Unnötig. Wenn man „French Connection II“ einen Vorwurf machen möchte, dann ist es dieser: Er ist von Grund auf unnötig. Allerdings muss das nicht bedeuten, dass die Fortsetzung zu William Friedkins Meisterwerk „
French Connection“ auch ein schlechter Film geworden ist. John Frankenheimer („Ronin“), der nun den Regieposten bezogen hat, ist kein Unbekannter und hat sich vor allem dadurch auszeichnen können, dass er ein ausgereiftes Gespür dafür besitzt, Action-Szenen auch immer einer dramaturgischen Funktion zuzuschreiben, anstatt sie nur als isolierte Krawallfragmente zu verpulvern. Und bezüglich dieses Standpunktes ist der in New York City aufgewachsene Frankenheimer ja nun nicht unbedingt die schlechteste Wahl gewesen, um das schwere Erbe von William Friedkin anzutreten. Das Problem liegt nur schlicht und ergreifend darin, dass sich „French Connection II“ zwangsläufig mit dem herausragenden Vorgänger messen lassen und dementsprechend seinen Platz im Schattenreich des Klassikers akzeptieren muss. Dabei hat John Frankheimer durchaus ansehnliche Arbeit geleistet.
„French Connection II“ offenbart sich als ein Ärgernis dahingehend, dass er das famose Ende von „French Connection – Brennpunkt Brooklyn“ verwässert und allein durch seine schiere Existenz massig von der den Zuschauer so erschlagenden Bitterkeit raubt. Jimmy „Popeye“ Doyle (Gene Hackman, „Der Di
alog“) wird nach Marseille versetzt, um dort mit Inspektor Henri Barthélémy (Bernard Fresson, „
Pakt der Wölfe“) vom hiesigen Rauschgiftdezernat zu kooperieren. Auf der Fahndungsliste steht immer noch der mächtige Drogendealer Alain Charnier (Fernando Rey, „Lasst uns töten, Companeros!“), der Popeye einst in New York durch die Lappen gegangen ist. In Marseille soll Popeye die Polizeiarbeit direkt an der Quelle unterstützen, hat er doch das Gesicht von Charnier gesehen und ist somit in der vorteilhaften Lage, den Gangsterboss zu identifizieren. „French Connection II“ vermeidet es von Beginn an, Story und Plot des ersten Teils detailliert nachzuempfinden, stattdessen versucht man hier eigene Wege zu bestreiten und justiert das Narrativ bisweilen in eine neue Richtung.
Im Zentrum nämlich steht erst einmal der Culture Clash, den Popeye in Marseille erlebt: Nicht nur zeigen ihm die französischen Kollegen schnell die kalte Schulter, auch auf seinen Streifzügen durch die Hafenstadt ist es ihm kaum möglich, auf eigene Faust zu ermitteln, ist er doch ein nicht unbedingt unauffälliger Fremder ohne jedwede kartographischen Kenntnisse und scheitert darüber hinaus letztlich immerzu an der unausweichlichen Sprachbarriere. „French Connection II“ parallelisiert und kontrastiert die verschiedenen Mentalitäten, nicht nur zwischen den Ländern an und für sich, sondern auch zwischen den Charakteren Popeye und Henri, die sich die meiste Zeit liebevoll mit „Arschloch“ ansprechen. Die Souveränität, mit der Popeye noch in Brooklyn seinem Dienst nachgehen konnte, ist in Frankreich undenkbar, was den ungezähmten und ungeliebten Cop anstachelt, sich noch jähzorniger im Umgang mit seinen Mitmenschen zu artikulieren. Dass man Gene Hackman noch einmal für die Rolle des prägnanten Popeye verpflichten konnte, ist zweifelsohne ein Glücksfall für die Intensität des Filmes.
Besonders hervorstechend sind die Sequenzen, in denen Popeye Charnier in Falle geht und von seinen Vasallen in die Drogensucht getrieben wird. Wenn Hackman lethargisch sabbernd auf dem Bett kauert, immer nach dem nächsten Schuss flehend, dann ist das schon bedrückend anzuschauen. Wie der Schauspieltitan im Anschluss allerdings den kalten Entzug gibt, den Gemütszustand in Sekundenschnelle zwischen elektrisierter Hysterie und wie gelähmter Selbstaufgabe oszillieren lässt – das ist schon mehr als beeindruckend. In diesem Abschnitt kommt es dann auch zu einer Szene, die so sensibel geschildert ist, dass man glauben könnte, zwischen Henri und Popeye hätte sich ein Siegel brüderlicher Zärtlichkeit errichtet: Um Popeye nicht alleinzulassen, setzt sich Henri zu ihm, versucht ihn abzulenken und hört sich seine Geschichten über Baseball an, aus denen dann auch deutlich wird, dass Popeye Polizist geworden ist, weil er sich im Baseballtraining mit einem gewissen Mickey Mentle hätte messen müssen. Sein Polizistendasein war dementsprechend kein Wunsch aus Kindertagen, sondern die letzte Option, die ihm geblieben ist.
Und das erklärt dann auch, warum sich Popeye so obsessiv in seine Arbeit stürzt: Er möchte sich nie wieder abhängen lassen, egal, wie viel Leid er dafür in Kauf nehmen muss. „French Connection II“ zeichnet sich unstrittig durch sein immenses Interesse an der dynamischen Figur des Popeye Doyle aus, unbedingt wollte man ihn weiterhin als vielschichtige, ambivalente Persönlichkeit zeichnen, ihn adäquat weiterentwickeln, was dem Autorentrio um Robert Dillon, Laurie Dillon und Alexander Jacobs auch durchaus gelungen ist. Was „French Connection II“ allerdings verloren geht, ist das Fiebrige, das Rastlose, dieser unfassbare Druck, den „French Connection – Brennpunkt Brooklyn“ auch dann extrahieren konnte, wenn er in einer ruhigen Minute Zuflucht suchte. John Frankenheimer beherrscht es zwar, Marseille (welches an Originalschauplätzen eingefangen wurde) in naturalistischen Bildern als versiffte, alles verschlingende Macht zu zeichnen, aber ihm geht doch viel von der nihilistischen Dringlichkeit des Vorgängers verloren. Nichtsdestotrotz: „French Connection II“ ist absolut sehenswert, nur den vorbestimmten Vergleich mit dem Erstling verliert er in jedweder Hinsicht.
Cover & Szenenbilder: © 1975 20th Century Fox.