Frisch eingetroffen aus dem Hause Koch Media (vielen Dank für das Rezensionsexemplar!) ist ein Streifen, dessen Thema nicht nur Grundlage für unzählige andere Filme war, sondern auch in Werken bereits behandelt wurde, die hier ihre Aufmerksamkeit fanden: Rache. Auch im vorliegenden „Vengeance“ legen sich böse Verbrecher mit dem falschen Mann an, welcher auf einen Feldzug geht, um seine Familie zu rächen. Dass in dieser französisch-asiatischen Co-Produktion Johnny Hallyday die ursprünglich für Alain Delon gedachte Rolle übernommen hat, mag aufhorchen lassen; dass aber Johnnie To hier die Regie über das Script von Wai Ka Fai übernommen und gleichzeitig noch einige seiner Stammplayer mitgebracht hat, sorgt bei Fans einerseits für Ohrenschlackern, andererseits auch für die Gewissheit, dass der Film sicherlich vom unvergleichlichen Stil Tos leben wird.
Costello, Pariser Koch und Restaurantbesitzer, reißt nach Macau mit nur einem Ziel: Rache. Aus bisher ungeklärten Gründen wurden sein Schwiegersohn und seine zwei Enkel in ihrem Zuhause hingerichtet, nur seine Tochter überlebte wie durch ein Wunder schwer verletzt. Mit dem Hinweis, dass drei Männer in das Haus eindrangen und einem das Ohr abgeschossen wurde, macht er sich auf die Suche nach den Tätern und den Hintermännern. Durch einen Zufall trifft er eine andere dreiköpfige Killertruppe auf frischer Tat. Er engagiert diese ihm zu helfen, denn Costello hat noch ein ganz anderes Problem als in
dieser fremden Umgebung Kriminelle zu jagen...
...doch dieses andere Problem möge hier natürlich tunlichst nicht verraten werden. Schon beim Lesen der Inhaltsangabe merkt man sicherlich, dass die Geschichte eigentlich sehr simpel ist und aus unzähligen anderen „Ein-Mann-sieht-rot“-Varianten bekannt ist, etwa aus
Taken. Allerdings können Regisseur To und Autor Fai der Story durch das oben erwähnte Problem von Costello einige neue Facetten abgewinnen, und sogar so etwas wie Tiefgang erreichen durch die Frage, wie sinnvoll Blutrache ist. Gleichzeitig muss man aber auch anmerken, dass dies nur angeschnitten wird und weder ausgebaut scheint noch irgendwo sonderlich hinführt. Als kleineres Detail am Rande ist dieser Aspekt jedoch ganz interessant und sorgt zumindest genre-intern für Abwechslung (man merkt sicherlich: es ist schwer über dieses „Gimmick“ zu schreiben, ohne es zu verraten und damit einen Teil der Spannung rauszunehmen. Zumindest dachte ich anfangs, die Fotografien von Costello wären eine Anspielung darauf, dass Europäer Schwierigkeiten damit haben, Asiaten auseinander zu halten).
Dabei ist die Story höchstwahrscheinlich nicht das, weshalb man sich diesen Johnnie To Film anschaut; vielmehr sorgt erneut sein unvergleichlicher Stil für Freude. Zu beachten ist jedoch, dass nicht jeder etwas damit anfangen kann – Neulinge oder Leute, die einen Actionkracher erwarten sollten eher Abstand halten. To inszeniert die Actionsszenen völlig anders als etwa John Woo. Die Sequenzen leben weniger von der kinetischen Energie des klassischen Actionkinos aus Hongkong, als vielmehr von der höchst artifiziellen Inszenierung und der quasi geometrischen Anordnung der Figuren im filmischen Raum – kontrolliertes Chaos gegenüber wildem Gunplay. Fast wirkt es so, als wären die Posen und die räumliche Beziehung der Akteure für To wichtiger als etwa der Verlauf der eigentlichen Set-Pieces. Dazu sorgt die größtenteils sehr entspannte Kameraarbeit für zusätzliche Übersicht, sowie die quasi fast durchgehende Zeitlupe eventuell eher für Verwirrung bei dem nicht To-bekannten Zuschauer. Diesen Stil muss man halt mögen, um mit den Filmen etwas anfangen zu können; ich mag ihn!
Auffällig ist hierbei, dass quasi jede Schießerei so etwas wie ein Gimmick hat. Da wäre die storybedingte Aufklebersache des Finales, die Schießerei bei Vollmond im dunklen Wald, oder etwa der Kampf auf der äußerst windigen Müllhalde. Keines dieser Gimmicks wirkt sonderlich notwendig, doch es unterstreicht die enorme Künstlichkeit der einzelnen Szenen. Kaum eine Sequenz des Films hat nicht einen mehr oder minder großen Faktor des Absurden, ohne den Film komödiantisch bzw. lächerlich wirken zu lassen: so machen die Gangster Zielübungen auf ein rollendes Fahrrad, das Waffenlager befindet sich über verschiedene Küchengeräte auf der Müllhalde verstreut, und die Trefferwirkung wird durch teilweise riesige rote Wolken dargestellt, die wie eine Mischung aus flüssigem Blut und rotem Staub wirken. Die Freigabe ab 18 ist auf jeden Fall gerechtfertigt, bereits der erste Tote stirbt in einem Nebel aus Splittern, Rauch und jeder Menge Blut.
Insofern ist „Vengeance“ also vor allem wegen der Inszenierung und den innovativen Set-Pieces sehenswert als wegen der Story. Fantastische Ideen wie die Schießerei auf der Deponie inklusive dem bösen „General“ auf einem Hochstand der seine Truppen beobachtet reißen die prinzipiell flache Story raus, die darüberhinaus auch noch aus ihrem größten Kniff relativ wenig macht. Die Vernachlässigung der Geschichte, das Prinzip Style over Substance geht in „Vengeance“ sogar so weit, dass selbst das Motiv nur in einem Nebensatz erwähnt wird und im Endeffekt nichts zur Sache tut. Andererseits zeigen sich die üblichen Stammplayer von Johnnie To von ihrer spielfreudigsten Seite: Simon Yam gibt genüsslich den schmierigen Big Boss, während Lam Suet seine typische Rolle als dicklicher Gangster und leichter comic relief absolviert. Der westliche Hauptdarsteller Johny Hallyday bleibt allerdings überraschend blass und kann sein markantes Gesicht kaum mimisch einsetzen; von einem Megastar wie Anthony Wong wird er natürlich locker an die Wand gespielt (Wong ist allerdings erschreckend dürr geworden).
Zusammenfassend also trotz Abzügen in der B-Note Volle Punktzahl! Optisch einfach ein Hochgenuss, den man mal gesehen haben sollte. Allerdings muss man den ruhigen Regiestil schon mögen; dann aber ist der Film inszenatorisch in seiner Künstlichkeit ein absoluter Triumph!