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von Florent Emilio Siri




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Walk the Line

Walk the Line

Ein Film von James Mangold

„Love is a burning thing.“

1968. Der Daumen des hochgewachsenen Mannes fährt über die Zacken einer Kreissäge. Draußen, in der Halle des Folsom Prison, zelebriert die Menge aus Mördern, Schlägern und ähnlichen Zeitgenossen ein ohrenbetäubendes Crescendo, will sie doch endlich ihn, den Man in Black sehen. Doch dieser scheint im Backstagebereich den anschwellenden Lärm gar nicht wahrzunehmen. In Gedanken ganz woanders, zeichnet er immer und immer wieder geistesabwesend mit dem Daumen die Zacken der Kreissäge nach. Ein stilles Ritual als Kontrastprogramm zu der aufbrausenden Stimmung der Inhaftierten. Eine Zeitreise in Gedanken, zurück in die 1930er Jahre.


Es ist das Leben eines der größten Musiker, der jemals auf Mutter Erde wandelte, dem Regisseur und Drehbuchautor James Mangold („Kate und Leopold“ [2001], „Identität - Identity“ [2003], „Todeszug nach Yuma“ [2007]) mit dem Bio-Epos „WALK THE LINE“ ein filmisches Denkmal setzte, das bei aller Größe genaugenommen geradezu lächerlich klein erscheint. Bedenkt man nämlich, dass es sich zwangsläufig einreiht neben 15 Grammys, 9 Country Music Association Awards und unzähligen weiteren Auszeichnungen, so ist dies gewissermaßen nur das längst überfällige Sahnehäubchen auf einer Erfolgstorte gigantischen Ausmaßes. Ein Sahnehäubchen zu Ehren eines Mannes, der scho
n zu Lebzeiten eine Legende war. Zu schade, dass der weltberühmte Countrysänger und -songwriter Johnny Cash am 12. September 2003 letztendlich den Weg ging, den viele Legenden vor ihm schon beschritten, um überhaupt erst zu eine zu werden. Er ging ein in die Ewigkeit, ließ seine Geschichte zur Geschichte werden, damit man sich an ihn erinnert. Zweifellos hätte er Gefallen gefunden an diesem kleinen Meisterwerk, das nicht nur einen großen Unterhaltungswert bietet, sondern auch einen gehörigen Anteil Erinnerungsarbeit leistet. Der Man in Black hätte es so gewollt.


Entsprechen wir also seinem mutmaßlichen Willen und erinnern uns des Lebens Cashs, indem wir die eingangs beschriebene Zeitreise antreten. Weg von der Rahmenhandlung, hin zu einem langen Rückblick, der uns zunächst in die Jugendjahre des J. R. Cash (Joaquin Phoenix, „The Village - Das Dorf“ [2004]) führt. Sein Bruder Jack und er sind ein Herz und eine Seele, was dem jungen Cash viel Kraft gibt, das Toben seines alkoholkranken Vaters (Robert Patrick, „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ [1991]) zu ertragen. Schon früh stellt sich heraus, dass der kleine Johnny das Gesangstalent seiner Mutter geerbt zu haben scheint, mit der er in der Kirche und bei der Feldarbeit singt. Sein Vater jedoch steht nicht sonderlich hinter seinem Jüngsten. Die Lage spitzt sich tragischerweise zu, als Johnnys Bruder 1944 bei einem Unfall mit einer Kreissäge ums Leben kommt. Ray Cash schiebt die Schuld an Jacks Tod auf Johnny, da dieser zum Zeitpunkt des Unfalls nicht zugegen war. Das Verhältnis zwischen den beiden könnte nun angespannter nicht sein. So kommt es, dass Johnny 1950 bei der US Air Force in Landsberg am Lech stationiert wird, wo er sich seine erste Gitarre kauft und seinen ersten eigenen Song schreibt: den Folsom Prison Blues. 5 Jahre später hat Cash seine Freundin Vivian Liberto (Ginnifer Goodwin) geheiratet und bereits eine kleine Tochter namens Rosanne, die – so scheint es – schon bald ein Geschwisterchen bekommen soll. Doch die Liebe zur Musik lässt den jungen Musiker keinen Gedanken an eine mögliche Familienplanung verschwenden. „Bewaffnet“ mit seiner Gitarre tingelt er zusammen mit Luther Perkins (Dan John Miller) und dem Bassisten Marshall Grant (Larry Bagby) weiter Gospelsongs spielend durch die Gegend.


Eines Tages treffen die Hobbymusiker auf den Produzenten Sam Phillips, der sich bereit erklärt, sich einen Song der Combo anzuhören. Wirklich angetan ist Phillips aber nicht, vor allem bezweifelt er, dass sich so was gewinnbringend vermarkten ließe. Cash nimmt also die letzte Chance wahr, die ihm bleibt, um seinen Traum vom Musikerdasein zu verwirklich, und spielt dem Produzenten seinen Folsom Prison Blues vor, der einen Plattenvertrag und mehrere Tourneen von „Johnny Cash und den Tennessee Two“ nach sich zieht. Endlich scheint der gebeutelte Cash den lang ersehnten Erfolg genießen zu können, den er sich immer erträumt hat. Doch wer hoch oben ist, kann tief fallen. So kommen mit dem Erfolg leider auch die ersten Kontakte mit Drogen und diverse andere Unannehmlichkeiten, die zuweilen im Musikgeschäft lauern. Als Johnny schließlich in El Paso beim Drogenschmuggel erwischt wird, zerbricht die zuletzt schon stark kriselnde Beziehung zwischen ihm und Vivian endgültig. Zu diesem Zeitpunkt pflegt er bereits regen Kontakt zu seiner schönen geschiedenen Musikerkollegin June Carter (Reese Witherspoon, „Eiskalte Engel“ [1999]), mit der im weiteren Verlauf eine von Höhen und Tiefen geprägte Beziehung eingeht. Wird diese Liebe am Ende in der Lage sein, alles Schlechte zu übertünchen?


