(USA, 1984 / 1990)
"Let´s be outrageous, let´s misbehave!”
(Cole Porter)
"You gotta watch out for them forgeiners cuz they plant gremlins in their machinery. They put em in cars, they put em in yer tv. They put em in stereos and those little radios you stick in your ears. They even put em in watches, they have teeny gremlins for our watches!"
Schlechtes Benehmen wird toleriert, solange man sich dafür den richtigen Rahmen aussucht. In den Neunzigern gingen Fernsehbilder aus dem beliebten Urlaubsdomizil Mallorca (aka: „Malle“) um die Welt, auf denen sich die Menschen, nicht wenige davon Deutsche, den Sangria aus Putzeimern mit Strohhalmen genehmigten.
Anderes Beispiel: Karneval im Rheinland. Der Abteilungsleiter im Baumarkt schreibt in den Kalender: 'Donnerstag, 11 Uhr 11: Spass!' Und dann geht´s ab. „Auf die Bäume ihr Affen, der Wald wird gefegt!“ Karneval kommt aus dem Latainischen und bedeutet 'Fremdgehen zu schlechter Musik'. (Zitat Jochen Malmsheimer)
Menschen können, wenn sie mal richtig die Sau rauslassen und Freud über Kant triumphiert, auf der Evolutionsleiter ein paar Stufen runterrutschen und zum Primaten mutieren. Oder aber: kleine grüne Monster können allzu menschlich rüberkommen, wenn sie erst mal den Weg zur nächsten Bar gefunden haben.
Der Gremlin stammt aus der englischen Fabelwelt. Wie vie
le andere Kobolde hat er Spass am groben Unfug, den er der Legende nach vor allem mit Flugzeugen der Air Force treibt. Der arme William Shattner kann in der
Twilight Zone-Episode
"Nightmare at 20.000 Feet" ein Lied davon singen. Gremlins sind das Symbol für Fehler im System, für die es keine rationale Erklärung zu geben scheint. Ein Störfaktor.
Joe Dante machte mit diesen Störfaktoren seinen bekanntesten und erfolgreichsten Film. Und eine erfolgreiche Fortsetzung. Der Mann war bei Steven Spielberg in die Lehre gegangen. Von ihm erbte er das Talent, gutes, großes Blockbusterkino aus der Taufe zu heben, aber nicht seinen Faible für unsäglichen Familienkitsch.
Im ersten Teil entzündet sich das Chaos in einer kleinen amerikanischen Stadt aus dem Bilderbuch, just zur Weihnachtszeit. Der glücklose Erfinder Randall Peltzer (Hoyt Axton) ersteht in einem chinesischen Ramschladen ein kleines Pelztier, einen Mogwai. Ein perfektes Weihnachtsgeschenk für seinen Sohn Billy (Zach Galligan). Dieser kümmert sich liebevoll um das piepsende Fellbündel, das er Gizmo tauft. Er befolgt zuerst penibel die drei Regeln, die man seinem Vater mit auf den Weg gegeben hat: niemals dem hellen Licht aussetzen, niemals nach Mitternacht füttern, niemals nass machen.
Doch, man steckt ja nicht drin: irgendwann passiert das eine oder andere davon. Aus dem Mogwai entschlüpfen weitere Mogwais, die eindeutig weniger freundlich geartet sind als Gizmo. Sie sorgen dann dafür, dass es auch nach Mitternacht was zu mampfen gibt. Und dann entstehen Gremlins, kleine grüne Monster, die zur friedlichen Weihnachtszeit die halbe Stadt lahm legen.
Das ist eine etwas umständliche Genealogie, und die Bosse von Warner Bros. lästerten nicht zu knapp. Doch am Schluss lachte Dante lauter: 148 Millionen Dollar an den Kinoklassen! (Und das bei einem Einsatz von 11 Millionen Dollar Budget.) Es war dasselbe Wochenende, an dem Ivan Reitmans
Ghostbusters anlief. Es war überhaupt das Jahrzehnt des großen Kinokassenspektakels nebst Fortsetzungen: die
Indiana Jones-Trilogie,
E.T.,
Terminator,
Aliens,
Rocky 3-5,
Zurück in die Zukunft,
Ghostbusters,
Beverly Hills Cop,
Top Gun. Und und und.
