Es gibt einen jungen Regisseur, der inzwischen schon fünf abendfüllende Spielfilme gemacht hat, ohne dass sich ein schlechter darunter befindet. Die Rede ist von James Wan, dessen Erstlingswerk „Saw“ immer noch am bekanntesten ist, der sich aber Gott sei Dank von der Folterhorror-Reihe rechtzeitig verabschiedete und inzwischen mehrere echte Horrorfilme inszenierte – Dead Silence, Insidious und eben The Conjuring. Interessant dabei ist, dass selbst The Conjuring nur 13 Millionen Dollar gekostet hat, was im modernen Hollywood quasi gar nichts ist. Allerdings vertrauen ihm die Studios genug, dass man ihn sogar an „Fast & Furious 7“ ranlässt, so dass auch James Wan mal sicherlich 100 Millionen verblasen darf. Ich erwarte großes, denn auch wenn „The Conjuring“ ein komplett anderes Genre ist, hat er hiermit einen brillanten Horrorfilm vorgelegt, der sicherlich der beste ist, den ich die letzten Jahre gesehen hab.
Ron und Carolyn Perron ziehen 1971 mit ihren fünf Töchtern Andrea, Nancy, Christine, Cindy und April in ein Haus in Harroldsville. Die junge Familie ist glücklich, doch schon bald ereignen sich seltsame Dinge: Carolyn erwacht mit Hämatomen am Körper, die Uhren bleiben um 3:07 Uhr stehen, es stinkt nachts fürchterlich und die Mädchen sagen, dass sie nachts an den Füßen gezogen werden. Als der Terror immer schlimmer wird, und die Kinder fast schon in physischer Gefahr schweben, wendet sich Carolyn an das Ehepaar Ed und Lorraine Warre
n, die sich mit parapsychologischen Phänomenen beschäftigen und an der Uni ihre bisher bearbeiteten Fälle präsentieren. Als die Warrens das Haus besuchen, ist schnell klar, dass hier tatsächlich ein Dämon am Werke ist...
Schon bei der Zusammenfassung der Handlung merkt man: das ist ja mal überhaupt nichts neues, schon dreißig mal gesehen, und nicht viel mehr als eine Geisterhaus-/Exorzismus-Story. Und das stimmt! Tatsächlich ist die Geschichte weitläufig bekannt, man weiß praktisch auch, wie es ausgehen und sich entwickeln wird, und es gibt keine wirklichen Twists. Aber das ist auch halb so schlimm: denn – das kann man wohl für den Film als ganzes sagen – James Wan erfindet weder die Geschichte noch den Schrecken neu, doch das Wie der Erzählung und Inszenierung ist schlichtweg grandios und hebt „The Conjuring“ aus dem Einheitsbrei des Gernekinos raus. Und es ist James Wan nicht hoch genug anzurechnen, dass ihm mit diesem Film ein Horrorfilm im Wortsinne gelungen ist; also ein Film, der wahrlich Horror ausstrahlt und den Zuschauer enorm packt, ohne auf plumpe Jump Scares zu setzen – denn Jump Scares sind nicht gruselig, was leider viele moderne Horror-Regisseure nicht verstehen. Insofern ist es wenig verwunderlich und auch nachvollziehbar, dass „The Conjuring“ in den USA ein R-Rating bekommen hat, und zwar nicht etwa wegen Blut oder nackter Haut, sondern weil er so gruselig ist!
Wenn man einige Horrorfilme gesehen hat, kann man oftmals schon anhand der Bildgestaltung erahnen, was gleich passieren wird. Nicht immer kann sich Wans Film davor schützen. Oftmals ist deutlich, aus welcher Richtung gleich der Schrecken kommen wird, allerdings sind die Horrormomente derart effektiv inszeniert, dass dies wirklich Meckern auf hohem Niveau ist. Und sicherlich ist sich James Wan dessen bewusst, da er oftmals hier falsche Spuren legt, und der tatsächliche Schrecken dann aus einer anderen Richtung kommt – was auch den „erfahrenen“ Zuschauer kalt erwischen kann. Überhaupt: „The Conjuring“ ist voll mit wahrhaft gruseligen Szenen, deren Grusel sich aus der ruhigen Inszenierung und der zum Schneiden dichten Atmosphäre zieht. Wenn etwa eine Person durchs Haus wandert, die wunderschöne Kameraarbeit das alte Gemäuer einfängt und das geniale Sounddesign für Stimmung sorgt, kann man nicht anders als gepackt werden und zu Tode erschrecken, wenn auf einmal eine Gestalt sichtbar wird – und das ganz ohne lauten und plötzlichen Soundeffekt auf der Tonspur!
Klar: es gibt zwischendurch auch ein paar Jump Scares, die sich der Film allerdings verdient hat. Diese sind dann oftmals in Sequenzen zu finden, die vor Terror ohnehin schon strotzen, so dass sie eigentlich nur die Wirkung verstärken, ohne den Zuschauer komplett zu überraschen. Diese dichte Atmosphäre stellt sich vor allem auch deshalb ein, weil sich James Wan Zeit lässt, Ort und Figuren ordentlich einzuführen. Überhaupt schafft es „The Conjuring“ tatsächlich, sympathische Charaktere zu zeichnen, die man eben nicht sterben sehen will, sondern mit denen man mitfiebert. Dabei spart sich Wan den üblichen Skeptiker und stellt die paranormalen Phänomene von vornherein als echt dar; ein Weg, den man sicherlich so gehen kann. Insgesamt ist „The Conjuring“ also fantastisch gefilmt, vertont, inszeniert und geschrieben; die einzelnen Teile sind zwar nicht immer unbedingt etwas Neues, aber wie effektiv sie ineinander greifen ist schon bewundernswert. Der Film traut sich sogar, manchmal einen kurzen humoristischen Moment einzufügen, und diese kurzen Sätze funktionieren überraschenderweise sogar auch gut, so dass sie den Zuschauer kurz vom dauernden Terror erlösen können – um in der nächsten Horrorszene umso effektiver zurückzukommen.
Sicherlich ist nicht alles perfekt an diesem Film: wie gesagt ist das eigentlich alles nix Neues; auch ist die Inszenierung an einer Stelle etwas zu ziellos, wenn Wan kurz aus der Ich-Perspektive filmt, quasi auf Found-Footage zurückgreift, nur um diese Szene ebenso schnell zu beenden, wie sie begonnen hat, ohne dass diese Art der Inszenierung irgendwas gebracht hätte. Auch könnte man sich fragen: wer zum Geier kommt auf die Idee, sich eine derart gruselige Puppe wie „Annabelle“ in diesem Film zu kaufen – und dann auch noch so dumm zu sein, einem offensichtlichen Dämon zu gestatten, sich in dieser Puppe einzunisten (das ist im Prolog, also nichts was mit der eigentlichen Haupthandlung zu tun hat)?!
Was aber nichts daran ändert, dass „The Conjuring“ der beste Horrorfilm der letzten Jahre ist. Und ich kann es nicht oft genug betonen: „The Conjuring“ ist tatsächlich Horror! Ein Film, der szenenweise wirklich unangenehm ist und den Zuschauer stressen kann, ohne auf laute Geräusche und Eimer von Blut zu setzen. Selten habe ich es im Kino erlebt, dass die Zuschauer wirklich laut schrien und etwa ein „Oh Shit, Oh Nein, nicht schon wieder!“ in Richtung der Leinwand riefen. Höchstwertung! Und eine dicke Empfehlung!
Meine Güte freue ich mich auf „Insidiuos 2“. Hoffentlich wird der genauso brillant.