Das Schema ist altbekannt: Junge Menschen, vorzugsweise Amerikaner, geraten in einem „wilden“ Land wie Tschechien in die Fänge skrupelloser Einheimischer, die aus irgendeinem niederen Motiv den Leuten ans Leder wollen. Dies geschieht dann auch in blutigen Details, und mit irgendeinem mehr oder minder fadenscheinigen Kniff kann ein Teil der Gruppe fliehen, um letztendlich nach längerer Verfolgung mit den Bösen abzurechnen. Variationen sind nicht erwünscht, nur das Szenario wird geändert, während das Ziel harte Effekte aufzufahren immer großzügig erfüllt wird, ohne auch nur einen Gedanken an Innovationen, Ideen oder Witz jeglicher Dimension zu vergeuden. Das Mainstream-Publikum lechzt scheinbar nach immer härteren Effekten, auch in Kino-Produktionen; die Firmen bedienen das. Ihnen ist also insofern wenig Vorwurf zu machen, wo eine Nachfrage, da ein Angebot. Turistas aka Paradise Lost ist hierfür ein perfektes Beispiel.
Erneut geht es um ein paar junge hübsche Menschen, die in einem exotischen Land (hier: Brasilien) Urlaub machen. Sie möchten trinken, sie möchten feiern, sie möchten eine schöne Zeit haben, und der ein oder andere Geschlechtsverkehr würde sicher laufen. Wenn, ja wenn da nicht die böse einheimische Gangsterbande wäre, die die armen Touristen erst betäubt, dann ausraubt und letztendlich verschleppt (was irre umständlich ist, aber nun gut). Diesmal geht es aber nicht wie in
Hostel um den puren Spaß am Menschen quälen und töten, sondern die Motive der Gangster sind bodenständigerer Natur: der schnöde Mammon ruft infolge des illegalen Organhandels. Das die Sache so überhaupt nicht durchdacht ist (als Motiv gibt der Oberfiesling in einem „HALLO-ICH-BIN-DIE-EXPOSITION“-Monolog an, dass die reichen Amerikaner die Organe von armen Brasilianern kaufen, was er ihnen jetzt zurückgeben will; dass die armen Brasilianer aber bestimmt nichts von den entnommen Organen der Touristen haben werden, scheint weder ihm noch den Film in den Sinn zu kommen), können wir mal beiseite wischen. Ironischerweise sollte eigentlich erst Eli Roth den Film drehen, trat jedoch die Regie ab und übernahm stattdessen Hostel. Nunja.
Platz auf dem Regiestuhl nahm dafür John Stockwell. Der actor-turned-director hat bereits einige Erfahrung mit ähnlichen Sujets. So ist es keinerlei Überraschung, dass man sehr schöne Menschen in sehr knappen Klamotten durch sehr schöne Landschaften turnen sieht, was auch zugegebenermaßen sehr schön gefilmt ist. Wer also schon immer mal knackige Mädels in Bikinis an Traumstränden sehen wollte, ohne bei der Ausleihe in der Videothek rot anzulaufen, möge zu diesem Film greifen und zur Halbzeit umschalten. Dabei bleibt der Film trotz der andauernden sexy Bilder und Damen überraschend prüde, selbst für einen amerikanischen Horrorstreifen der immerhin ein R-Rating bekommen hat. Nur in der hier vorliegenden Unrated Fassung (aka Extreme Edition in UK...) gibt es zwei respektive vier nackte Tatsachen zu sehen. Ein paar Brüste gibt es zwar noch dazu, die hab ich aber bewusst nicht mitgezählt, aus folgendem Grund: Turistas bleibt im Vergleich zu anderen Filmen relativ zahm, es finden mehr Verfolgungsjagden als Foltereien statt, mit ein paar vereinzelten Gewaltspitzen. Besagte Oberweite wird aber dann in dem „Höhepunkt“ des Films enthüllt, in dem eigentlichen Klimax, wenn man die Goreseite betrachtet. In einer Seelenruhe wird da einer jungen, halbbewusstlosen Dame erst der Bauch aufgeschnitten, um dann ein paar Organe zu entfernen; nicht wirklich anregend.
Die Kamera hält da selbstverfreilicht (in der Unrated-Fassung) auch munter drauf, in blutigsten Details, ruhigen Bildern und eben jenem Expositions-Monolog versucht der Film mal wieder eine Geschmacksgrenze zu überschreiten. Was ihm sicherlich auch gelingt, schön anzuschauen ist das ganze nicht; fiese Szene, die aber völlig exponiert in dem Streifen steht. In Zeiten von
Saw III jetzt zwar auch kein Aufreger mehr, aber da Turistas keine ähnliche Schlachtplatte ist, fällt es halt doch auf. Ansonsten wird noch ein bisserl vor sich hingeschmoddert, allerdings nicht unbedingt weltbewegend. Technisch sicherlich sauber gelöst, eine Szene mit einem Essstäbchen strahlt (natürlich auch nur in der Unrated) einen unerwarteten Sadismus aus, aber ansonsten herrscht das große Gerenne und Getauche vor. Gerannt wird viel, in der zweiten Hälfte bei ziemlicher Dunkelheit im Regen, so dass ich lange Zeit Schwierigkeiten hatten, mir zu merken, wer denn überhaupt noch am Leben ist. Letztendlich geht der Film mitsamt Dramaturgie und Darstellern dann auf Tauchstation, wenn fast alle Charaktere sich minutenlang unter Wasser verfolgen, was ja nun weder die schnellste, noch die abwechslungsreichste aller Fortbewegungsarten darstellt. Schön gefilmt ist das, keine Frage (Stockwell inszenierte ja auch Jessica Albas Bikini-Werbung aka Into the Blue), nur geht die Übersicht hier völlig flöten, wenn sich im Halbdunkel und komplett Nass die männlichen Charaktere wie ein Ei dem anderen ähneln, und man sich die Namen der holden Weiblichkeit in dem Genre sowieso überhaupt nicht merkt.
Nebenbei gibt es noch ziemlich unverhohlenen Rassismus gegenüber den Brasilianern, da im Endeffekt alle, die mehr als Rumstehen zu tun haben, entweder Diebe, Mörder, Gauner oder sonstige Fieslinge sind. In einem halbherzig hingerotzten Ende wird das natürlich noch relativiert, nur sind vorher fast alle Einheimischen dementsprechend charakterisiert worden. Einzig die Tatsache des zumindest im englischsprachigen Originals multinationaler Casts, die einigermaßen sympathischen Charaktere, sowie der prinzipiell spannende Showdown unter Wasser mitsamt ausgehender Luft (leider zu lange ausgewälzt), heben den Film dann doch über Hostel hinweg.
Was bleibt also? Schöne Menschen werden von bösen Menschen gejagt, was durch die Verknüpfung von mehr oder minder unterschwelliger Sexualität der Bilder und dem Sadismus, blutigen Details und dem Adrenalinkick der verfolgten Menschen natürlich den Kritikern genug Angriffsfläche bietet und nicht zuletzt sich gefährlich nahe dem von mir so verhassten Begriff des sogenannten „Torture Porn“ nähert.
Also zusammenfassend ein weiterer Fire-and-Forget-Film des modernen Horrorkinos. Handwerklich sauber gemacht und schön gefilmt, aber ohne jede eigene Idee, mit bitterem Ernst und exakt nach dem Handbuch „Mainstream-Horror für Dummies“. Bloß nicht vom festgelegten Schema abweichen. Könnte ja was schiefgehen.
Wem's gefällt. Irgendwas zwischen drei und vier Sternen, aufgrund mangelnder Kreativität bleibts aber bei drei.