(USA, 1980)
“Six must die!“
The Fog ist das, was man einen Horrorklassiker nennt, ein Genreklassiker. Wenn nicht dieser Film, welcher dann? Es ist auch einer von John Carpenters Besten. Und Einflussreichsten. Nur
Halloween (1978) war stilbildender, nur
Escape from New York (
Die Klapperschlange, 1981) visuell beeindruckender, nur
The Thing (1982) noch spannender und perfekter.
The Fog - der erste in einer Ahnengalerie der großen Popcorn-Kinohorrorstreifen der Achtzigerjahre, die niemals alt werden.
Dabei vergisst man leicht, dass Carpenter damals, 1980, gerade erst in die Liga der Spitzenregisseure aufgestiegen war. Er hatte bereits Großkaliber wie
Dark Star (1974),
Assault on Precinct 13 (
Assault – Anschlag bei Nacht / aka:
Das Ende 1976) und
Halloween (1978) gemacht, doch bis dahin arbeitete er für ein Witzgehalt. Und bekam erst nach und nach mit, was für einen Hit er mit der Geschichte um den Mörder Michael Myers gelandet hatte. Die Kritik war dem Film wirklich nicht wohl gesonnen, erst die positive Besprechung in der
Village Voice brachte die Kehrtwende.
Als der Regisseur dann an
Elvis - The Movie (1979) arbeitete, bekam er einen Anruf von Produzent Bob Rehme. Er wollte Carpenter auf Grund des Erfolges von
Halloween für einen neuen Film haben. Darauf muss dieser ver
dutzt geguckt haben: was für Erfolg? Die Slasherstory hatte sich stätig zu einem Knüller entwickelt, und das mit minimalen Budget: 320.000 Dollar Produktionskosten, 55 Millionen Dollar an den Kinokassen.
Ein gnädiger Zufall brachte den Stein ins Rollen. Wären Carpenter und seine Drehbuchkollegin und Mitproduzentin Debra Hill nicht nach Stonehenge gefahren, um Inspiration für ihr neues Projekt zu suchen, wer weiß was es stattdessen gegeben hätte. Doch der Nebel kroch über die Hügel, wie Pfarrer Malone es auch im Film sagt, „wie ein Geschenk des Himmels“. Des Filmhimmels. Durch solche sinistren Impressionen war die Idee geboren, eine Geschichte, angesiedelt im Mystischen und Irrealen zu drehen. Eingebettet in die nostalgische Aura des Geschichtenerzählens rund ums Lagerfeuer schuf Carpenter ein Werk, das seinen ersten kommerziellen Erfolg an Atmosphäre und Klasse noch weit übertrifft.
Wie viele andere Horrorfilme auch, sucht sich
The Fog einen abgeschiedenen Ort an dem die Menschen schlecht weglaufen können. Hier ist es die kleine kalifornische Küstenstadt Antonio Bay, die sich in den Vorbereitungen auf die Feier des 100-jährigen Bestehens befindet, und in der Carpenter mehrere Schauplätze miteinander montiert. Der Seemann Nick (Tom Atkins) trifft auf die trampende Malerin Elizabeth (wieder Jamie Lee Curtis). Der hat gerade Probleme mit einem seiner Boote, dessen Besatzung wie vom Erdboden verschluckt scheint. Die umtriebige Festorganisatorin Kathy Williams (Janet Leigh, das Duschopfer aus
Psycho und somit die Mutter aller Scream-Queens) hadert mit dem dauerdepressiven Dorfpfarrer Father Malone (Hal Holbrook), der nicht wirklich zufällig auf das Tagebuch seines Großvaters gestoßen ist und hinter ein schreckliches Geheimnis kommt. Über allem thront die Radiomoderatorin Stevie Wayne (Adrienne Barbeau), die aus einem Leuchtturm sendet und einen kleinen Jungen allein erziehen muss. Dann kommt pünktlich zur Geisterstunde der Nebel, und mit ihm mordgierige Geister.
