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Triple 9

Triple 9

Ein Film von John Hillcoat

Wer einmal Zeuge davon werde möchte, wie sich die Staatsdiener des Polizeiapparats in Windeseile zum aufgescheuchten Ameisenhaufen transformieren, der muss über den Funk einen sogenannten „Triple 9“ vermelden. Ein innerpolizeilicher Ausnahmezustand. Die Bedeutung hinter dem mysteriösen Code ist indes ganz einfach zu erklären, handelt es sich dabei um einen verletzten oder gar tödlich verwundeten Beamten, was die gesamte Gendarmerie aus dem Stand heraus dazu auffordert, im Höchsttempo zum Tatort zu dreschen – ein jeder möchte schließlich den vermeintlichen Copkiller in die Finger bekommen und durch die Mangel drehen. John Hillcoat („The Proposition“) legt diesen Triple 9 in seinem gleichnamigen Thriller als entscheidenden Plot Point fest, mit dem sich die Geschichte grundlegend ändert und alsbald auf ihr bitteres Ende zurollen wird. Denn, wenn man das Konzept des Triple 9 nur einmal überdenkt, wird die affektive Unvernunft dahinter schnell ersichtlich: Wenn sich das blauuniformierte Gesetz um einen einzigen Vorfall kümmert, hat der Rest freie Bahn.

Michael (Chiwetel Ejiofor, „12 Years a Slave“) findet sich in der äußerst misslichen Lage wider, dass er in der Schuld der russischen Mafia von Atlanta steht. Dessen Anführerin, die eisige Irina Vlaslov (Kate Winslet, „Der Gott des Gemetzels“) wird ihn künftig in die prekäre Situation bringen, zusammen mit seinen Kollegen, den Cops Marcus (Anthony Mackie, „The First Avenger: Civil War“) und Franco (Clifton Collins, Jr., „Pacific Rim“), sowie dem Brüderpaar Russell (Normal Reedus, „Blade 2“) und Gabe (Aaron Paul, „Exodus: Götter und Könige“), einen Triple 9 auszuführen. So viel an dieser Stelle zur reinen Story. John Hillcoat bestätigt sich davon ab in „Triple 9“ weiterhin als ein Regisseur, der überwiegend über die Befindlichkeit kommt und den Zuschauer darüber am Kragen packt. Soll heißen: Es geht im Prinzip nicht primär darum, WAS geschieht, es geht um das jeweilige Klima und die Verhältnisse, in dem sich seine weitestgehend dem Genre-Kino verpflichteten Szenarien abspielen und entladen.

„Triple 9“ lokalisiert sich im Problemviertel Zone 6, in dem Bandengewalt zum Alltag gehört und sich die rivalisierenden Gangs auf offener Straße regelrechte Schlachte liefern. Chris (Casesy Affleck, „Interstellar“), frisch versetzt in diese gefährliche Gegend, ist einer der Polizisten, die noch dem Ideal erliegen, etwas verändern zu können. Glücklicherweise begeht John Hillcoat keinesfalls den Fehler, die seine Figur unnötig zum fehlerfreien Saubermann zu stilisieren, dafür, so scheint es jedenfalls, offenbart „Triple 9“ auch zu wenig Interesse daran, seine Ensemble emphatisch zu konturieren: Sie sind Schablonen, denen ohne Frage der Feinschliff fehlt, die sich in klischierten Hüllen vom Reißbrett widerfinden. Hillcoat geht es nicht um ihre Psychologie, denn der Australier erzählt „Triple 9“ nicht in die Tiefe, sondern in die Breite. Der dreckige Thriller ist Bestandsaufnahme eines Moloch aus Stahl und Beton. Jeder Einzelne, von Chris bis Michael, versteht sich als Produkt seines korrumpierten Umfeldes. Hier gibt es kein Gut und kein Böse, kein Dafür und kein Dagegen.

Triple 9Triple 9Triple 9

Die Typologie speist sich eher aus Alkoholikern, Falschspielern, Verzweiflungstätern, Nacht- und Schattengestalten. Und aus jenen, die man am ehesten als Eiferer beschreiben möchte, so wie Chris einer ist. Wirklich bestechen kann „Triple 9“ aber dadurch, wie es ihm mit Bravour gelingt, einen urbanen Organismus um die, wie in jedem Werk von Hillcoat, Konstante der Gewalt herum zu bauen und die pulsierende Metropole als reflektorische Fläche abzubilden: Die großstädtische Dynamikstruktur übersetzt sich in die Beziehungen der Figuren. Kartografische Schnittstellen werden fein-säuberlich abgesteckt, Atlanta erwacht zum pumpenden Körper und in ihm findet sich ein System, in dem alles verzahnt, geschichtet, auseinander getrieben und ganz eng zusammen gepresst scheint. Fluchtwege und Sackgassen spiegeln sich und verwachsen. Es ist ein von Korruption vergifteter und von Hektik angefeuerter Wust, bei dem Hillcoat niemals die Übersicht verliert, stattdessen liefert er einen der formal eindrucksvollsten Cop-Thriller des neuen Jahrtausends, wenngleich er (gemessen an Genre-Insignien) zuvor nie so regelhaft agiert hat.

Cover & Szenenbilder: © Wild Bunch 2016

Eine Rezension von Pascal Reis
(17. Mai 2016)
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Daten zum Film
Triple 9 USA 2016
(Triple 9)
Regie John Hillcoat Drehbuch Matt Cook
Produktion Worldview Entertainment, Sierra Pictures, Anonymous Content, MadRiver Pictures, SureFire Capital Kamera Nicolas Karakatsanis
Darsteller Casey Affleck, Kate Winslet, Chiwetel Ejiofor, Woody Harrelson, Norman Reedus, Anthony Mackie, Aaron Paul, Clifton Collins Jr.
Länge 115 Minuten FSK ab 16 Jahren
Filmmusik Atticus Ross, Bobby Krlic, Leopold Ross, Claudia Sarne
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