Nachdem der spätere „
Fluch der Karibik“-Regisseur Gore Verbinski 2002 mit seinem Schocker „Ring“ ein kommerziell sehr erfolgreiches Remake des japanischen Kultfilms von Hideo Nakata erschaffen hat, ist in Hollywood ein wahrer Boom um die Rechte an guten oder manchmal auch grottenschlechten Geisterstreifen aus Fernost entstanden.
So haben neben dem erwähnten Werk auch die zwei „Ju-On“-Neuauflagen „The Grudge - Der Fluch“ für verschreckte Zuschauer und volle Kinosäle gesorgt, während eigentlich alle übrigen Versuche, ein Original für ein westliches Publikum salonfähig zu machen, in jeder Hinsicht zum Scheitern geführt haben – die einzige Ausnahme stellt noch „
Dark Water – Dunkle Wasser“ (2005) von Walter Salles und mit Jennifer Connelly in der Hauptrolle dar, der zwar keine grossen Erfolge an den Kassen, aber dafür eine psychologische Tiefe nachweisen konnte.
Während die amerikanischen Produktionen allesamt mit gezielten Marketingstrategien in die weltweiten Lichtspielhäuser gehievt wurden, sind die ursprünglichen Werke aus Asien meist nur heimlich in den dunklen Ecken der Videotheken erschienen. Dazu muss allerdings ehrlicherweise gesagt werden, dass sich darunter auch so einige Gurken wie „The Call“ von Vielfilmer Takashi Miike befunden haben.
Bei dem vorliegenden „A Tale Of Two Sisters“ aus Südkorea kann man die Entscheidung des Verleihers, auf einen hiesigen Kinorelease zu verzichten, aber nicht wirklich nachvollziehen – neben dem „
Ringu“-Original (1998) und den „Ju-On“-Filmen gehört das Werk von Ji-woon Kim („
A Bittersweet Life“) auf jeden Fall zu den besten Vertretern der Welle und könnte auch
Asia-Phobikern eine begeisternde Erfahrung bescheren.
Natürlich hat sich auch Hollywood schon eifrig an das betreffende Remake gemacht, das in nicht allzu ferner Zukunft unter dem Titel „The Uninvited“ erscheinen wird - man darf diesem ruhig mit einer Portion gesunder Skepsis entgegen sehen…
Die Grundgeschichte von
„Janghwa, Hongryeon“, wie der Film in Korea heisst, basiert übrigens recht lose auf einem Volksmärchen, das von zwei Schwestern und ihrer Stiefmutter handelt. Damit wäre zumindest schonmal das
„Tale“ im internationalen Titel geklärt, denn bis auf den Bezug zu dem Märchen sieht sich der Zuschauer mit einem bitterbösen und zugleich seltsam schönen Horrorfilm konfrontiert, der wohl kaum in dieser Form in den USA entstehen würde.
Nach einem längeren Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt kehren die beiden Schwestern Su-mi (Su-jeong Lim) und Su-yeon (Geun-yeong Mun) zu ihrem in sich gekehrten Vater (Kap-su Kim) und ihrer unsympathischen Stiefmutter (Jung-ah Yum) in das grosse Landhaus inmitten einer idyllischen Umgebung zurück.
Abgesehen von der unzertrennlichen Liebe zwischen den Geschwistern herrscht in der Familie eine wortkarge und unangenehm kühle Stimmung. Während der ergraute Vater selten ein paar Worte über seine Lippen bringt, führt seine neue Frau knallhart den gesamten Haushalt; auch die Schwestern geraten häufig mit ihrem ungeliebten Mutterersatz aneinander.
In der Nacht wird die ältere Su-mi nun häufiger von schrecklichen Erscheinungen geplagt, und eines Morgens findet sie Su-yeon im Bett mit einigen blauen Flecken vor.
Offensichtlich geht in dem Haus etwas Eigenartiges vor, über das niemand sprechen möchte und dessen Ursprung in der Vergangenheit liegt.
Als sich immer mehr unheimliche Vorfälle ereignen, bekommt der erdrückende Schleier des Schweigens langsam Risse und die schreckliche Wahrheit kriecht hindurch…
Neben Park Chan-Wook („
Oldboy“,„
Lady Vengeance”) und Bong Joon-ho („Memories Of Murder”, „
The Host”) gehört Ji-woon Kim eindeutig zu den bedeutendsten Regisseuren Südkoreas.
Vor „A Tale Of Two Sisters“ hat das Talent ein Segment der asiatischen Horror-Kurzfilm-Reihe „Three Extremes“ (2002) inszeniert, das ihm schonmal das nötige Fingerspitzengefühl für den folgenden Spielfilm-Schocker attestiert hat.
Dann sollte man an dieser Stelle doch mal schauen, was beim Genuss des vorliegenden Werkes so auf die Zuschauer zukommt:
Mit Hilfe fantastischer, sehr farbintensiver Bildkompositionen hat Ji-woon Kim einen äußerst packend erzählten sowie recht tiefgründigen Albtraum geschaffen, der –
ACHTUNG!! Diese Warnung gibt’s nur einmal! – über geradezu
Waffenschein-pflichtige Soundeffekte verfügt, die selbst hartgesottene Gesellen nicht selten ganz entsetzlich zusammenzucken lassen. Bei letztgenannter Eigenschaft und auch in Bezug auf den Ablauf der Handlung erinnert der Film manchmal angenehm an „Schock“ (1977), das letzte Werk des grossen Mario Bava.
Ansonsten ist „A Tale Of Two Sisters“ natürlich ganz und gar durch die Handschrift des asiatischen Gruselkinos geprägt worden, wobei einige Ideen auch den „
Ringu“-Streifen entliehen zu sein scheinen, was aber in keinster Weise negativ auffällt.
Außer der atmosphärischen Inszenierung fallen allerdings auch die durchweg überzeugenden Schauspieler positiv auf, die aufgrund von verhältnismäßig wenigen Sprechpassagen ihre jeweilige Rolle durch passende mimische Gesten mit Leben ausfüllen.
Da die Geschichte fast ausschließlich in dem Haus unter vier Personen stattfindet, hätten schlechte Leistungen der Protagonisten ein gnadenloses Scheitern des Projektes bedeutet.
Dieses beginnt im Übrigen als ansprechendes Familiendrama und entwickelt sich erst mit der Zeit zu der versprochenen Gänsehautattacke, die gegen Ende recht verzwickte Züge annimmt und aufgrund mehrerer Wendungen so manchen unaufmerksamen Zuschauer zum erneuten Anschauen zwingt. Das soll nicht bedeuten, dass der Film sich in David Lynch-Dimensionen vorwagt, aber so gradlinig wie seine fernöstlichen Kollegen ist er auch wieder nicht.
Fazit: Nur Nerven-schwache Personen mit ärztlichem Attest sollten dieses furchteinflößende Erlebnis meiden!