Zefix! Jesus, Maria und Josef! Naja, zumindest der Jesus. Nämlich unser allseits bekannter Francos' Jesus, den Lesern dieser Seite eher geläufig als Jess Franco, Stammgast bei Kollege Genzel. Eben jener Jess Franco dreht ja gerne und reichlich Filme, immerhin 187 in den vergangenen 51 Jahren. Und trotz dieses doch recht großen Ausstoßes konnte ich sein Werk bisher ziemlich vermeiden - sicher bin ich mir da aber nicht, weil ich eventuell seinen Kannibalenheuler Mondo cannibale aus dem Jahr 1980 gesehen habe, evtl. auch El Tesoro de la diosa blanca, den vierten Teil dieser "Reihe", aber aus meiner Erinnerung hab ich diesen "Film" erfolgreich getilgt.
Trotzdem möchte man als Kritiker möglichst neutral an das Opfer herangehen, ergo sehe ich das als Premiere. Blue Rita hat in der ofdb überraschend hohe Wertungen bekommen, man darf als unbedarfter Zuschauer also durchaus gespannt sein. Immerhin gilt Jess Franco ja durchaus irgendwo in den üblichen obskuren Kreisen (durchaus liebevoll gemeint!) als Kultfigur. Der Film ist dann natürlich auch in der Erotic-Classics-Reihe bei ABCDVD erschienen, und das strengste Jugendverbot auf der Rückseite lässt zumindest auf einen saftigen (no pun intended) Porno hoffen. Um was es geht? Nunja, irgendwo in Paris betreibt die Titelfigur - Blue Rita - einen Nachtclub. Soweit so gut, wir bekämen mit dieser Story einen typisch amerikanischen Gonzo-Porno geliefert. Doch weit gefehlt, unser großer Geschichtenerzähler und Dreh
buchautor Franco liefert uns einen zünftigen Krimiplot: eben jene Blue Rita ist Anführerin einer Amazonensekte, die ausgewählte männliche Gäste des Clubs entführen um sie zu erpressen. Hinter dem ganzen scheint ein zwielichter ergrauter Herr zu stehen, der Blue Rita Befehle erteilt (auf Rollennamen verzichte ich, mir fällt das bei "normalen" Filmen schon schwer genug).
Eben jener Häuptling Grauhaar lässt einen anderen reiferen Herren entführen. Dieser hat zuvor mit einer Angestellten des Clubs nicht-ganz-so-hemmungslosen-Sex getrieben, doch die Dame betrügt Blue Rita und muss daher in einer unfassbar actionlosen Verfolgungsjagd ihr Leben lassen. Was sie jetzt genau getan hat, vermag ich nicht zu sagen. Der Herr wird jedenfalls per Gas betäubt und nackend eingesperrt, mit den Händen an ein spitzes Gitter über ihm gefesselt. Die bösen bösen - und natürlich splitternackten - Wärterinnen foltern ihn auf die perfideste Art und Weise, die man(n) sich ausdenken kann: sie beträufeln ihn doch glatt mit grüner Farbe! Jene Farbe macht laut Drehbuch Männer unglaublich geil, und eben jener, inzwischen äusserst spitze, Gefangene muss nun nackte Frauen ertragen, die ihn anmachen aber nicht ranlassen (an dieser Stelle würde der männliche Rezensent mit dem Darsteller mitfühlen, wenn sich die Damen zumindest unter den Armen rasiert haben). Irgendwie scheint der Herr für irgendjemanden zu arbeiten und hat darüberhinaus auch noch ne Menge Asche auf dem Konto, was Blue Rita unbedingt haben will.
Dieses Geschehen wiederholt sich dann immer in leicht abgeänderter Form tatsächlich für die nächsten 70 Minuten, bis Jess Franco einfällt, dass er vielleicht doch einmal eine Handlung im Film haben müsste, wenn er schon keinen Porno macht (dazu gleich mehr). Daher scheint im Club von Blue Rita eine Spionin am Werk zu sein (
major spoiler ahead), und tatsächlich entpuppt sich das Küken der Truppe als Interpolagentin. Deren Liebhaber, der sich ebenfalls in den Fängen von Blue Rita befindet, entpuppt sich dementsprechend als KGB-Agent, der die Fähigkeiten und Foltermethoden unserer Titelfigur überprüfen wollte (you must be kidding me), aber sie für ungeeignet hält. Ein anderer Häuptling Grauhaar, diesmal von Interpol, leitet nun die Befreiung seiner Agentin ein, es gibt kleinere Shootouts (haha), und am Schluss erhält die gute Dame den nächsten Auftrag, diesmal in der Karibik - die Androhung einer Fortsetzung? Will Franco diese epische Geschichte von Spionen zwischen den Fronten, grenzenüberschreitender Liebe und grünem Geilheitselixier tatsächlich weitererzählen? Man weiß es nicht, jedenfalls hat sich die Plotentwicklung in den letzten sechs Minuten abgespielt, denn der Film geht nur knapp 76 Minuten lang.
