„This is an old fashion creepy chiller“ - mit diesen vielversprechenden Worten hat „
Saw“-Schöpfer James Wan seine neueste Arbeit „Insidious“, welche er erneut in Zusammenarbeit mit seinem Freund und Drehbuchautor Leigh Whannell realisiert hat, bei der letztjährigen Premiere auf dem
Toronto International Film Festival angekündigt.
Und Recht soll der Regisseur mit seiner Beschreibung behalten:
Das Werk, welches mit einem schleichend-bedrohlichen Tempo beginnt, verweist in seiner ersten Hälfte recht offensichtlich auf solche Klassiker wie William Friedkins „
Der Exorzist“ (1973) oder Tobe Hoopers „Poltergeist“ (1982) und dürfte vor allem Horrorfreunde begeistern, die die gepflegte Gänsehaut dem exzessiven Blutbad vorziehen.
Unglücklich mit dem Ergebnis ihrer
Universal Pictures-Kollaboration - dem trotz aller kreativer Differenzen sehr stimmungsvoll umgesetzten Gruselfilm „
Dead Silence“ (2007) -, hat sich das Regie/Autoren-Duo diesmal das Ziel gesetzt, dem Publikum seinen definitiven Beitrag zum Genre zu präsentieren.
Während sich viele moderne Filmemacher damit zufrieden geben, die altbekannten Zutaten stur Punkt für Punkt abzuhaken und den Zuschauern damit letztlich ein lediglich lauwarmes Süppchen vorzusetzen, weben die sich selbst auch klar als Fans bekennenden Kreativköpfe äußerst geschickt einige wahrlich abgefahrene Ideen (wer hat zuvor schon Dämonen zu dem
Tiny Tim-Song „
Tiptoe Through The Tulips“ tanzen gesehen...?) in ihr Spukhaus-Grundgerüst ein und verpassen der Story zusätzlich an der richtigen Stelle eine gemeine Wendung.
Ein Gebot, welches beim Verfassen des Drehbuchs einen besonderen Stellenwert eingenommen hat, verleiht dem Schocker eine weitere, erfrischende Effektivität:
„No False Scares“, diese Bemerkung hat Leigh Whannell laut eigener Angaben ganz oben auf die Liste der sich selbst auferlegten Spielregeln beim Schreiben gesetzt.
Die Aufmerksamkeit des Publikums sollte nicht – wie dies bei so vielen anderen Produktionen der Fall ist – durch plötzlich aus Schränken auf die Protagonisten herabspringende Katzen künstlich aufrecht erhalten werden, sondern aus dem unheimlichen Geschehen selbst erwachsen.
Wenn sich der Schrecken schließlich anbahnt, ergreift dieser die Zuschauer dann auch wirklich eiskalt im Genick.
Um nun ihre eigene Vision des Stoffes ohne die ständige Beschattung und Manipulation durch eine höhere Institution umsetzen zu können, haben Wan/Whannell den großen Hollywood-Studios zunächst den Rücken gekehrt (Wan hat nach „
Dead Silence“ außerdem noch für
Twentieth Century Fox 2007 den gelungenen Rache-Thriller „
Death Sentence - Todesurteil“ abgedreht), um nach dem Megahit „
Saw“ erneut den Independent-Weg zu beschreiten.
Der Tausch eines Riesenbudgets gegen das Maximum an kreativer Eigenständigkeit hat sich an den US-Kinokassen bereits ausgezahlt:
Seine lächerlichen Entstehungskosten von etwa anderthalb Millionen Dollar hat der von „
Paranormal Activity“-Regisseur Oren Peli mitproduzierte „Insidious“ bereits um ein Vielfaches wieder eingespielt.
Das junge Ehepaar Renai (Rose Byrne, „
Sunshine“) und Josh Lambert (Patrick Wilson, „
Hard Candy“) hat mit seinen drei Kindern gerade erst ein schickes Haus in einem ruhigen Vorort bezogen, als sich in diesem zunächst unscheinbare Vorfälle ereignen:
Frisch einsortierte Bücher liegen plötzlich neben dem Regal...kein Grund zur Panik, diesen Unfug wird wohl bestimmt einer der kleinen Racker veranstaltet haben!
Als jedoch ihr achtjähriger Sohn Dalton (Ty Simpkins hat bereits in „
Little Children“ Patrick Wilsons Filmsohn verkörpert) auf dem dunklen Dachboden von einer Leiter stürzt und daraufhin in ein mysteriöses Koma fällt, bricht für die glückliche Familie nicht nur die heile Welt zusammen – auch der Spuk im Gebäude nimmt nun angsteinflössende Ausmaße an.
Es scheint so, als ob das Kind ein Opfer von finsteren Mächten geworden ist, die nun auch seinen Angehörigen das blanke Grauen lehren wollen.
