„Young Adult“, die zweite Kollaboration von Regisseur Jason Reitman und seiner „
Juno“-Autorin Diablo Cody, beginnt als rotzfreche, böse Komödie und endet als reichlich bitteres Drama über eine deprimierte und frustrierte Jugendbuch-Schreiberin.
Es gibt Momente, in denen man sich wirklich köstlich über die unerbittliche Starrköpfigkeit von Mavis Gary, die von Oscar-Preisträgerin Charlize Theron („Monster“) als – für die Zuschauer – sehr charmante
Tussi verkörpert wird, amüsieren kann.
Mavis unternimmt eine Reise in die Vergangenheit – nach Mercury, Minnesota, um genau zu sein.
Begleitet wird sie von ihrem Hund und einem Mixtape, in dessen Songs sich Erinnerungen verbergen:
Teenage Fanclub,
4 Non Blondes – es waren die Neunziger, als sie noch mit ihrer großen Jugendliebe Buddy Slade (Patrick Wilson, „
Little Children“) zusammen gewesen ist.
Offiziell besucht sie Mercury nur, um eine Immobilienangelegenheit zu klären, doch ihr eigentliches Anliegen ist es, Buddys Herz zurückzuerobern.
Das Argument, er sei inzwischen ein glücklich verheirateter Mann mit Kind, kommt bei Mavis nicht recht an. Sie blockiert in ihrem Kopf die Einwände ihrer alten Bekannten und macht sich frisch ans Werk.
Nach gründlichem Styling sitzt sie ihrem Angebeteten endlich in einer Bar gegenüber und muss feststellen, dass sich, im Vergleich zu damals, einiges verändert hat. Buddy ist nicht mehr der lockere Draufgänger, sondern ein Mann, der sein neues Familienleben durchaus ernst nimmt.
Was tun, um ihn aus seinem vermeintlich tristen Käfig zu befreien?
Zusammen mit dem körperlich behinderten High School-Nerd Matt Freehauf (Patton Oswalt, „
Ratatouille“), der ihr als Einziger wirkliches Verständnis entgegen bringt, geht sie sogar so weit, das Haus des Traumprinzen zu observieren.
Wenn sie gerade schon siegessicher glaubt, ihr Ziel endlich erreicht zu haben, zeigt die Realität unverhofft ihre hässliche Fratze...
Ehrlich gesagt, „Young Adult“ hat mich mit keinem sonderlich euphorischen Gefühl aus dem Saal entlassen.
Ich bin mir aber auch nicht ganz sicher, ob das überhaupt je die Intention des Werkes gewesen ist.
In der ersten Hälfte habe ich, trotz einiger dunkler Untertöne, viel über die Geschichte der Frau, die, ohne Kompromisse oder Gefangene, mit ihrem Kopf durch die Wand will, gelacht.
Irgendwie hat mich Mavis Gary an eine Protagonistin aus Horrorfilmen oder Psychothrillern wie „Eine verhängnisvolle Affäre“ (1987) oder „Misery“ (1990) erinnert – mit dem Unterschied, dass wir uns hier mehr mit ihr, als mit ihrem „Opfer“, identifizieren.
Und mit dem Unterschied, dass sie im Liebeswahn nicht gleich das große Messer zückt.
Diablo Cody ist es, nach ihrem Drehbuch zu dem missglückten Teenie-Horror „Jennifer's Body“ (2009), über weite Strecken doch nochmal gelungen, eine relativ unspektakuläre Story so zu verpacken, dass sie für die Zuschauer attraktiv bleibt.
So etwas funktioniert in der Regel aber nur, wenn die vorhandenen Figuren Konturen besitzen und deren Schicksale echtes Interesse in uns wecken.
Das Herzstück von „Young Adult“ ist Charlize Therons Mavis.
Eine Frau, die durch ihr oberflächlich-selbstbewusstes Auftreten eine starke Faszination ausübt, so dass wir sogar zuerst ignorieren, wie kahl es doch in ihrem Inneren ausschauen muss, und dass ihre eigene, kleine Welt reichlich losgelöst ist, von der großen Welt da draußen.
Ihr geht es nicht gut, sie konsumiert übermäßig viel Alkohol und schlingt in bestimmten Phasen kiloweise Fast Food in sich hinein.
Mavis ist aus ihrem Geburtsort geflohen, und auf der Flucht hat sie etwas zurückgelassen.
Ihr stärkster und unbarmherzigster Gegner ist die Zeit.
Der Titel des Films bezieht sich nicht nur auf eine von ihr verfasste Buchreihe, er reflektiert sie selbst äußerst zutreffend:
Sie ist in ihrem Kopf irgendwann im Teenageralter stehengeblieben, zumindest was ihre trotzigen Ansichten und ihr pubertäres Auftreten angeht - sie ist cool, niemand sonst.
Von den „richtigen“ Erwachsenen wird sie deshalb auch nicht ganz für voll genommen, sondern eher mild belächelt.
„Ich denke, ich bin Alkoholikerin“, gesteht sie am Mittagstisch ihren Eltern. Diese tun die Veräußerlichung jedoch reflexartig als Scherz ab.
Bemerken tun sie vermutlich schon, dass mit ihrer Tochter irgendetwas nicht stimmt.
Sie ist einsam und traurig, ja. Sie hat bereits eine Heirat und Scheidung hinter sich, natürlich.
Aber wie ernst es doch um sie steht, das ahnen sie wohl nicht – sie ist krank. Wirklich.
Es gibt im späteren Verlauf eine Szene der Entscheidung.
Mavis' Bemerkungen, und die der anderen Anwesenden, drücken hier letztlich am besten aus, wer in diesem Kaff tatsächlich kalt und gefühllos ist.
Die sympathischste Person ist noch der gutherzige Matt, der während der Schulzeit brutal zusammengeprügelt worden ist, nur weil man ihn für schwul gehalten hat. Im Übrigen findet er Mavis anziehend (
„Guys like me are born loving women like you“), aber die eigentliche Verbindung zwischen ihnen basiert auf der Tatsache, dass Beide auf ihre Weise Außenseiter sind.
Sie ergänzen sich.
Jason Reitman gehört spätestens seit seinen Oscar-Nominierungen für „
Juno“ (2007) und „
Up in the Air“ (2009) zu den Großen im Geschäft.
Kaum jemand sonst versteht es aktuell wohl besser, den riskanten Spagat zwischen Komik und Tragik zu inszenieren.
Bei seiner neuesten Arbeit geht die Mischung allerdings nicht so hundertprozentig auf. Der Stimmungs-Sturz vom großmäulig-fiesen Spaß zum gar nicht mehr lustigen Drama erfolgt zu steil und plötzlich.
Das macht den Film zwar nicht kaputt, aber es trübt das Ergebnis schon ein wenig.
Wenn das Feuer des Gefechts gelöscht ist und der Rauch sich verzogen hat, gibt mir das Werk keine ganz klare Sicht frei.
Was soll ich – abgesehen von den sehr authentischen Figuren und dem bissigen Plot – aus „Young Adult“ mitnehmen?
Dass man die Vergangenheit besser Vergangenheit sein lässt?
Dass Menschen in Kleinstädten noch verständnisloser als Großstädter sein können?
Dass es nicht schlimm ist, so zu sein, wie man ist?
Ich weiss einfach nicht, was ich mit dem eigenartig kraft- und belanglosen Ende anfangen soll – im Großen und Ganzen ist Reitmans Film jedoch abermals durchaus sehenswert und kurzweilig, wenn auch die bisher insgesamt schwächste Leistung des Regisseurs.