Nach unzähligen, für den DVD-Markt produzierten
„Teenie-Slasher“-Streifen hat es eine ganze Weile gedauert, bis der gelangweilte Horror-Fan auf der großen Leinwand mal wieder mit einer innovativen Genre-Produktion aus der Lethargie gerissen worden ist.
Nur ist es bei dem vorliegenden „Saw“, zumindest im Falle des Verfassers dieser Zeilen, nicht unbedingt Liebe auf den ersten Blick gewesen:
Während sich der Independent-Film in den USA überraschenderweise zu einem unglaublichen Erfolg entwickelt hat, hat ihn der Verleiher hierzulande gleich mit einer riesigen Werbekampagne in die Lichspielhäuser gehievt, wobei vor allem ein Zitat aus einem recht bekannten Kinomagazin, welches auf den Postern prangte, vielleicht doch einen falschen Eindruck von dem Streifen vermittelt hat:
„Nach „Sieben“ kommt nicht Acht, sondern „Saw“.“
Nun ja, man kann letztendlich nicht abstreiten, dass es zwischen dem Erstling des australischen Regisseurs James Wan und David Finchers düsterer Gesellschaftsvision gewisse Überschneidungen gibt, doch muss man auch sagen, dass „Saw“ eine ganze Ecke weniger intellektuell daherkommt und eindeutig auf ein Horror-Publikum zugeschnitten ist.
Außerdem hat der Film, der bis jetzt drei Fortsetzungen nach sich gezog
en hat, in seiner Herstellung gerade mal eine Million US-$ verschlungen – soviel hat bei Finchers Werk vermutlich allein Brad Pitts Hair-Designer pauschal verlangt...
Obwohl „Saw“ nach wesentlich mehr als diesem „Peanut“-Budget aussieht, ist es nicht verwunderlich, dass er gegen ein grosses Hollywood-Projekt wie „
Sieben“ in vielerlei Hinsicht keine Chance hat - zumindest wenn auch noch ein Meister wie Fincher („
Fight Club“, „
Zodiac - Die Spur des Killers“) auf dem Registuhl sitzt.
Wenn man allerdings von dem verwirrenden Vergleich absieht und weder mit Vorurteilen, noch mit schwindelerregenden Erwartungen an den Film herantritt, bekommt man einen äußerst spannenden, oft verzwickten und zusätzlich optisch ansprechenden Reißer geboten, der außerdem bei seinem Erscheinen die erste Messlatte für ein neues Gore-Level im Kino gelegt hat…natürlich mal die Kannibalen-und Zombie-Blutbäder der 70er und 80er ausgenommen.
„Let the game begin.“
Der junge Adam (Drehbuch-Autor Leigh Whannell) erwacht in einer Badewanne in einem dunklen Raum. Nach einigen Rufen meldet sich eine weitere Person, die ebenfalls nicht weiss, wo sie da gelandet ist. Kurz darauf tastet einer den Lichtschalter, und die Beiden finden sich mit jeweils einem Bein an ein Rohr gekettet in einem heruntergekommenen Waschraum wieder. Genau in der Mitte der Fläche liegt ein dritter Mann tot in einer Blutlache – in seiner einen Hand befindet sich eine Pistole, in der anderen ein Tonbandgerät.
Nach einer kurzen Unterhaltung über die unangenehme Situation findet Adam in seiner Hosentasche eine Kassette, und auch der ihm Unbekannte wird an derselben Stelle fündig. Adam gelingt es, dem Toten das Abspielgerät zu entnehmen und hört sich die an ihn gerichtete Botschaft an.
Eine verzerrte Stimme teilt ihm mit, dass er in dem Raum heute sterben wird, wenn er nichts dagegen unternehme.
Auch der andere Mann, der sich als der Arzt Dr. Gordon (Cary Elwes, „
Bram Stoker\'s Dracula“, „Glory“) entpuppt, spielt sein Band ab, auf welchem er von derselben Stimme mit seinem Namen begrüßt wird.
Ihm wird erklärt, dass es sich bei der ganzen Situation um ein Spiel handele, in dessen Verlauf er bis zu einem gewissen Zeitpunkt Adam umbringen soll. In dem ganzen Raum seien zudem „Schätze“ versteckt, die sich hinter einem mit „X“ markierten Platz befinden.