Da selbst der kurz darauf unternommene Umzug in ein neues Anwesen die bedrohlichen Erscheinungen nicht zu verbannen vermag und auch Daltons Zustand keine Besserung zeigt, bittet das Paar in völliger Verzweiflung das Medium Elise Rainier (Lin Shaye, „
Verrückt nach Mary“) und ihre beiden Assistenten (als
Ghostbusters geben sich Angus Sampson und Leigh Whannell selbst die Ehre) um Hilfe.
Doch deren Untersuchungsergebnisse stellen für die Lamberts keine Beruhigung dar:
„Es ist nicht das Haus, das besessen ist...“
Insidious bedeutet übersetzt
heimtückisch oder
hinterlistig – warum das Duo nun ausgerechnet dieses Adjektiv als Titel für seinen aktuellen Film ausgewählt hat, soll allerdings nicht bereits vorweg genommen werden.
Nur so viel:
Wenn man den bereits erwähnten „Poltergeist“ nehmen, der anfangs familienfreundlichen Stimmung einige deftige Terroreinlagen hinzufügen und die um zusätzliche, interessante Aspekte bereicherte Geschichte weiterspinnen würde, wäre man in etwa bei dem angelangt, was sich die Köpfe von James Wan und Leigh Whannell mit „Insidious“ ausgesponnen haben – ein moderner,
hinterhälter Spukhorror für eine neue Zuschauergeneration.
Möglicherweise wird sich der Aufbau des Werkes für manchen Zuschauer als ein wenig problematisch herausstellen.
Nach der besuchten Pressevorführung hat ein Kritikerkollege bereits angemerkt, dass ihm der ruhige Anfang des Films gut gefallen habe, während die deutlich effektlastigere, zweite Hälfte für ihn nicht recht funktionierte.
Diese Ansicht teilt der Rezensent nachdrücklich nicht.
Zugegebenermaßen baut der Regisseur zu Beginn eine sehr dichte Atmosphäre auf, die im Vergleich zum furiosen weiteren Verlauf eher auf subtilen Grusel setzt – allerdings dient der Einstieg auch eher einer Einladung zu einer finsteren Reise in eine unbekannte
Ferne.
Voraussetzung ist natürlich, man lässt sich auf das dort präsentierte Reich dann auch wirklich ein...
„Insidious“ besitzt neben glaubhaften Figuren (die für eine solch kleine Genreproduktion ungewöhnlich von durchaus prominenten Gesichtern verkörpert werden) zudem etwas, das im aktuellen
Fantastischen Kino leider oftmals zu kurz kommt:
Er verwurzelt seine Story in einer eigenen Mythologie, in deren Kontext sich auch das abschließende Drittel, das neben David Lynchs Albtraumbildern auch deutlich Wes Cravens „
Nightmare - Mörderische Träume“ (1984) zitiert, unmittelbar und homogen mit dem vorherigen Part zusammenfügt.
Wie bereits erwähnt, haben sich die Verantwortlichen bewusst dafür entschieden, das Werk im Rahmen einer
Low Budget-Produktion fertig zu stellen.
Ein Beschluss, der sich tatsächlich extrem positiv auf das Gänsehaut-erzeugende und streckenweise auch recht humorvolle Resultat niedergeschlagen hat.
Der Film wirkt völlig ungezwungen, kommt löblicherweise ohne unnötigen
CGI-Schnickschnack aus und man merkt diesem förmlich zu jeder Sekunde an, dass hier Fans mit einer echten Leidenschaft für das Genre ans Werk gegangen sind - die irrwitzigen Einfälle sprudeln geradezu aus diesem hervor.
Ein wenig hat man als Zuschauer ein Gefühl, wie wenn man nach dem Martinssingen einen bunten Sack prall mit Süßigkeiten in der Hand hält, aus welchem einem vielleicht nicht jeder Schokoriegel gleich gut schmeckt, aber man letztlich dennoch hochzufrieden mit der Gesamtausbeute ist.
Ähnlich wie Sam Raimis „
Drag Me to Hell“ (2009) ist „Insidious“ ein Film, der rund 100 Minuten Spaß und Schrecken garantiert, aber dabei ganz sicher keinen intellektuellen Anspruch erhebt.
Darauf sollte man sich einstellen, wenn man eine Karte für die wilde Geisterbahnfahrt löst.
James Wan und Leigh Whannell ist es hier definitiv gelungen, den Horror der Siebziger und frühen Achtziger auf sympathische Weise zu würdigen und diesem zugleich frischen (oder besser: eiskalten) Atem einzuhauchen.
„Insidious“ ist eine willkommen fantasievolle Bereicherung für ein langsam in Kunstblut und Splatter zu ertrinken drohendes Genre.