"There's more to life than a little money, ya know. Don'tcha know that? And here ya are. And it's a beautiful day. Well. I just don't understand it."
Man weiß einfach nicht, welche Genre-Schublade am besten geöffnet werden sollte. Wie bei den
Coen-Brüdern üblich, wird in ihrem nunmehr sechsten Werk so ziemlich alles zusammengewürfelt, was nur irgendwie zusammen passt. So trifft Thriller-Drama-Crime-Komödie wohl am ehesten das, was den Zuschauer erwartet. Und irgendwie auch nicht. Der Film will einfach nicht in eine Schublade passen, und das macht ihn zum einen so interessant, zum anderen aber auch für „ungeübte“ Filmfans wahrlich schwer zugänglich.
Alles beginnt zunächst ganz normal mit der folgenden Ankündigung:
„Dies ist eine wahre Geschichte. Die in diesem Film dargestellten Ereignisse beruhen auf einem Verbrechen, das im Jahre 1987 in Minnesota geschah. Aus Respekt vor den Überlebenden wurden die Namen geändert. Aus Respekt vor den Toten wurde der Rest der Geschichte genau so erzählt, wie sie sich zugetragen hat“.
Doch schon hier wird man an der Nase herumgeführt, da im Abspann der obligatorische Hinweis, dass Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen nicht beabsichtigt seien, auftaucht. Ein Scherz, so die Coen-Brüder in einem Interview. ‚Scherz’ wie
Komödie? Also doch in erster Linie ein Film zum Lachen? Mal sehen,
wie sich das Geschehen weiterentwickelt.
Der von einem gewohnt minimalistisch-genialen
William H. Macy verkörperte Autoverkäufer Jerry Lundegaard hat leider keinen großen finanziellen Erfolg in seinem Job – genauer gesagt: ihm steht das Wasser bis zum Hals. So überlegt er sich notgedrungen einen Plan, um seine finanzielle Lage aufzubessern. Zu diesem Zweck engagiert er in Fargo, North Dakota, die Auftragskidnapper Gaear und Carl, denen
Peter Stormare und
Steve Buscemi ein Gesicht geben. Diese sollen – so zumindest der von Jerry gefasste Plan – seine Frau entführen, um den reichen und bestimmenden Schwiegervater zur Kasse zu bitten. Das Lösegeld soll letztendlich zwischen Jerry und den beiden Kidnappern aufgeteilt werden. Bereits hier regt sich der Verdacht, dass die Geschichte im Grunde ein Krimi ist, denn weder der Zuschauer noch die Protagonisten haben im weiteren Verlauf viel zu lachen. So gerät der eigentlich einfache Plan vollends außer Kontrolle, als Gaear neben einem Polizisten noch zwei weitere unschuldige Menschen umbringt. Somit wird die Polizistin Marge Gunderson, gespielt von einer sehr überzeugenden
Frances McDormand, in Brainerd, Minnesota, auf den Fall aufmerksam und beginnt mit der Aufnahme ihrer Ermittlungen. Derweil eskaliert die Situation sowohl bei Lundegaard als auch bei den Kidnappern. Und der Schnee wird immer blutiger.
Also doch ein Krimi durch und durch?
Einzig der Tatsache, dass die Coen-Brüder wieder einmal eine bunte Mischung an skurrilen und grotesken Figuren vor der
Roger Deakins' Kamera versammelt haben, ist es zu verdanken, dass das Geschehen dann doch grundlegend anders als ein
herkömmlicher Krimi daher kommt. Wenn zum Beispiel die hochschwangere Polizistin durch den Schnee kriecht, um Spuren zu sichern, werden alle gängigen Krimi-Klischees gegen den Strich gebürstet. Das ganze ist ohne Zweifel grotesk anzusehen, und das soll der Film am Ende wohl auch sein: eine
Groteske. Deren Oscar-prämiertes Drehbuch mag auf den ersten Blick nicht viel hergeben, manche mögen ihm sogar vorwerfen, es sei langweilig und zu lahm. Doch es ist das Zusammenspiel zwischen einer Riege gut aufgelegter Schauspieler und daraus entstehender skurriler Momente, das zu dem gelungenen Gesamteindruck beiträgt. Dadurch, dass der Film so lakonisch, man mag fast sagen:
lahm erzählt wird, hat man als Zuschauer viel mehr Zeit, das Skurrile aufzunehmen, um letztlich zu erkennen, dass der Schnee in Anlehnung an den deutschen Untertitel nicht blutig, sondern (etwas versteckt) tiefschwarz ist.
Wenn gegen Ende der Fall gelöst ist und Marge bei ihrem Mann im Bett liegt (eine wunderbare, ruhige Szene), liegt es allein an dem Zuschauer, zu entscheiden, ob die ganze Chose überzeugen konnte. In jedem Fall haben die Coen-Brüder hier wieder einmal bewiesen, dass sie auch ernste Themen interessant verpacken können, so dass
„FARGO - BLUTIGER SCHNEE“ im Grunde – trotz der spannenden Krimi-Handlung – leichtfüßig wie eine (schwarze) Komödie daher kommt. Und auch wenn der Film letztlich wohl nicht an das Meisterwerk „The Big Lebowski“ [1998] heranreicht, was viele Fans monierten, so hat er dennoch eines geschafft: Bei der nächsten Gartenarbeit wird man zum Kompost-Schredder etwas Sicherheitsabstand halten. Welcher Film kann das schon von sich behaupten?