Es ist das hochglanzpolierte Postkartenmotiv, welches wir alle bestens kennen, in das uns „The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“ über eine Laufzeit von knappen 90 Minuten entführt: Korallenriffe, Gesteinsareale, die aus dem türkisfarbenen Wasser emporragen und ein reingewaschener, weißer Sandstrand. Angesichts dieser paradiesischen Impressionen einer vom Touristenstrom verschonten Meeresbucht in Mexiko muss man zwangsläufig in einen bohrenden Zustand von akutem Fernweh verfallen: Dieses elysische Landschaftspanorama! Diese satten Farben! Dieser beflügelnde Moment von Unendlichkeit! Regisseur Jaume Collet-Serra („
Unknown Identity“, „Non-stop“) ist sich der anregenden Kraft seiner Bilder natürlich vollkommen im Klaren und macht sich im ersten Drittel des Films einen merklichen Spaß daraus, Protagonistin und
Surfer Babe Nancy (Blake Lively, „The Town – Stadt ohne Gnade“) im Zuge der idyllischen Umgebung einer, im besten Sinne, nachdrücklichen Werbeclipästhetik unterzuordnen: Ihm geht es fortwährend um das Abbilden, aber zu keiner Zeit um das Abgebildete.
Egal, wie deutlich sich die elaborierte Kamera von Flavio Martínez Labiano auch an den weiblichen Rundungen von Blake Lively laben sollte, so scheint das primäre Interesse doch immer am großen Ganzen gelegen zu sein: Die Zusammenführung von einem makellosen Frauenkörper, prädestiniert, um sich an der Küs
te zu räkeln oder voller Vitalität in die schäumenden Wellen zu stürzen, und den verschiedenen Gesichtern der Natur; denn hat „The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“ seinen Hang zum sonnendurchfluteten Werbefilm und die ausgereizten Hinteransichten von Blake Lively hinter sich gelassen, spürt Jaume Collet-Serra dem scharfzahnigen Alptraum im Idyll nach. Ein überaus hungriger Weißer Hai wurde vom Kadaver eines an der Wasseroberfläche treibenden Wals angelockt und macht Nancy, was natürlich diametral zum eigentlichen Naturell dieses sagenumwobenen Fisches steht, fortan die (Über-)Leben schwer: Die 180 Meter zum rettenden Ufer jedenfalls erscheinen wie eine nicht zu bewältigende Strecke.
„The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“ konfrontiert den Zuschauer indes zuvorderst mit der berechtigten Frage, wann es eigentlich den letzten gelungenen Hai-Film auf der Leinwand zu sehen gegeben hat? Oder, um es noch radikaler zu formulieren: Gab es nach Steven Spielbergs meisterhaftem „
Der Weiße Hai“ aus dem Jahre 1978 überhaupt noch einen Film, der dem spannungsgeladenen Klassiker auch nur im Ansatz das blutversetzte Wasser reichen konnte? Vermutlich nicht, aber ein kleiner Trost scheint es an dieser Stelle ja bereits zu sein, dass Jaume Collet-Serra seinem Ruf als begabter Handwerker auch in seinem neuen Werk gerecht wird: Sein Neigung zum Oberflächlichen wird zur inszenatorischen Programmatik und ist über weite Strecken sogar ganz wörtlich zu verstehen: „The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“ unterscheidet letztlich nur zwischen dem, was sich über und was sich unter der Wasseroberfläche befindet, was sich vor allem dann rentiert, wenn Nancy sich zu gleichen Teilen in beiden Bereichen befindet.
Hier kann Jaume Collet-Serra die Lage nicht nur aus der Götterperspektive beobachten, sondern auch, charakteristisch für diese filmische Strömung, die (angebliche) Perspektive der gefräßigen Naturgewalt aus der Tiefe einnehmen und den Zuschauer dementsprechend manipulieren: Nicht die stoffliche Dichte ist in „The Shallows - Gefahr aus der Tiefe“ ausschlaggebend, sondern die stilistische – und Collet-Serra artikuliert sich hier als waschechter Stilistik respektive Ästhet. Dass sein Survival-Kino abseits der für sich stehenden, hochauflösenden Visualisierungen nur selten zu packen vermag, ist dem Umstand geschuldet, dass jede einzelne Spannungslinie im Kampf um das Überleben zu eindeutig auf einen Fluchtpunkt hinausläuft. Die Fallhöhe, um mit Nancy mitzufiebern, ist nicht gegeben, während der emotionale Unterbau, der die archaische Monstrosität weitergehend als Manifestation angestauter, seelischer Zerwürfnisse beschreibt, dem Film eine Profundität überstülpt, die er doch in keiner Sekunde besitzt. Schön anzusehen ist „The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“, doch für echten Thrill bedarf es einer ausgeklügelteren Erzähltechnik.