Dantes erster Film mit großem Budget steht an der Spitze der erfolgreichsten Filme dieses Jahrzehnts. Man könnte fast sagen: kein Wunder. Steven Spielberg produzierte. Und Spielberg war immer da, wo der Erfolg war.
Gremlins (1984) und die sechs Jahre später folgende Fortsetzung zeigen, was für ein riesengroßer Kinoliebhaber Dante ist. Alles an seinen Filmen strahlt den unbedingten Willen aus, seine Zuschauer so perfekt wie möglich unterhalten zu wollen. Und über diese cineastischen Festtagsbraten streute er noch viele Zitate und Referenzen aus anderen Filmen. Das Ergebnis waren, 1984 wie 1990, Horrorkomödien nach Maß.
In
Gremlins macht vor allem die Atmosphäre die Musik. Eine vorweihnachtliche Kleinstadt, eine altmodische Erzählerstimme, die sich wie Zuckerguss über die Szenerie legt. Und dann kommen kleine, schuppige, krächzende Kreaturen und machen aus dem Idyll Kleinholz. Das hat System.
Auf der einen Seite huldigt der Regisseur klassischen Darstellungs- und Erzählformen. Das merkt man zum Beispiel gut an den Figuren, die im Drehbuch von Chris Columbus herumspuken. Billy und seine Freundin Kate (Phoebe Cates) wirken in ihrer schüchternen, verletzlichen Art wie eine moderne Version von Hänsel und Gretel. Sie müssen im Laufe des Filmes erst lernen, wie man die böse Hexe ins Feuer kickt – bildlich gesprochen. Eine böse Hexe gibt es auch – die alte Mrs. Deagle (Polly Holliday), Witwe eines Immobilienspekulanten und heimliche Herrscherin der Stadt. Arme Würstchen, die mit der Miete in Rückstand sind, blitzen eiskalt ab. Jede Handlung, jeder Satz signalisiert dem Zuschauer: die Frau ist fiese. Man kann es verkraften, wenn sie später den Löffel abgibt, doch das besorgen ebenfalls die grünen Kobolde, die ein bisschen an ihrem Treppenlift herumfingern.
Auf der anderen Seite entwickelt Dante einen hinterfotzigen Spass daran, Mythen und Konzepte der amerikanischen Kultur böse zu veräppeln. Auch die, die er eigentlich liebevoll behandelt. Diese Dekonstruktion erreicht ihren Höhepunkt, wenn er Billys Mutter (Frances Lee McCain) von einem Weihnachtsbaum quasi ‚vergewaltigen’ lässt. (Oder war das wieder nur ein Filmzitat, Stichwort
Tanz der Teufel)?
Schon bald eignen sich die Gremlins menschliche Verhaltensweisen an. Und das gilt nicht nur für die Sprache, wobei es nur einige wenige Worte oder Interjektionen sind, mit denen sie sich verständigen. Das wird in der besten Szene des Films deutlich, in der eine ganze Horde die örtliche Kneipe heimsucht. Sie saufen und rauchen, grölen und wüten, einer von ihnen hebt den Mantel und entblößt sich vor Kate. (Allerdings gibt´s da nichts, was man entblößen könnte.) Dabei geben sie auch ein paar Kulturzitate vom Feinsten zum Besten, Dick Tracy oder Olivia Newton-John zum Beispiel. Doch alles in allem unterscheidet sich dieser Pulk in keiner Weise von einer angetrunkenen Football-Mannschaft. Oder deutschen Urlaubern auf Mallorca. Oder einer feucht-fröhlichen Gemeinschaft auf einer Prunksitzung in Köln/Düsseldorf/Mainz. Die Gremlins sind also, alles in allem, Spiegelbilder schlechten menschlichen Benehmens. Triebgesteuerte Asoziale. Als Mensch in der modernen Gesellschaft muss man sich ein paar erlaubte rituelle Ausnahmesituationen suchen, um auch nur annährend derart auf den Putz hauen zu dürfen.
Mit ethnischen Zuschreibungen sollte man vielleicht vorsichtig sein. Die African American Community klagte, die Gremlins würden in bestimmten Merkmalen den Klischeebildern von Schwarzen entsprechen, wie sie in der weißen Kultur Gang und Gebe seien. Diese Vorwürfe treffen wohl in erste Linie auf den Gremlin mit Trenchcoat und übergroßer schwarzer Sonnenbrille zu. Doch daraus einen Generalangriff ableiten zu wollen, scheint doch etwas zu weit hergeholt.
