Man muß Ziele im Leben haben. Große Ziele, kleine Ziele, unwichtige Ziele und phantastische Ziele: Völlig egal. Man könnte sich vornehmen, noch in diesem Leben mit den Stieren in Pamplona um die Wette zu rennen, oder vielleicht auch eine Zeitmaschine zu bauen (die bodenständig gewordene Verena R. arbeitet laut ihrem StudiVZ-Profil längst daran), oder man strebt an, sämtliche Teenie-Filme der Achtziger Jahre zu sehen. Zu letzterem Zwecke – natürlich nicht die einzige Herausforderung, der ich mich in diesem einen Dasein, das ich habe, stelle – muß man freilich auch den eher obskuren BEACH HOUSE mindestens zweimal sehen, und das vielleicht auch nur, weil es ja sonst keiner tut. Ein Obolus für den Spendenfond "vergessene, unbeachtet in der Ecke herumliegende Filme, die gelegentlich weinen" ist natürlich stets gerne gesehen und kann nach Anfrage auf ein Bankkonto überwiesen werden, das sich mit meinem privaten nur aus universellem Zufall heraus deckt.
Die IMDB verzeichnet immerhin fünf Nutzerkommentare für diesen schönen Film, und einer davon stammt vom Sohn des Autors und Produzenten Marino Amoruso, der mit nüchterner Feder verkündet, welch stolze Arbeit sein Papa da geleistet hat. Warum schreiben meine Kinder nie so etwas? Ach ja: Ich habe ja gar keine. Aber nehmen wir mal an, dass ich welche hätte, und dann nehmen wir in Fortführung des Geda
nkens ebenso an, dass ich einen Film wie BEACH HOUSE als Produzent und Autor geschaffen hätte: Ich würde es vor den Kindern geheim halten. Die würden sonst nur am Gymnasium von halbstarken Brauereihauserben verspottet werden.
Der Titel BEACH HOUSE fasst übrigens beinahe ausschöpfend zusammen, worum es in dem Film geht – wenn noch die zwei Gruppen von Teenagern, die in diesem Strandhaus wohnen, namentlich integriert wären, könnte man sich das Ansehen des Films glatt schenken (beinahe so wie bei diesem Brad-Pitt-Neowestern, bei dem ja schon auf der Eintrittskarte steht, wie der Film ausgeht!). Ja, also, tralala, das war’s dann nämlich auch eigentlich schon. Die hängen da die ganze Zeit herum, trinken viel, reden nur Blech und prügeln sich dann auch manchmal ein wenig. Also genau die Art von Film, die von Klappentextern entweder mit Worten wie „endloser Spaß“ und „Lachen bis zum Umfallen“ belegt wird, oder aber als Sozialstudie in filmisch unerschlossenen Milieus verkauft wird. Wahr ist von beiden Behauptungen natürlich nichts, aber das überrascht den erfahrenen Klappentextleser ja ohnehin nicht. Da übersetzt man „weglachen“ mit der Souveränität eines jahrelangen Profis schon im Kopf mit „wegsehen“.
Die Cast des ereignislosen Teenie-Schmonses besteht übrigens größtenteils aus Amateuren, die abgesehen von BEACH HOUSE nie andere Filme gemacht haben. Wer über mögliche Gründe dafür spekulieren möchte, sei herzlich eingeladen, sich den Film vor der Aburteilung genauestens anzusehen. Genaugenommen ist es schwer, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten, weil sie alle nichts Besonderes reden oder tun und eigentlich auch keine nennenswerten Probleme haben, aber irgendwo walzt dauernd ein Mensch mit Sonnenbrille durch, der wie der grobschlächtige Zwillingsbruder von Philip Seymour Hoffman aussieht (und mit seinem zurückwandernden Haaransatz Zweifel daran aufkommen lässt, ob er wirklich erst 18 ist). Dauernd spielt eine Anfänger-Punkband Ramones-ähnliche Songs, die, um den – hüstel – Spaß dann auch auf ganz knappe Spielfilmlänge zu hieven, mitunter in voller Länge ausgespielt werden. Die Frauen im Ensemble laufen gerne im Bikini herum, was wir natürlich keinesfalls als Kritikpunkt verstanden haben möchten – außer natürlich bei Filmen, bei denen das Interessanteste, was irgendjemand zu irgendeinem Zeitpunkt tut, das Tragen eines Bikinis ist.
Um meinen Worten ein wenig Nachdruck zu verleihen – manchmal glauben mir die Leute das alles ja nicht! – darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass wirklich rein gar nichts passiert in diesem Film. Und so sehr mich der Plot und die vermeintliche Notwendigkeit eines solchen bei so vielen Filmen immer mehr langweilt, so stark drängt sich doch hier der Wunsch nach wenigstens einer zarten Spur von einem itze-bitze-winzigkleinen Quentchen von einem Hauch von Handlung auf. Ganz unmotiviert kommt ganz zum Schluß ein schleimiger Mensch mit merkwürdiger Sonnenbrille auf die Bühne, der dann die ansehnlichste Frau aus der Gruppe – im wirklichen Leben die spätere Ehefrau und dann Ex-Ehefrau von George Romero! – vergewaltigen möchte, aber dann von ein paar Buschen zusammengeschlagen wird. Huch, wie dramatisch. Danach wird wieder gesoffen und gerockt.
Und so sind wir unserem Ziel, sämtliche Teenie-Filme der Achtziger Jahre zu sehen, wieder ein Stückchen näher gekommen. Der Abend war sozusagen ein voller Erfolg. Rein spaßeshalber könnte ich jetzt eine Petition ins Leben rufen, damit dieser Film endlich auf DVD veröffentlicht wird. Am besten mit Audiokommentar von Philip Seymour Hoffman.