Als John Carpenter 1978 HALLOWEEN inszenierte, sollte es eigentlich nur ein kleiner, spannender B-Film über den Mord an einer Reihe von Babysittern sein. Keiner hätte gedacht, daß der Film sich als eine der profitabelsten Produktionen überhaupt entpuppen würde und als Blaupause für ein ganzes Subgenre, für eine Myriade von Nachahmungstätern herhalten sollte. Selbst Sean S. Cunningham, der 1980 ganz bewußt nach HALLOWEEN-Muster seinen FREITAG DER 13. inszenierte, ahnte nicht, wieviele Menschen in seinen Fußstapfen folgen würden.
Mit dem Millionenerfolg von HALLOWEEN und FREITAG DER 13. war der Slasher geboren, und zahllose Kopien folgten dem Muster der beiden Filme, das schnell zum Klischée verkam: Eine Handvoll Teenager, idealerweise in einer isolierten Umgebung, werden von einem (zumeist maskierten) Psychopathen nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip abgeschlachtet, bis der letzte Überlebende den Spieß umdreht. Schnell zeichneten sich die Eckpfeiler des Genres ab: Die Teenager hatten die meiste Zeit über wenig mehr als Sex und Drogen im Sinn, weshalb der mordende Psychopath auch gerne als repressives Instrument in einer reaktionären Ideologie verstanden wird. Der Mörder selber definierte sich zumeist nur über ein simples Rachemotiv, besaß aber gerne übermenschliche Stärke oder gar Unverwundbarkeit.
GOING TO PIECES (im Origina
l mit dem Untertitel THE RISE AND FALL OF THE SLASHER MOVIE versehen) zeichnet die Geschichte dieses Subgenres nach, das Mitte der Achtziger an Übersättigung einging und erst in den Neunzigern wiederbelebt wurde. Der Film reiht dabei eine Reihe von Interviews mit diversen Filmschaffenden und dazugehörigen Personen aneinander und wechselt diese mit diversen Ausschnitten aus der Vielzahl der Filme ab. John Carpenter und Sean S. Cunningham äußern sich ebenso zu ihren Filmen wie zweitrangige Mitspieler - beispielsweise Joseph Zito (THE PROWLER) und Fred Walton (APRIL FOOL'S DAY). Auch Effektspezialisten wie Tom Savini und Stan Winston kommen zu Wort. Der Film beginnt mit den Wurzeln der Slasher-Filme, geht dann chronologisch voran und sortiert das Material nach thematischen Schwerpunkten - der oben angesprochenen Verbindung zwischen Gewalt und Sexualität zum Beispiel.
Dabei tauchen nun mehrere Schwierigkeiten auf, die sich alle auf ein Kernproblem reduzieren lassen: Der Film geht nirgendwo in die Tiefe. Die angesprochenen Themen sind interessant, werden aber nirgendwo wirklich eingehend beleuchtet - sei es der geschichtliche Abriß (Christen und Löwen im alten Rom, das Grand-Guignol-Theater in Frankreich) oder der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit: Keines der Elemente wird mit wirklicher Substanz bedacht. Das liegt mitunter auch darin, daß jede Menge Filmemacher und Filmfreunde zu Wort kommen, aber nicht ein einziger Filmwissenschaftler, Psychologe, Kritiker, oder sonstiger kritischer Kommentator.
Es ist sehr offensichtlich, daß der Film von Enthusiasten gemacht wurde - und mit ebensolcher Begeisterung werden dann auch alle Stationen des Slashers abgeklappert, ohne je kritische Distanz zu gewinnen. Das ist für Freunde der Filme sicherlich kein Problem, für alle anderen aber auf Dauer uninteressant, wenn schwungvoll in einer Collage ein drastischer Bluteffekt an den anderen gereiht wird. Selbst in eigentlich dankbaren Segmenten schaffen es die Filmemacher nicht, etwas Substanzielles zu sagen: Tom Savini spricht darüber, wie seine Zeit als Kriegsfotograf in Vietnam seine Arbeit als Maskenbildner beeinflußte, aber im Gegensatz zu der außergewöhnlich gut gemachten Studie AMERICAN NIGHTMARE wird diese Information hier bestenfalls oberflächlich in einen gesellschaftlichen und politischen Kontext eingebettet.
All die Kritik ändert allerdings nicht daran, daß GOING TO PIECES ein liebevoller Rückblick auf ein Genre ist, an dem Fans sicherlich Freude haben werden. Sean Cunninghams Erzählungen zur Entstehung von FRIDAY THE 13TH sind auch hier hörenswert (auf eine ganzseitige Anzeige mit dem Filmtitel und dem Satz "Der furchterregendste Film aller Zeiten" reagierten Vertriebsfirmen begeistert, obwohl zu diesem Zeitpunkt nicht mal ein Drehbuch vorlag). Fred Walton nimmt gelassen und augenzwinkernd die Schuld für den Niedergang des Genres auf sich (sein APRIL FOOL'S DAY frustrierte die Zuseher mit einer ironischen Brechung). Und Rob Zombie wundert sich, warum Universal ihn einen Horrorfilm hat machen lassen und sich danach darüber beschwert hat, daß er zu furchterregend sei ("Das ist so, als würden sie einen Porno produzieren und hinterher wollen sie die Sexszenen herausschneiden").
Keine Frage, der Slasher bietet viele interessante Anekdoten, viele unglaubliche Geschichten, und viel Ansatz zur kritischen Auseinandersetzung. Schade eigentlich, daß sie in dieser Doku nicht passiert.