Viele Blockbuster-Theorien gehen natürlich davon aus, dass im Kino der beginnenden Reagan-Ära bewusst mit Feindbildern gearbeitet wird. Dass dieses Kino die Stimmung einfange, die in der US-Gesellschaft nach Vietnam und Watergate um sich griff, und dass es häufig um Bedrohungen geht, die das Sicherheitsgefühl und das patriotische Selbstverständnis angreifen. Und dass es dann Helden braucht, um die bestehende Ordnung wieder herstellen, anstatt die guten alten Werte in Frage zu stellen.
Ob das nun auf
Gremlins zutrifft: ich weiß es nicht. Ganz ehrlich: mir ist es egal. Es kann gut sein, dass die Gremlins bestimmte Gesellschaftssegmente symbolisieren. Vielleicht stehen sie für die Unterschicht, die eben beschriebene Szene wäre ein Indiz dafür. Oder sie stehen für konsumgesteuerte Volltrottel, die Weihnachten mit Shopping verwechseln – dafür würden die Szenen im Kaufhaus sprechen. Vielleicht symbolisieren sie die Angst vor Fremden an sich beziehungsweise die xenophoben Reaktionen auf sie (man denke an die Litanei des grandiosen Mr. Futterman, gespielt von Dick Miller, der im Filmuniversum Dantes ein Dauerabo besitzt).
Aber wie gesagt: mir ist es gleich. Ich bin nicht bereit, mir diesen Spass aller erster Klasse durch politische Korrektheit mies machen zu lassen. Keine Chance!
Allein wegen der Szene im Stadtkino, die allerbeste Szene. Da sitzen irgendwann alle Gremlins drin, um sich vor der heraufziehenden Dämmerung zu schützen. Einige spielen am Projektor, und schon läuft Disneys
Schneewittchen und die sieben Zwerge (1937). Die Gremlins sehen es, lachen drauf los, und schon wippt und krächzt ein ganzes Kino voller grüner Viecher zum Takt des altbekannten Arbeiterlieds der sieben Zwerge („Hi-Hooooo! Hi-Hooooo!") Wer sich so etwas von Problemdiskursen kaputt machen lässt, hat den großen Knall nicht gehört.
Am Ende lässt Dante das Kino mit selbigem in die Luft fliegen. Der Mann weiß einfach, was gut ist! Man verzeiht im sogar, dass Orchester-Onkel Jerry Goldsmith, normalerweise der Soundtrack-Sklave von Steven Spielberg, mitfiedeln darf.
Nebenbei, wen es interessiert:
Gremlins war zusammen mit Spielbergs
Indiana Jones and the Temple of Doom (
Indiana Jones und der Tempel des Todes, 1984) der Grund dafür, dass die Motion Picture Association of America die Altersbegrenzung PG13 einführte; bis dahin machte man in den USA zwischen fast 17-Jährigen und Kindern im Vorschulalter keinen Unterschied. Es lag auch daran, dass
Gremlins mitunter unglücklich beworben wurde. Plakate und Trailer konzentrierten sich stark auf Gizmo und rückten den Film in die Nähe von Spielbergs
E.T. (1982), man wollte an diesen Erfolg anknüpfen. Doch für kleine Kinder sind einige Szenen in Dantes Film eindeutig nichts. Eltern beschwerten sich. Spielberg schlug der MPA eine zusätzliche Altersbeschränkung vor, die Jugendliche zwischen 13 und 17 berücksichtigt – und schuf damit, wie könnte es anders sein, einen veritablen Marketingtrick. Filme mit PG13-Rating konnten Jugendlichen das Gefühl geben, sich böse Dinge ansehen zu dürfen. Oder, wie Dante bemerkte: „Ein älteres Kind interessiert sich nicht für das, was für kleine Kinder gemacht ist; aber ein jüngeres Kind will
immer das sehen, was die Größeren sehen.“ Was eine Warnung für Eltern sein sollte, veränderte die Art und Weise, wie Hollywood seine Filme plante und machte, für immer. So kann´s manchmal gehen.
(Auch in Deutschland tat man sich mit der pädagogischen Einordnung schwer: zuerst galt beim Kinostart FSK 12, doch das wurde schnell noch oben korrigiert. Heute kann man beide Filme meistens nur in verstümmelten Versionen im TV bewundern.)
