Wie aus einem Hobby und gleichzeitig Herzenswunsch und Freundschaftsdienst ein Erfolg werden kann, zeigt John Carneys mit nur 130 000 $ Budget gedrehter irischer Streifen „Once“. Die Story um einen unglücklichen Straßenmusiker und eine eingebürgerte Tschechin in Irland ist einfach unwiderstehlich sympathisch gestaltet und gespielt, sodass man kleinere, produktionsbedingte Mängel gern übersieht.
Namenlos sind sie beide, der Straßenmusiker (Glen Hansard) und die aus Tschechien stammende Frau (Markéta Irglová). Bei einem seiner emotionsgeladenen Songs mitten in den abendlichen Straßen Dublins spricht sie ihn an. Es stellt sich heraus, dass er nebenbei Staubsauger im Laden seines Vaters repariert. Sie hat einen defekten Staubsauger und mag seine Songs. So kommt es zum ersten Gespräch der beiden und sie merken, dass sie etwas mehr verbindet: die Musik. Sie ist für beide das Ausdrucksmittel der Gefühle, über sie können sich beide entfalten, mit ihr überwinden beide ihre Krisen. Bevor er nach London ziehen und sein Glück dort versuchen will, beschließen beide, in einigen Musiksessions ihre Stücke aufzunehmen.
Die Story ist alles andere als neu. Zwei Menschen verlieben sich, können es aber nicht zeigen, Barrikaden werden aufgezeigt etc. Allerdings wurde das selten so sympathisch wie in „Once“ gestaltet. Die Charaktere haben nicht einmal Namen, werden im Abspann nur als „guy“ und „girl“ geführt, besitzen aber dennoch präzise Züge, sodass es leicht fällt sich auf beide einzulassen. Unerhört sympathisch ist Markéta Irglovás Rolle von Anfang an. Man sieht sie und mag sie, ihre Mischung aus schüchterner Zurückhaltung, kindlicher Schwärmerei und warmherzigem Umgang macht es zu einem sehr leichten Unterfangen, ihren Charakter zu mögen. Der von der Liebe enttäuschte und nach selbiger suchende Charakter, den Musiker Glen Hansard darstellt, ist ähnlich gelagert. Ihn lernt man kennen und ist bereit, seinen Werdegang mit ihm anzutreten. Dass sich beide aus sympathischer Ebene begegnen, ist natürlich somit die perfekte Voraussetzung für einen solchen Film.
Es handelt sich allerdings ganz und gar nicht um eine alltägliche Liebesschmonzette. Die Dialoge sind angenehm klischeefrei und überwältigend menschlich, sodass man wirklich Schmunzeln muss, wenn man sich in einigen Aussagen und Verhaltensweisen wiederfindet. Was den Film auch vom Massenmarkt abhebt, sind natürlich seine musikalischen Einlagen, die nie dem Selbstzweck oder der Eigenwerbung der beiden Musiker dienen, sondern voll und ganz zur Story gehören und einfach mal auf völlig andere und angenehmere Weise die hollywoodschen „Dates“ und „Anmachen“ ersetzen. Wenn beide ziemlich zu Anfang des Films den Oscar-prämierten Song „Falling Slowly“ mit feinem Gespür spielen, kann man nicht anders, als beiden einfach absolute Zuneigung zukommen zu lassen.
Bei solch herzerwärmenden Szenen verzeiht man dem Drehbuch gern, dass es prinzipiell woe ein Stückwerk wirkt. Einige Situationen wurden einfach aneinandergereiht, um daraus die Geschichte zu formen. Die eingestreuten Musikeinlagen, die mit viel Herzblut gespielt und gesungen sind, machen das Ganze dann zu einer runden Sache, verbinden die einzelnen Handlungseinwürfe, die zuerst nur dem Selbstzweck zu dienen schienen.
Angenehm ist an dieser Independent-Produktion auch, dass die Darsteller keine maßgeschneiderten Idealgesichter sind, beide Hauptpersonen sind angenehm normal, sodass dem Zuschauer die Identifikation noch viel leichter fällt. So ist es auch viel glaubwürdiger, wenn die Figuren schüchtern bleiben, nicht zu viel von sich erzählen und sich trotzdem verstehen. Szenen, die nicht klar beendet werden, in denen aber jeder mitfühlende Zuschauer weiß, was los ist.
Es ist diese besondere enge Bindung zum Zuschauer, die den Streifen auch zu einem Erlebnis macht. Durch die beschränkten Möglichkeiten des Filmens wirken viele Szenen durch Bildrauschen, fehlende Stative und daraus resultierendes Wackeln etc. wie Home-Videos aus dem letzten Urlaub, was dem Ganzen die persönliche Note gibt. Dabei verliert der Film seinen Fokus nie aus dem Blick: wie oft im Leben trifft man die wahre Liebe? Und wie reagiert man darauf? Diese Fragen stellt der Film teils offensichtlich, teils angedeutet und interpretationsoffen, was gerade der Schluss beweist.
Sicher hätte man auf dieses bewusst auf Anspruch abzielende Gewackel der Hand ohne Kamerastativ verzichten können, das tut der Sympathie und Herzlichkeit des Films aber keinen Abbruch. Wie oft hat man schon die Gelegenheit, ganz alltäglichen Menschen beim Lösen und Bearbeiten der eigenen Probleme zuzusehen?
Auch die Schauplätze machen Einiges her: die beengenden Straßen Irlands, die nichtsdestotrotz ihren Charme besitzen, scheinen auch die Gefühle einzuengen. In einer anderen Szene stehen bei an der Küste Irlands, mitten in der Natur, abseits einer kleinen Straße – und hier werden geballte Gefühle deutlich, sie werden ausgesprochen und verdeutlicht, wenn auch verschlüsselt. Auch die Ausfahrt mit dem Moped versinnbildlicht die Flucht von den im Leben gegebenen Grenzen und den Zwängen. Zwar wird dies durch das Moped recht plakativ hervorgehoben (was könnte klischeehafter sein als ein Moped?), trotzdem bleibt die Symbolik dadurch angenehm nachvollziehbar, ohne gezwungenen, verketteten künstlerischen Anspruch erzeugen zu wollen. Die einzige Möglichkeit, die beiden gegeben ist, sich zu äußern, ist in der Natur - oder der Musik. Und dahingehend ist „Once“ eine Ode an die Musik, zelebriert durch angenehm normale Alltagsmenschen wie jeder einzelne Zuschauer selbst.