(USA, 1987)
"What's this, an audience or a funeral?"
Die Welt braucht mehr Episodenkomödien. Unbedingt. Denn sie bereichern unser Leben. Sie sind eine vernachlässigte Spezies, der mehr Hege und Pflege zuteil gehört. Sie kosten vergleichsweise wenig Geld, weil sich in der kurzen Zeit einer Episode überhaupt nichts Teures ereignen kann. Viel eher zwingen sie zur Pointierung und Prägnanz. Zu einem Auf-den-Punkt-kommen, das kein Lavieren erlaubt. Und unter dem Schutz bereits bekannter Regisseure könnten sich auch die jungen Talente austoben.
Die Komödie ist wie geschaffen für dieses Genre. Witze, die man sich in der Kaffeeklitsche oder auf dem Gang in der Mittagspause erzählt, sind ja auch kurz. Und im Grunde sind Episodenklamotten wenig anderes als ein Witzeerzählen auf Leinwand. Die Zucker-Brüder hatten es mit
Kentucky Fried Movie (1977) vorgemacht. Zotig, frivol, sinnfrei. Für
Amazone Women on the Moon (
Amazonen auf dem Mond) fand Produzent Robert K. Weiss das gleiche Rezept. Nachfolgeproduktionen wie die
Nackte Kanone-Filme oder
Scary Movie 3-4 beweisen, dass der Mann seinen Beruf versteht. Die Liste an Regisseuren und Akteuren liest sich illuster: John Landis (
Blues Brothers) und Joe Dante (
Gremlins) standen unter anderem hinter der Kamera, Michelle Pfeiffer, Rosanna Arquette, Steve Guttenberg, Carrie Fisher, Ed Begley Jr., B. B. K
ing und Russ Mayer davor. Auch unter anderem. Und da wäre ja noch Peter Horten, der ja auch einen schönen Auftritt hatte als Linda Hamiltons Ehegatte in der Stephen King-Verfilmung
Kinder des Zorns.
Amazone Women on the Moon stellt so etwas wie ein großes Zapping dar, als wenn man nachts schlaflos durch die Kanäle klickt und nichts Vernünftiges findet. Es läuft nur Schrott, wie man so schön sagt. Und diesen Schrott hat man hier wunderbar auf die Spitze getrieben. Man sieht absurde Werbespots. Die Show „Bullshit or not?“, in der Henry Silva im Londoner Nebel der Spur von Jack the Ripper nachgeht und das Ungeheuer von Loch Ness als wahren Übeltäter ausmacht. B.B. King macht Werbung für eine Selbsthilfegruppe, die sich den „Schwarzen ohne Seele“ annimmt, die beispielsweise den Republikanern in die Hände gefallen sind, oder uncoole Musik machen. So wie Don Simmons, der immer wieder auftaucht und für seine Kollektion an bräsigen, weichspülerischen Liebesschnulzen wirbt, unter anderem
Close to Me von den Carpenters. Weißer Romantik-Kitsch im Zick-Zack-Muster-Pullunder. In einer Parodie auf James Whales Klassiker
The Invisilbe Man (
Der Unsichtbare, 1933) wird der verrückte Wissenschaftler leider nicht unsichtbar, nur merkt er davon nichts.
Die einzige narrative Klammer, die diesen ganzen Stuss zusammenhält, ist der fiktive SciFi-Klassiker „Amazonen auf dem Mond“ von 1954. Ein herrlich mülliges B-Movie um eine Expedition zum Mond, der "Präsident der Vereinigten Staaten der Welt" lässt vorher noch schön grüßen. Auf dem Mond gibt es nicht nur Sauerstoff, sondern auch langbeinige Amazonen auf Stöckelschuhen. Der Maschinist wird der Riesenspinne zum Fraß vorgeworfen. Am Schluss retten der raubeinige Captain (Steve Forrest) und der Sprücheklopfer die zwei schönsten Blondinen an Bord, bevor der Vulkan (!) explodiert. Um sich nach getanem Abenteuer der angedeuteten Fortpflanzung zu widmen. Ein Film, den Ed Wood gemacht haben müsste. Raumschiff und Mond baumeln am Faden. Die Pappkulissen drohen jeden Augenblick zusammenzukrachen. Dialoge aus der Mülltonne. Das volle Programm.
Drumherum grassiert kafkaesker Ausnahmezustand. Eine Beerdigung wird zur Comedyshow. Ein Mann schaltet den Fernseher ein und wird von der Fernbedienung in die TV-Welt gezogen. Ein anderer wird selbst zum Objekt des Spottes zweier TV-Filmkritiker, die sein langweiliges Leben zerreißen. Zwei Menschen (Steve Guttenberg und Rosanna Arquette) verabreden sich auf ein Date, doch die Frau zaubert eine Liste mit all den vorherigen Beziehungen des Mannes hervor. Ein Junge möchte nur Kondome kaufen und ist leider der tausendste Käufer. Landis und Co. stürzen die Protagonisten ihrer Miniaturen in Irrsinnsszenarien. Amerikanische Soziologen und Kommunikationsforscher hatten in den Siebzigern viel Spaß daran, Menschen in so genannte Krisenexperimente zu schupsen. Zum Beispiel: Man setzte ein Opfer in einen leeren Vorlesungssaal, ein eingeweihter Mitarbeiter setzt sich in diesem großen, leeren Saal direkt neben sie. (Für Interessierte: die Reaktionen reichten von irritierten Blicken bis zu einer schallenden Ohrfeige). Oder der Kellner eines Restaurants überreicht dem Gast nicht nur die Rechnung, sondern eröffnet ihm überdies, wo der Weg zur Küche wäre, die Teller würden sich ja nicht von alleine spülen. Alles, um das Funktionieren der Realität gerade dadurch zu demonstrieren, dass ihre Regeln und Konventionen außer Kraft gesetzt werden.
Amazone Women on the Moon ist ein cineastisches Krisenexperiment. Er ist, genau wie Coppolas
Apocalypse Now (1979), eine Studie über die Abwesenheit von Sinn. Und zwar dort, wo man allgemein hin Sinn erwartet. Der eine schickt seine Protagonisten auf einen tiefenpsychologischen Trip durch Vietnam und Kambodscha, der andere macht schlechtes Fernsehen. Eine putzige Unsinnsorgie, und eine weitere Generalabrechnung des Kinos mit dem großen Konkurrenten, der Flimmerkiste.