"Let the Opera begin!"
Es ist eines der erfolgreichsten Musicals aller Zeiten, begeisterte bereits weltweit Millionen Menschen und fand schon mehrmals den Weg auf die Leinwand. Bereits vor 91 Jahren, also 1916, wurde der berühmte Roman von
Gaston Leroux das erste Mal verfilmt, es folgten im Laufe viele weitere Umsetzungen, zum Beispiel die düstere Version von Dwight H. Little [1989] und die Horror-Variante „Il Fantasma dell'opera“ [1998] von Dario Argento, welchen aber allesamt kein kommerzieller Erfolg beschieden sein sollte. Stellt eine weitere Neuverfilmung, ein Re-Re-Remake gewissermaßen, in einem solchen Fall nicht immer ein Wagnis dar?
Sicherlich erfand
Joel Schumacher mit seiner Inszenierung 2004 das Rad nicht neu. Musste er aber auch nicht, da er genau das beherzigte, was Fans bei den vorherigen Verfilmungen monierten und anprangerten. Eine Musical-Inszenierung für die Bühne lebt von ihrer Musik, die die Geschichte voranbringt. Ergo gilt es bei der Filmwerdung eines Bühnenklassikers, dieses Moment in den Vordergrund zu ziehen und von Action-Einlagen und spektakulären Kamerafahrten soweit wie möglich Abstand zu nehmen. Dass bei eher unverbrauchten Ideen von diesem Grundsatz auch mit Erfolg abgewichen werden kann, ohne dass der Erzählfluss und die Atmosphäre gestört und/oder auf der Strecke bleiben, bewiesen in jüngster Vergangenheit eindrucksvoll die Oscar-prämierten Meisterwerke „
Moulin Rouge!“ [2001] und „Chicago“ [2002].
„DAS PHANTOM DER OPER“ von Joel Schumacher kommt im direkten Vergleich erstaunlich altmodisch daher, ohne viel technischen Schnickschnack, ganz der klassischen Vorlage und der daraus entstandenen Bühnenfassung von
Andrew Lloyd Webber entsprechend.
Die Geschichte dürfte hinlänglich bekannt sein, aber für die, die sie noch nicht kennen, hier eine kurze Zusammenfassung: Im Pariser Opernhaus versteckt sich das unheimliche, entstellte Phantom der Oper (Gerard Butler, „
300“ [2007]), das sich unsterblich in die schöne Chorsängerin Christine (Emmy Rossum, „The Day after Tomorrow“ [2004]) verliebt und alles daran setzt, sie zur neuen Operndiva zu machen. Dabei geht das Phantom sogar über Leichen, wobei sich die Lage noch dramatischer zuspitzt, als es erkennt, dass Christines Herz an einen anderen vergeben ist und fortan Eifersucht das Handeln des Phantoms bestimmt.
Die damals 17-jährige
Emmy Rossum und der bis dato eher unbekannte
Gerard Butler geben die Hauptrollen in Joel Schumachers bildgewaltiger Ausstattungsorgie, was sich hinsichtlich der abverlangten Sangeskünste teils als Glücksgriff, teils aber auch als nicht so glücklich erweist. So überrascht Rossum im Original mit kräftiger, schöner Stimme, die auf eine klassische Gesangsausbildung schließen lässt, allerdings – verständlicherweise – nicht an die Qualität einer Sarah Brightman heranreicht. Gerard Butler gibt sich seinerseits redliche Mühe, seinem Bühnenpendant hinsichtlich Gesang nachzueifern, doch seine Stimme ist im Original leider nicht sonderlich kraftvoll, was viele Kritiker in den USA bemängelten. Daher wählte man für die deutsche Synchronisation die erfahrenen Musicalstars
Jana Werner und
Uwe Kröger, die durch die Bank weg eine überzeugende (Sanges-) Leistung an den Tag legen. Einziges Manko: aufgrund der deutschen Texte fällt die nicht lippensynchrone Übersetzung an manchen Stellen stark auf und wirkt mitunter etwas seltsam.
Joel Schumacher experimentiert gar nicht erst herum, sondern lässt jede Szene einfühlsam von Kameramann
John Mathieson einfangen, was eher an eine klassische Inszenierung für die Bühne denn einen Kinofilm erinnert. Nichtsdestotrotz vergisst Schumacher niemals, dass das Medium Kino mehr Möglichkeiten zulässt, mehr für den Zuschauer zeigen kann, als es auf der Bühne jemals der Fall sein wird. So fällt gerade die Endsequenz, in der der riesige Kronleuchter hinabstürzt und das Pariser Opernhaus in Flammen aufgeht, sehr opulent und dramatisch aus, da hier die Visual Effects–Crew ihr ganzes Können unter Beweis stellt. Fans der Bühneninszenierung werden garantiert ihre Freude an
„DAS PHANTOM DER OPER“ haben, zeigt er doch, dass eine Musical-Verfilmung gerade (oder doch nur?) dann überzeugt, wenn sie keine Experimente eingeht und „nur“ eine filmgewordene, also aufwendige Neuinterpretation darstellt. Alle anderen können ja die Augen schließen und sich einzig und allein auf die zeitlose Musik konzentrieren, die auch in Dolby Digital ihre volle Wirkung entfaltet. Kino für Ohr und Auge.