In dem Wasserkasten einer Toilette findet Adam eine Tasche, in der sich zwei Handsägen befinden, die allerdings nicht hart genug sind, um die Ketten zu durchtrennen.
Gordon ahnt nun, wer hinter dem teuflischen Plan steckt:
Der von der Polizei als „Jigsaw“-Killer bekannte Serienmörder hat bereits zuvor einige Personen in seinem grausamen „Spiel“ getötet, wobei der Verdacht damals auf Gordon gefallen ist, da bei einem Opfer dessen Pupillenleuchte aufgefunden wurde.
Während Adam und Gordon über einen Ausweg nachdenken, läuft langsam aber sicher die Deadline ab…
Obwohl den meisten Lesern vermutlich sowohl die Auflösung der Geschichte, als auch die kommerziell erfolgreichen Fortsetzungen bekannt sein dürften, soll „Saw“ an dieser Stelle trotzdem so behandelt werden, als sei er brandneu – schließlich wäre es extrem ärgerlich, auch nur einem Unwissenden versehentlich die Freude an dem verzwickten Blutbad zu verderben.
Denn trotz leichten inhaltlichen Fehlern und einigen unnötigen Schnitt-Spielereien muss man das Werk als einen der aufregendsten Genrebeiträge des neuen Milleniums bezeichnen, der sowohl Freunde spannender, als auch splattriger Unterhaltung ohne nennenswerten Humorgehalt zufrieden stellen sollte.
Man merkt es „Saw“ außerdem an, dass Regisseur Wan und Autor/Darsteller Whannell echte Horrorfans sind, die nicht den Vorstellungen eines Studios folgten, sondern einen Film geschaffen haben, den sie sich vermutlich auch am liebsten selbst angesehen hätten. Neben einer recht innovativen Story haben die Beiden zudem einige Zitate, vor allem aus dem italienischen Genre-Kino, eingebaut.
So ist die eigenartige Puppe in manchen Szenen eindeutig als Referenz an Dario Argentos Meisterwerk „
Deep Red“ (1975) zu verstehen, während die schwarzen Handschuhe des Täters und die sehr bunte Optik generell in vielen
„Gialli“ vorzufinden sind/ist.
Außerdem stellt „Saw“ den ersten direkten Soundtrack-Auftrag für den ehemaligen Rockband-Producer Charlie Clouser dar, der vor allem für seine Arbeiten mit „Marilyn Manson“ oder den „Nine Inch Nails“ bekannt sein dürfte, und dessen Score den Film definitiv um ein markantes Merkmal bereichert.
Wer sich damals im Kino übrigens auch an den scheinbar schwachen schauspielerischen Leistungen gestört hat, dem sei auf DVD das Ansehen des Streifens im Originalton empfohlen – Cary Elwes´ deutsche Synchronstimme ist nämlich eine einzige Zumutung und sorgt während des eigentlich spannenden Finales für einige unfreiwillige Komik.
Außerdem hat man auf Scheibe den Vorteil, im Abspann von der tollen Originalmusik verabschiedet zu werden, und nicht wie im Kino von dem grottigen Song der Metal-Band „Fear Factory“…
„Saw“ wird gerne als Vorläufer der aktuellen
„Torture-Porn“-Welle angesehen, doch eigentlich tut man dem Werk mit dieser Beschreibung wirklich unrecht. Es wird in vielen Szenen zwar nicht gerade zimperlich mit den Protagonisten herumgesprungen, aber mit einer reinen Reduzierung auf die Gewalt würde man die packende Story verleugnen, die den Film letztendlich auch für die breite Masse an Zuschauern interessant gemacht hat.
Da, wie bereits erwähnt, inzwischen drei Fortsetzungen von „Saw“ existieren, soll zum Abschluss auch noch kurz auf diese eingegangen werden:
Denn im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen, haben die Erschaffer ihr Baby zumindest für die Teile zwei und drei nicht gegen einen Haufen Geld an das Studio abgetreten, sondern sich als Produzenten und Drehbuchschreiber an der Weiterführung der Geschichte beteiligt. Zwar hat keiner der Nachfolger die Intensität des Originals erreicht, aber dennoch hat der Autor Whannell die Chance genutzt, und einige sehr interessante Ansätze weiter ausgebaut.
So kann zumindest die Trilogie als noch recht homogenes Konzept angesehen werden.
„GAME OVER!“…ach nee, doch nicht…