Was kann man über einen Film sagen, über den man eigentlich nichts sagen darf? Bei dem jedes Wort mehr schon eines zu viel sein könnte? Und den man sich am besten ohne jede Vorkenntnis ansieht, ja bei dem man idealerweise selbst den Trailer lieber vollkommen ignoriert, wenn man sich das Seherlebnis nicht schon im Voraus verderben möchte?! Vor genau dieses Dilemma wird man mit
John Augusts
"THE NINES" gestellt, und doch soll an dieser Stelle der Versuch einer Rezension erfolgen. Zunächst sei erst einmal nur soviel verraten: Normal ist hier wenig und was man bekommt, ist höchstwahrscheinlich gerade nicht das, was man erwartet hat.
So ähnlich ergeht es im Übrigen auch dem Protagonist der ersten von drei Geschichten, die in
"THE NINES" miteinander verwoben werden: Der Fernsehschauspieler Gary brennt bei dem Versuch, sich von den letzten Erinnerungsstücken aus einer unglücklich beendeten Beziehung zu trennen, versehentlich sein Haus ab, und als er dann auch noch unter Drogeneinfluss am Steuer seines frisch demolierten Wagens erwischt wird, ist es erst einmal vorbei mit der kreativen Freiheit. Seine tüchtige PR-Beraterin Margaret sorgt dafür, dass dem Schauspieler statt einer Gefängnisstrafe „nur“ Hausarrest auferlegt wird, doch trotz der ebenso hübschen wie von ihrem Leben angeödeten Nachbarin, welche das Besuchsverbot abenteuerlustig und in aller Heimlichkeit umgeht, kann sich Gary nicht so recht in sein Dasein als unfreiwill
iger Eremit hineinfinden. Langeweile soll jedoch schon bald das kleinste seiner Probleme werden, denn seltsame Begebenheiten und Zettel mit Nachrichten in seiner eigenen Handschrift, die er jedoch nie selbst verfasst hat, lassen Gary an seinem eigenen Verstand zweifeln, bis alles schließlich eine gänzlich unerwartete Wendung nimmt.
Eben diese Wendung stürzt nicht nur den Protagonisten dieser ersten Geschichte, sondern auch den Zuschauer in höchste Verwirrung, die sich auch mit den beiden noch folgenden Episoden nicht so schnell legen will. So beobachtet man zunächst den Drehbuchautor Gavin bei seinem Kampf um die Realisierung einer Serienidee und schließlich den Familienvater Gabriel, der sich nach einer Autopanne in einer abgelegenen Gegend zu Fuß auf die Suche nach Hilfe machen muss, während Frau und Tochter beim funktionsuntüchtigen Wagen auf seine Rückkehr warten. Auf den ersten (und auch auf den zweiten) Blick haben diese Geschichten nichts miteinander gemein – mit der einzigen Ausnahme, dass
Ryan Reynolds ("Buried") in allen drei Erzählungen die Hauptrolle übernimmt, in jedem dieser scheinbar nicht zusammengehörigen Abenteuer begleitet von
Melissa McCarthy ("
Gilmore Girls"),
Hope Davis ("About Schmidt") und
Elle Fanning ("
Super 8"). Diese Darsteller sind vermeintlich die einzige Konstante in einem Episodenfilm, der uns bis zuletzt über seine wahre Natur im Unklaren lässt, nur um dann mit einer Lösung aufzuwarten, die so tatsächlich nicht abzusehen war.
Und damit sind wir auch schon fast am Ende dessen, was man über
"THE NINES" im Vorfeld verraten sollte. Ja, Regisseur John August macht es einem mit seinem Spielfilmdebüt wirklich nicht einfach, was auch für das Anschauen des Films gilt. Gefühle von Konfusion angesichts des dreigestaltigen Schauspiels sind vorprogrammiert, und doch darf man sich getrost in die erfahrenen Hände des Geschichtenerzählers John August begeben und der mysteriösen Dinge harren, die da kommen. Der Platz im Regiestuhl war zwar neu für ihn, das Fingerspiel auf der Schreibmaschine aber alles andere als ungewohnt: Immerhin verfasste er bereits mehrfach Drehbücher, die dem Anspruch der kunstvoll verdrehten Phantasie eines Tim Burton genügten, lieferte beispielsweise die Vorlage für "
Big Fish" [2003] und die Langfilm-Version von "Frankenweenie" [2012]. Auch wenn August sein Publikum mit
"THE NINES" zunächst im Dunkeln tappen lässt, ist ein wenig Vertrauen in sein Können also nicht fehl am Platze – und sicherlich auch nicht völlig fehlinvestiert, wie sich nach rund anderthalb Stunden glücklicherweise doch noch herausstellt. Es gilt schlicht, sich offenen Geistes auf den Film einzulassen, nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird, und sich erst abschließend ein Urteil zu bilden, dann wird man auch mit einer originellen kleinen Filmperle belohnt.