
Das wurde ja eigentlich auch mal wieder Zeit.
Mit seinem zweiten Spielfilm âJunoâ hat der vielversprechende Newcomer Jason Reitman (Sohn von âGhostbustersâ-Regisseur Ivan Reitman) nach einer Flut dĂŒsterer und pessimistischer Werke ein grandioses
âFeel-Good-Movieâ in die Kinos gebracht, das zudem 2008 mit vier Oscar-Nominierungen bedacht worden ist, von welchen es sogar die Auszeichnung fĂŒr das âBeste Originaldrehbuchâ einheimsen konnte.
Doch was ist nun eigentlich die Besonderheit des vorliegenden Films, der sich an den Kinokassen als riesiger Erfolg entpuppt und etliche Zuschauer restlos ĂŒberzeugt hat? Nun, eigentlich ist gerade die Tatsache, dass âJunoâ in keinster Weise spektakulĂ€r, sondern stets bodenstĂ€ndig und
âechtâ wirkt, gerade fĂŒr Produktionen in der heutigen Zeit, wo kompliziert zusammengesetzte Storys oder reiĂerische Spezialeffekte den Ton angeben, schon allein eine erfrischende Abwechslung. Das hat man auch bei der betreffenden âAcademy Awardsâ-Verleihung gespĂŒrt, denn eigentlich stellte dort Reitmans freche Komödie, abgesehen von einigen Trickfilmen, fast das einzige Werk dar, das einen eben nicht mit einem schwermĂŒtigen oder bedrĂŒckten GefĂŒhl aus dem Kinosaal entlassen hat.
In dieser Tradition steht es so neben absolut sympathischen Filmen wie âBeim ersten Malâ (
2007) oder dem 2007 ebenfalls Oscar-nominierten â
Little Miss Sunshineâ (2006), die zuvor auch LĂŒcken in die finsteren Wolken ĂŒber Hollywood gerissen und einige Sonnenstrahlen herab gelassen haben.
âIt started with a chair.â
Die 16-jĂ€hrige Juno (Ellen Page, â
Hard Candyâ, âAn American Crimeâ) lĂ€sst schon den ganzen Tag literweise Orangensaft in sich hineinlaufen, um den bereits x-ten Schwangerschaftstest durchzufĂŒhren. Als auch dieser natĂŒrlich, wie schon die vielen zuvor, positiv ausfĂ€llt, registriert das kesse MĂ€dchen, dass es wohl von nun an ein kleines Problem am Hals â bzw. im Bauch â hat.
Dabei hat doch alles noch so harmlos angefangen: Es sollte eigentlich bloĂ der erste Sex mit ihrem Freund, der Sportskanone Paulie Bleeker (Michael Cera, â
Superbadâ), werden, ein unschuldiges âerstes MalââŠ
NatĂŒrlich ist Juno nicht darauf vorbereitet worden, was man in solch einer Situation zu tun hat, und so macht sie das, was ein MĂ€dchen in ihrem Alter halt so tun wĂŒrde: Sie erzĂ€hlt es zunĂ€chst ihrer besten Freundin Leah (Olivia Thirlby) und dem âMitschuldigenâ Bleeker. Die erste Idee lautet dann auch âAbtreibungâ, doch nach kurzer Ăberlegung im Wartezimmer der Klinik, entscheidet sich die junge Schwangere doch gegen diese Lösung. Da sich ihr Umstand allerdings unmöglich ĂŒber lĂ€ngere Zeit als Geheimnis bewahren lĂ€sst, fasst sich Juno ein Herz und klĂ€rt ihren verdutzten Vater Mac (J.K. Simmons, âSpider-Man 1-3â, âMachtlosâ) und ihre Stiefmutter Bren (Allison Janney, âPrivate Partsâ) ĂŒber die Situation auf. Zum GlĂŒck reagieren ihre VormĂŒnder entgegen allen Erwartungen sehr offen fĂŒr das Problem und suchen nun mit ihr nach einer vernĂŒnftigen Lösung.
