von Asokan Nirmalarajah
Man muss nicht unbedingt auf den sogenannten „schlechtesten Regisseur der Welt“, Ed Wood, rekurrieren, um beispielhaft aufzuzeigen, wie klaffend doch zuweilen der Abgrund zwischen dem eigenen Anspruch und dem endgültigen Resultat eines Filmemachers sein kann.
Case in point: Jamie Thraves’ auf dem ersten Blick recht vielversprechende, aber missratene Verfilmung des gleichnamigen Romans
The Cry of the Owl (2009, dt. Titel:
Der Schrei der Eule) von Patricia Highsmith. Der Brite Thraves, der bislang vor allem als Regisseur von Kurzfilmen und Musikvideos (unter anderem für Bands wie Radiohead, Blur und Coldplay) auf sich aufmerksam machte, konnte für seinen zweiten Spielfilm nicht nur die Rechte an einem der weniger bekannten, aber besonders komplexen Werke der oft verfilmten Krimiautorin sichern. Mit Paddy Considine und Julia Stiles konnte er auch zwei namhafte Darsteller für die anspruchsvollen Hauptrollen gewinnen. Und zumindest für die ersten Minuten des Films scheint sich ein intelligentes Psychodrama anzubahnen, das allerdings angesichts einer unsäglich plumpen Inszenierung und miserabler schauspielerischer Leistungen recht bald in einen absurd-grotesken, unfreiwillig komischen Beziehungskrimi zwischen vier Individuen ausartet.
Highsmith war in ihrer schlichten, schnörkellosen Prosa und ihrer psychologisch nuancierten, unterkühlten Figurenzeichnung nie ihren Figuren wirklich zugetan. Zynisch und ironisch distanziert ließ die Autorin unsympathische, kompromisslose Protagonisten ineinander laufen, um festzuhalten, zu welchen Gräueltaten sie doch fähig sein können, wenn sie etwas nur wirklich wollen. Ihre Lieblingsfigur war nicht ohne Grund Tom Ripley, der gleich in mehreren Romanen (bekannt als
The Ripliad) stets seine eigenen Interessen verfolgte, um sich nur hin und wieder zu wundern, wie doch Menschen zur Sentimentalität neigen und selbstlos handeln können. In den bisherigen Highsmith-Filmadaptionen wurde diese analytische Distanz zu den Figuren nicht immer gewahrt. Während Anthony Minghellas
The Talented Mr. Ripley (1999) etwa Tom Ripley zu einer allzu tragischen Gestalt stilisierte, wusste Liliana Cavani dies in der bisher wohl besten Highsmith-Adaption,
Ripley’s Game (2002), mit dem nötigen Augenzwinkern zu vollführen und gleich wieder abzutun. Auch Thraves versucht die psychologische Klarheit Highsmiths umzusetzen und seine Figuren als gewöhnliche, wenn auch leicht gestörte Individuen zu präsentieren. Doch weder Drehbuch, Regie, noch die Darsteller vermögen dieses Vorhaben umzusetzen.
Dabei ist die Ausgangssituation von
The Cry of the Owl, der bereits 1987 vom französischen Altmeister Claude Chabrol verfilmt wurde, eine besonders ansprechende für einen Psychothriller. Robert (Paddy Considine), ein einsamer Industriedesigner, zieht von der verhassten Stadt aufs Land, um Abstand von seiner exzentrischen Ex-Frau Nicki (Caroline Dhavernas) zu bekommen, die den Scheidungsprozess unnötig aufschiebt. Nachts steht Robert, der sozialen Verpflichtungen am liebsten aus dem Weg geht, regelmäßig im Wald und beobachtet eine junge, blonde Frau namens Jenny (Julia Stiles) durch ihr Küchenfenster. Eines Tages erwischt Jenny Robert vor ihrem Haus und bittet ihn zu seiner (und ihrer eigenen) Verwunderung ins Haus, um über die Situation zu reden. Mit dieser Geste, die bald (von Robert ungewollte) amouröse Folgen für die beiden haben wird, wird eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, in der nicht nur Roberts Ex Nicki involviert wird, sondern auch der von Jenny für Robert verlassene, jähzornige Greg (James Gilbert). Im wilden Liebesquartett kommt es dann zu immer blutigeren Konfrontationen, die schließlich damit enden, dass nur eine Person am Leben bleibt, um den ominösen Schrei der Eule in der Nacht zu vernehmen…
Wenn das Funktionieren eines ganzen Films an der Überzeugungskraft einer einzigen Szene hängt, wie es bei
The Cry of the Owl der Fall ist, dann sollte man auch sicher gehen, dass diese Szene einwandfrei funktioniert. Das tut sie aber ebenso wenig wie alles andere in diesem langweiligen, einfallslosen Thriller. Nicht nur sind die Figuren völlig unglaubwürdig in ihrem Handeln und ihren Interaktionen, sie sind auch allesamt größtenteils unausstehliche Egoisten. Der sonst so fabelhaft sensible Engländer Paddy Considine, der hier einen bemerkenswerten New Yorker Akzent aufsetzt, wirkt etwas verloren in einer komplexen Rolle, die ungelenk zwischen voyeuristischem, neurotischen Stalker und dem fälschlich beschuldigten Durchschnittsprotagonisten eines Hitchcock’schen Kriminalthrillers pendelt. Julie Stiles, die als selbstbewusste, kratzbürstige Heldin diverser Highschool-Liebesfilmen zu überzeugen wusste, ist hier mit ihrem monotonen, langweiligen Spiel völlig deplatziert in der Rolle einer gestörten jungen Frau. Die übrige Besetzung ist bestenfalls amateurhaft, wenn nicht sogar nervtötend. Jamie Thraves’ unsubtile, hoffnungslose prätentiöse Inszenierung und das alberne, oft seltsam absurde Drehbuch geben der eigentlich spannenden Vorlage dann auch endgültig den Rest. Wer sich den Film dennoch antun will, der ist mit der DVD-Veröffentlichung von Ascot Elite bestens bedient: Selbst wenn das halbstündige Making-Of zum Film wieder mal den Eindruck erweckt, bei dem Film handle es sich um ein Meisterwerk.
Au contraire, my friend!
Zumindest kann sich Jamie Thraves mit diesem Motto Ripleys aus
Ripley’s Game trösten:
You know the most interesting thing about doing something terrible? After a few days, you can't even remember it.