Man kann es zugeben: Originalitätspreise würde der Film nicht gewinnen. Das kann man in aller Regel von den meisten Horrorstreifen behaupten. Und eine Nähe zu Romeros
Night of the Living Dead (
Die Nacht der lebenden Toten, 1968) ist auch kaum abzustreiten. Doch das Genre war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so ausgelutscht wie heute und die Geschichte alles in allem immer noch außergewöhnlich. Relativ. Carpenters Geisterhorror hat bei weitem nicht so viele Vorbilder und auch nicht allzu viele Nachmacher gefunden wie vergleichbare Sujets. Gott, oder wem auch immer, sei Dank.
Carpenters Klassiker ist vor allem eine Huldigung auf die Magie des Erzählens, des Gruselgeschichtenerzählens. Schon im Vorspann fängt er ein archetypisches Moment ein: Das Lagerfeuer, staunende Kinderaugen, ein alter Seebär spinnt das Seemansgarn, das in den nächsten neunzig Minuten Filmrealität wird. Er wird gespielt von John Houseman, der zusammen mit Orson Welles das Mercury Theatre gründete und das Hörspiel
War of the Worlds (1938) aus der Taufe hob. Das Beispiel aller Beispiele für die Macht der Fiktion.
Auch die Stelle, an der Tom Atkins zu einer kleinen Geschichte anhebt und Jamie Lee Curtis sich gebannt, wie ein kleines Kind, zusammenrollt und alle Sinne auf die Erzählung richtet gehört in dieses Konzept. Und letzten Endes entwickelt Carpenter selbst eine unbändige Lust daran, seine Geschichte dem Zuschauer langsam aber sicher zu offenbaren. Nicht mit der zwingenden Gradlinigkeit von
Halloween, sondern verschachtelter und komplexer. Mehrere Schauplätze und Personen lässt er aneinander vorbeiagieren, um sie erst kurz nach Filmmitte zusammenzubringen.
Das Vergnügen zu Gruseln und zu Verschrecken geht bei ihm sogar so weit, dass er zu Beginn Gläser klirren, Hunde bellen, Autos von alleine hupen und Sessel wie von Geisterhand verrücken lässt. Ein fast ulkiger Budenzauber, der gerade mal eben so zur Handlung passt. Doch es ist ja eine Horrorgeschichte. Da gehört Klappern zum Handwerk.
In
The Fog gibt es stimmungsvolle Bilder, die in diesem Genre nicht leicht zu finden sind. Wenn das letzte Drittel des Films, das große Finale eingeläutet wird und die Nebelhörner blasen, wenn die Kamera über das Meer streift, die Küste, die einsamen Straßen, und der Wind heult, und wenn dann der Nebel über die dunklen Hügel und Wiesen kriecht, dann steckt da mehr drin als in
Saw 1-5 zusammen (und alle anderen Teile, die da noch kommen werden). Carpenter nimmt sich noch Zeit wo andere nicht einmal auf die Idee kämen, auch nur eine Sekunde lang die Kamera weiter laufen zu lassen. Vielleicht wurde er deswegen Anfang der Achtzigerjahre als neuer Hitchcock gefeiert.
Auch die Musik, um die sich der New Yorker wieder persönlich kümmerte, ist so wunderbar und erstklassig, vielleicht sein bester und tollster Score von nicht gerade wenig tollen (
Assault on Precinct 13,
Halloween,
Escape from New York). Ein unheilvolles Pianothema wie bei
Halloween. Was gäbe ich darum, auch nur die Spur dieser Klasse mal wieder in einer aktuellen Produktion zu sehen. Aber da ist nichts. Bei Carpenter gab es Spannung und Stimmung, heute gibt es nur noch kreischende Zombies oder schwarzhaarige Geisterkinder, hektische Stroboskopschnitte und Soundeffekte, so laut aufgedreht dass einem die Trommelfelle implodieren.
Nein,
The Fog zeigt mir immer wieder, dass es zur Zeit im Horrorgenre keine ebenbürtigen Alternativen zum Klassizismus gibt. Leider.