem Bekenntnis ein, das nicht ohne Folgen bleiben sollte. Plötzlich ist Tony Stark (Robert Downey Jr.) mehr denn je im Fokus des Geschehens, was er – wer könnte es ihm, dem Playboy verübeln? – durchaus genießt. Da passt die plötzliche Vorladung zu einer Anhörung, der mit der Person des Senators Stern (Garry Shandling) kein Freund der Privatisierung des Weltfriedens vorsitzt, nicht so recht ins Bild. Stern verlangt vor dem Senat kurzerhand, das in seinen Augen mächtigste Waffensystem des Globus’ – Starks Anzug – der Regierung zu überlassen. Doch dieser kontert frech, dass er als alleiniger Inhaber dieser Technik das Kind schon schaukeln werde, denn welche fremde Macht solle es auch mit ihm aufnehmen? Noch dazu ohne vergleichbare Ausstattung? Ohne Zweifel große Worte, die noch größere Versprechen formen. Dumm nur, dass es während des Formel-1-Grand-Prix in Monaco zu einem unerwarteten Zwischenfall kommt, dessen Hauptursache der Russe Ivan Vanko alias „Whiplash“ (Mickey Rourke) in seiner eigens konstruierten Rüstung, die nicht von ungefähr der von Iron Man ähnelt, darstellt. Zwar gelingt es unserem Helden vorerst, Schlimmeres zu verhindern und Vanko hinter Gitter zu bringen, doch damit sind die Probleme noch längst nicht ausgestanden. Denn Starks Konkurrent, der schmierige Waffenfabrikant Justin Hammer (Sam Rockwell), schmiedet bereits einen gemeinen Plan, um Stark den Rang abzulaufen. Und dazu braucht er Vanko…
„Schön, dass ich wieder da bin“, sagt ein sichtlich gut gelaunter Tony Stark zu Beginn des Films, als er medienwirksam vom Himmel auf der Bühne der
Stark Expo landet und frenetisch gefeiert wird. Da ist er wieder, der egozentrische, selbstverliebte Multimillionär, den das zuvor erfolgte Outing nicht etwa um 180° gedreht, sondern im Gegenteil noch ein Stückchen weiter vom Status des Prototyps eines sauberen Vorzeigehelden entfernt hat. Unfähig, sein Unternehmen mit dem ihm gebührenden Ernst zu führen, dabei arrogant wie eh und je – was „Iron Man“ [2008] so besonders machte, findet sich auch im Nachfolger in Hülle und Fülle. Robert Downey Jr. liefert zu jedem Zeitpunkt eine bemerkenswerte Performance ab, die aufgrund der deutlich sichtbaren Spielfreude des Schauspielers niemals auch nur annähernd ins lächerlich Überzogene abdriftet. Auch wenn Tony Starks Umfeld im Laufe des Films, allen voran eine nunmehr deutlich weniger blasse
Gwyneth Paltrow („
The Good Night“ [2007]) als Sekretärin Pepper Potts, dies augenrollend bestreiten würde. Also ganz der Alte, mag man meinen.
Doch der Schein trügt. Mittlerweile muss unser Held resigniert einsehen, dass die Technologie, die ihm einst das Leben rettete, ihn langsam, aber sicher vergiftet, sollte sich kein Ersatz für den Palladium-Kern des Elektrotransmitters in seiner Brust finden. Eine Last, die der sonst so Strahlende alleine zu schultern gedenkt, weshalb man Tony Stark etliche Male in einer ungewohnt nachdenklichen Rolle zu Gesicht bekommt, was der Verfilmung eine ordentliche Portion Ernst beschert. Generell liegt das Hauptaugenmerk der Superheldenmär eindeutig nicht auf dem Kampf mit übermächtigen, menschlichen Gegnern, sondern auf jenem, den der eiserne Held mit sich selbst austrägt: nicht verarbeitete Kindheitserinnerungen, die unterbliebene Aussöhnung mit seinem verstorbenen Vater, Angst, mit seinen wenigen echten Freunden darüber zu reden. Und über allem schwebt das Damoklesschwert in Gestalt des Versagens als selbsternannter Retter in der Not – kaum ein Superheld zuvor hatte wohl mit derart vielfältigen Neurosen zu kämpfen wie unser Iron Man. Wer rettet Superhelden, wenn sie selbst notleidend werden?