Die Handlung ist also eher unspannend ausgefallen, aber wegen der Handlung schaut man sicher keinen Sexfilm. Das Problem an der Sache ist nur, dass Blue Rita bei weitem kein echter Sexfilm ist. Die Damen sind zwar meistens ziemlich nackt, aber leider verpassen es Jess Franco und sein Kameramann Ruedi Küttel auch nur ansatzweise gelungene Sexszenen einzufangen. Die Probleme sind vielfältig: entweder postieren die beiden in den Lesbenszenen zwischen Blue Rita und der Spionin ein Aquarium mit Fischen im Vordergrund, so dass die beiden Damen entweder unscharf (wie zweideutig...) sind, oder von den nicht-ganz-so-sexy Fischen verdeckt werden. Andererseits enthalten die Sexszenen zwischen Männchen und Weibchen Elemente, die eine gewisse anregende/erregende/entspannende Wirkung auf ganzer Linie verhindern. Ein paar kurze Beispiele möchte ich nennen: in der ersten Szene hält der gute Herr ungefähr 30 Sekunden Stand (no pun intended²), dann ist die "Action" in zahmer Missionarsstellung schon wieder gegessen. In einer anderen Szene trägt die Dame des Herzens tatsächlich eine Gasmaske während der ganzen Szene, und in einer weiteren Sequenz darf sich eine Darstellerin im Pippi Langstrumpf Outfit an einer antiken Figur reiben.
Getoppt wird das eigentlich nur noch von der Dame, die nackt an einem kleinen Elefantenrüssel saugen darf, der sich als Lendenschurz zwischen den Beinen einer anderen Dame befindet, die sich als Statue verkleidet hat. Allerdings kann man diesen skurrilen Einfällen natürlich einen gewissen Unterhaltungswert schwerlich absprechen, und das hysterische Finale mit der gigantisch großen und megamäßig interessanten Plotentwicklung sorgt dann natürlich auch nochmal für so manchen Lacher. Der Film ist also weniger Erotik- oder gar Pornofilm, sondern viel eher ein knallbuntes Sleazefilmchen mit abgefahrenen Ideen. Erwähnen möchte ich noch die Tinkturen der örtlichen Hexe, die phallischen Kontrollhebel, die sehr fragwürdige Blaulichter (respektive Rot- und Gelblichter) bedienen, sowie die Doppelvergewaltigung gegen Ende des Films. Eine Doppelvergewaltigung soll unterhaltsam sein?
Allerdings, denn die vermeintliche Spionin wird auf einem Wäscheständer aka Folterstuhl gefesselt, und der zu Beginn des Films Inhaftierte muss mal über sie drüber. Das finden beide natürlich nicht sonderlich toll (obwohl unser Herr doch mit der grünen Farbe beträufelt wurde), so dass diese Szene von den Schreien der Dame, dem Gewackel des Stuhls und dem Gesicht des Herren untermalt wird. Der gute Mann schaut nämlich aus, als ob er gerade einen epileptischen Anfall oder Kreislaufkollaps bekommt. Method Acting at its best!
Richtig ärgerlich ist dann aber noch die knallbunte Inszenierung von Jess Franco. Eigentlich mag ich ja bunte Filme, aber Franco schneidet hier öfters von komplett in Rot getauchten Szenen zu Stadtpanoramen mit bewölktem Himmel. Man muss sich das so vorstellen, dass man minutenlang (die ganze Regie ist eher träge) komplett rote Sequenzen zu sehen bekommt, und auf einmal erfolgt ein harter Schnitt auf eine eher weiße Fläche ohne Farbklekse jenseits von Grau. Eventuell sind die Stadtpanoramen auch leicht bläulich, da ich bei diesen Schnitten regelmäßig Kopfweh bekommen habe und die Augen schließen musste, vermag ich das eher nicht zu sagen. Ich hoffe trotzdem inständig für mich, dass ich im Namen der Kunst (und der Filmkritik) nicht zu viele Stäbchen und Zäpfchen meiner Augen zerschossen habe. Macht der gute Herr Franco sowas öfter?
Aber immerhin hat die DVD vom Schweizer Label ABCDVD ein doch recht gutes Bild, eine Trailershow zu weiteren - bestimmt "sehenswerten" - Jess Franco Filmen, und die ungekürzte Fassung des Films. Der Ton ist etwas schwankend von der Lautstärke, und die Dame mit der Gasmaske hab ich auch nicht wirklich verstehen können. Trotzdem natürlich vielen Dank für das Rezensionsexemplar.
Wenn mir jetzt noch jemand sagen kann, für welche Zielgruppe so ein Film gedreht wird, dann kann ich beruhigt schlafen. Inszenatorisch eher fad, von der Handlung her lachhaft, so explizit wie eine durchschnittliche Folge Gute Zeiten Schlechte Zeiten...aber wenigstens nicht ganz so ein Ärgernis wie
Dark Heaven.