Juno kommt schlieĂlich auf die Idee, das Kind nach der Geburt an Adoptiveltern zu ĂŒbergeben. DafĂŒr hat sie sich das reiche PĂ€rchen Vanessa (Jennifer Garner, â
Daredevilâ, âOperation: Kingdomâ) und Mark Loring (Jason Bateman, â
SmokinÂŽ Acesâ, âVoll auf die NĂŒsseâ) ausgesucht, denen bisher das KinderglĂŒck aus biologischen GrĂŒnden verwehrt geblieben ist. WĂ€hrend sich Vanessa ĂŒbermĂŒtig in die Vorbereitungen stĂŒrzt, scheint dem innerlich noch nicht recht erwachsenen Mark die Idee dieser auf ihn zukommenden, groĂen Verantwortung nicht wirklich zu passen. Allerdings sagt Juno dessen lockere und sympathische Art durchaus zu, und so besucht sie ihn gelegentlich um ein paar Akkorde auf der Gitarre mit ihm zu spielen oder darĂŒber zu diskutieren, ob nun Dario Argentos â
Suspiriaâ oder Hershell Gordon LewisÂŽ âWizard Of Goreâ der bessere Horrorschocker sei.
Bren klĂ€rt sie darĂŒber auf, dass man keinem verheirateten Mann einfach so einen Besuch abzustatten habe, und dass sie diese ungeschriebene Regel noch nicht verstehe. Schon bald beginnen sich gewisse Faktoren in der eigentlich perfekt geplanten Geschichte zu verĂ€ndern, und auch die inzwischen sichtbar schwangere Juno spĂŒrt, dass sie fĂŒr den âTicTacâ-sĂŒchtigen Paulie Bleeker vielleicht doch mehr empfindet als zunĂ€chst gedachtâŠ
âNah... I mean, I'm already pregnant, so what other kind of shenanigans could I get into?â
Ja, wie man bereits an der Inhaltsangabe gemerkt hat, geht es bei âJunoâ mal nicht um politische Verschwörungen und menschliche AbgrĂŒnde, sondern um einfache Leute mit einfachen Problemen, wie man sie jeden Tag auf der Strasse treffen könnte. Das Anliegen von Regisseur Reitman (â
Thank You For Smoking") und der Oscar-prÀmierten Autorin Diablo Cody ist es, dem Zuschauer reale Charaktere zu prÀsentieren, die zwar auch oft verquer sind und ihre Laster aufweisen, aber dabei trotzdem stets sympathisch erscheinen.
Um die Geschichte auch tatsĂ€chlich authentisch rĂŒberzubringen, sind natĂŒrlich in erster Linie groĂartige Schauspieler gefragt, die vor allem natĂŒrlich wirken mĂŒssen. Der Casting-Prozess kann also als voller Erfolg gewertet werden, da wirklich alle Darsteller ihren Rollen die nötige Ausstrahlung verleihen â egal ob es nun J.K. Simmons als unkonventioneller Vater, Allison Janney als dessen aufopferungsvolle Frau oder Michael Cera als Junos leicht verpeilter Freund Paulie Bleeker sind. Ganz besonders hervorgehoben werden muss natĂŒrlich die auch Oscar-nominierte Performance von Ellen Page als Titelfigur, die momentan vermutlich zu den hoffnungsvollsten Jungstars Hollywoods zĂ€hlt. Da darf man wirklich gespannt sein, wie sich Pages Karriere in Zukunft entwickeln wird â zumindest scheint sie nicht den Fehler von anderen gefeierten Stars wie Halle Berry oder Charlize Theron wiederholen, und fĂŒr hohle Hochglanz-Actionfilme ihr Talent vergeuden zu wollen: Sam Raimi hat sie jĂŒngst einen Korb fĂŒr ein Rollenangebot in dessen neuem Horrorstreifen gegeben - das Drehbuch habe ihr nicht gefallenâŠ
Ein weiterer wichtiger Pluspunkt des Werkes ist neben den erwĂ€hnten Leistungen von Cast und Crew, dass âJunoâ nicht denselben Fehler wie Ă€hnliche Filme begeht, und sich gegen Ende zu einem trĂ€nentriefenden Drama entwickelt, sondern stets die Balance zwischen rotzfrechem Witz und ernsten Untertönen bewahrt.
Wer sich nicht mit einem durchweg positiven Film anfreunden kann, sollte dieses unheimlich unterhaltsame, beschwingte Komödien-Juwel vielleicht besser meiden - fĂŒr alle anderen sollte âJunoâ als ein
âMust-seeâ des Jahres 2008 gekennzeichnet werden!