Besticht
Gremlins durch die Stimmigkeit der Geschichte und die intensive Atmosphäre, ist es bei
Gremlins 2 – The New Batch (1990) die schier unendliche Masse an Gags, Filmzitaten und satirischen Seitenhieben, die verzückt. Noch viel mehr als im Vorgängerfilm.
Billy und Kate sind aus der Kleinstadt ausgezogen und arbeiten nun in New York, im Großkonzern des Milliardärs und Medienherrschers Daniel Clamp (ganz herrlich: John Glover), eine gut erkennbare Kreuzung aus Donald Trump und Ted Turner. Der Mann tanzt auf mehreren Hochzeiten, neben seinem Medienimperium gehören auch Immobilien und Wissenschaft zu seinen Lieblingsspielereien. Billy arbeitet im Architekturbüro, Kate kutschiert Besucher durch Clamps Hightech-Palast, während in der Forschungsabteilung Dr. Catheter sein Unwesen treibt, von keinem geringerem gespielt als Christopher Lee. Ein klassisches Labor, in dem die Reagenzgläser zischen und brodeln. Der kleine Gizmo, der am Ende von
Gremlins von dem alten, einäugigen Chinesen Mr. Wing (Keye Luke) wieder abgeholt wurde, verschlägt es durch Zufall in dieses Labor, denn Wing hat am Anfang dieser Fortsetzung das Zeitliche gesegnet.
Natürlich wird Gizmo wieder nass, natürlich findet das Drehbuch einen Grund, dass auch die Gizmo-Klone nass werden. Diesmal werden es noch mehr Ungeheuer, und sie bedienen sich ausgiebig bei den Seren in Dr. Catheters Labor, die alle eine unterschiedliche Wirkung haben. Allein durch diesem Umstand bauten Dante und die Scriptautoren Chris Columbus und Charles Haas einen Gutteil aller Gags und Zitate dieses Films auf. Ein Gremlin mutiert zur Fledermaus, ein anderer zur Riesenspinne, ein weiterer zum Phantom der Oper.
Auch revanchiert sich Dante in einer Szene an den Studiobossen, die seine Idee der Verwandlungsabfolge etwas arg umständlich fanden. Im Film will Billy vor der Gefahr warnen, doch seine Kollegen machen sich lustig. („Und was ist, wen einer was gefressen hat und dann die Zeitzone überfliegt, in der es Mitternacht ist?!“) Ist es Zufall, dass in diesem Moment ein Gremlin aus dem Computertastatur platzt und kurzen Prozess macht?!
Gremlins 2 ist ein Fest für Filmverrückte. Der Streifen platzt vor Anspielungen und Verweisen aus allen Nähten. Das fanden einige Fans etwas anstrengend, andere monierten das Fehlen der schönen Atmosphäre des ersten Teils. In der Tat ist diese Fortsetzung noch verrückter und spektakulärer, noch dick aufgetragener als der Kassenschlager von 1984. Aber wenn man eine Antenne zu diesem Zitatenfestival gewinnt, wird man reich belohnt.
Und was da nicht alles zusammenkommt: allein Christopher Lee ist ein Garant für Nostalgiesatire vom Feinsten. In einer Szene, in welcher der Fledermaus-Gremlin durch die Wand fliegt (und dabei die Umrisse des Batman-Logos hinterlässt) hört man für einige Sekunden eine Dracula-Orgel; in einer anderen sieht man ihn mit der grünen Schote, aus denen sich in Don Siegels
Invasion of the Bodysnatchers (
Die Dämonischen, 1956) die außerirdischen Klone entwickeln. Billy wird auf einem Zahnarztstuhl gefesselt, ein Gremlin mit Mundschutz und Zahnbohrer taucht auf und kichert „Is it safe?“, also „Sind sie außer Gefahr?“, eine Referenz auf die Folterszene aller Folterszenen in John Schlesingers
Marathon Man (1976). Zwischendurch wird der ganze Film von Gremlins unterbrochen, die dann (in unterschiedlichen Versionen) entweder von John Wayne oder Hulk Hogan wieder zur Raison gerufen werden. Undsoweiterundsofort.
Anstrengend? Ein Vergnügen! Eines, das nur von wenig übertroffen werden kann. (Und auch nur von Dingen, die außerhalb einer Leinwand stattfinden.)
Gremlins 1+2 ist perfektes Kino, das nichts anderes als unschuldige Unterhaltung schenken will. Lass dich beschenken, Welt!