Es soll aber gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass sich
„IRON MAN 2“ von jeglichen Schauwerten, die auch gerade den für den Oscar nominierten Vorgänger ausmachten, gänzlich freispricht. Im Gegenteil: auch wenn in den 125 Minuten Laufzeit gerade einmal drei (!) große Actionsequenzen gehörig den Staub aus den Lautsprecherboxen pusten, sind diese optisch rasant, visuell gelungen und trotz aller Hektik fast immer übersichtlich. Wenn
Mickey Rourke („
The Wrestler“ [2008]) als herrlich fieser Russe Ivan „Whiplash“ Vanko die Peitschen schwingt und den ein oder anderen Rennboliden in seine Einzelteile zerlegt, ist dies von Regisseur
Jon Favreau tadellos inszeniert, ebenso wie der Endkampf gegen unzählige ferngesteuerte Gegner. Ihren Unterhaltungszweck erfüllen diese Szenen ohne Zweifel, wirklich mitreißend sind sie jedoch nicht, wirken vielmehr wie eine Pflichtübung, um die eher ernste Grundstimmung des Filmes etwas aufzulockern. Dabei tut Favreau wahrlich gut daran, die actionhaltigen Sequenzen mit Bedacht einzusetzen. Denn ein eiserner Held, der in den Kämpfen trotz einer Übermacht an Gegnern niemals auch nur annährend außer Puste gerät und selbst in verschmutzter Rüstung irgendwie strahlend daherkommt, ist weit weniger interessant als einer, der tief in seinem Inneren dieselben Macken hat wie ein „normaler“ Mensch und vornehmlich als solcher Schwäche zeigt.
Wirklich mitreißend ist
„IRON MAN 2“ im Kleinen, fernab jeglichen Actionbombasts, wenn die eigentlich ernste Geschichte aus der Feder von
Justin Theroux mit ironischen Details und flotten Dialogen aufgelockert wird. Da kann es durchaus vorkommen, dass sich ein betrunkener Stark auf seiner eigenen Geburtstagsfeier in voller Iron Man-Montur schon mal ohne Skrupel in seine Rüstung erleichtert, oder aber
Scarlett Johansson („
Lost in Translation“ [2003]) als undurchsichtig-verführerische, geheimnisvolle Agentin Natalie beweist, dass Latein gar nicht mal eine so tote Sprache ist. Vor allem
Sam Rockwell („
Frost/Nixon“ [2008]) als Stark-Konkurrent Justin Hammer sorgt mit seiner überzogenen, fast albernen Art für den ein oder anderen Schmunzler, so dass man ihm den eigensinnigen Waffennarr zu jedem Zeitpunkt abnimmt.
Doch auch
„IRON MAN 2“ ist bei noch so soliden Schauspielleistungen der anderen Beteiligten vordergründig eines: die Robert Downey Jr.-Show. Und diese wird trotz einiger Abzüge in der B-Note von diesem zum wiederholten Male mit Bravour gemeistert. Es war zwar abzusehen, dass die Fortsetzung nicht ganz an die Qualitäten des damals erfrischenden Vorgängers heranreichen würde. Dafür punktet das zweite Abenteuer mit einer für das Genre unüblichen Affinität für die ruhigen, charakterbezogenen Momente, welche im Zuge der Auslotung neuer (filmtechnischer) Ziele als überaus logische Konsequenz den Hauptreiz dieser Verfilmung ausmachen, ohne der ereignisreichen Geschichte den Wind aus den gespannten Segeln zu nehmen.
Kurzum: Mit Robert Downey Jr. steht und fällt das Abenteuer, da gibt es nichts zu rütteln.
„Contrary to popular belief, I know exactly what I`m doing...”, sagt sein Alter Ego Tony Stark während des Films, und es liegt nicht fern, diese Worte aus seinem Mund für bare Münze zu nehmen. Denn wer nach oben will, muss zumeist unten anfangen. Diesen Schritt hat der Schauspieler nun erfolgreich hinter sich gebracht. Wenn die mächtige Rüstung und Tony Stark wie im Film angedeutet eine untrennbare Einheit sein sollen, so hat sich Downey Jr. mit der Annahme dieser Rolle seine eigene High-Tech-Prothese geschaffen.
Auch interessant: „
Iron Man 3” [2013]