Auf den ersten Blick mag man verwundert dreinblicken in Anbetracht der Tatsache, dass einem Schauspieler wie Joaquin Phoenix eine Rolle wie die hier vorliegende angeboten wurde. Doch bereits in den ersten Minuten sind alle Zweifel zerschlagen: Phoenix spielt den Weltstar mit all seinen Eskapaden und Nöten derart intensiv, dass man beinah etwas Angst bekommen könnte. Die eindringliche Szene am Anfang, die als Vorgriff auf das im folgenden Gezeigte zu verstehen ist, erhält sogar eine ungeahnte Tiefe, wenn man bedenkt, dass River Phoenix („Stand By Me - Das Geheimnis eines Sommers“ [1986]) 1993 in den Armen seines Bruders an einer Überdosis Heroin und Kokain starb. Es war das unabwendbare Schicksal, das Phoenix und Cash sowohl im Film als auch im wahren Leben auf tragische Weise eint. Gewiss ein trauriger Aspekt in einem Film, der auf ein Massenpublikum zugeschnitten ist, aber er ruft in dem vom Phoenix verkörperten Cash auch eine Erkenntnis hervor, die ihn bis zu seinem Tod begleiten sollte: Nimm das Leben so, wie es ist. Auch, wenn es manchmal schwer fällt. Und das nicht gerade von Tiefen verschonte Leben Cashs ist neben all dem Erfolg, den der Man in Black Zeit seines Lebens zweifelsohne hatte, nun einmal das, was zum wichtigen Teil der Erinnerung an diesen großen Musiker werden sollte. Hier kann man vor Joaquin Phoenix nur den imaginären Hut ziehen, dass er sich der Herausforderung sowohl in schauspielerischer als auch gesanglicher (!) Hinsicht angenommen und diese im Endeffekt derart bravourös gemeistert hat. Des Segens Cashs konnte er sich dabei von Anfang an versichert sein, da dieser sich schon im frühen Stadium der Produktion für Phoenix als Hauptdarsteller stark gemacht hat.


Für die zierliche Reese Witherspoon, die von Cash ebenfalls für die Rolle vorgeschlagen wurde, sollte die Verkörperung der June Carter sogar den ganz großen Durchbruch bedeuten, gipfelte sie doch in der Auszeichnung mit dem Oscar 2006. Zurecht, im übrigen. Denn die sonst eher für „Natürlich-Blondchen-Rollen“ prädestiniert wirkende Kleine liefert in „WALK THE LINE“ die vielleicht beste Leistung ihrer bisherigen jungen Karriere ab. Genau wie ihr männlicher Gegenpart sang sie alle Lieder des Films selbst (und überraschend gut!) ein, nur um in den leisen Momenten eine Frau zu spielen, die trotz der nach außen hin transportierten Unnahbarkeit im Innersten eigentlich das komplette Gegenteil ist. Eine solche Doppelschichtigkeit hätte man ihr gar nicht zugetraut. Spätestens jetzt sollte für jedermann unmissverständlich klar sein, dass die Witherspoon zum einen als eine der wohl wandlungsfähigsten Schauspielerinnen der neuen Generation ernst genommen, zum anderen mit ihr mehr als gerechnet werden muss.


Wenn am Ende wieder die Rahmenhandlung aufgenommen wird, das legendäre Konzert im Folsom Prison über die Bühne geht und Johnny auf der Rückfahrt seine June fragt, ob sie ihn heiraten wolle, wirkt ihre wiederholte Ablehnung wie die Bestätigung für die Erkenntnis, dass Liebe ein regelrechtes Feuer entfachen kann, dessen Flammen immer höher schlagen, während man unten am Boden liegt. Hilflos. It burns, burns, burns, that ring of fire, that ring of fire, heißt es daher wenig überraschend in Cashs 1963er Hit Ring of Fire, dessen Text June Carter verfasste. Er steht symbolisch sowohl für Cashs Tabletten- und Alkoholsucht als auch für die verbotene Liebe der beiden, als sie noch jeweils mit anderen Partnern liiert waren. Musik als Ausdruck von Gefühlen anstatt vieler tausend gesprochener Worte. Vielleicht erkannte June Carter letztlich, dass dies der einzig wahre Weg eines Musikers ist, zu „sagen“, was er sonst nicht zu sagen in der Lage ist. Als Cash ihr bei einem gemeinsamen Auftritt am Ende des Films noch einmal die Frage aller Fragen stellt – auf der Bühne ihres gemeinsamen Lebens, auf den Brettern, die für sie beide die Welt bedeute(te)n –, erahnt man als Zuschauer daher schon insgeheim, wie die Antwort diesmal lauten wird. Schön ist dieser innige Moment trotzdem, genauso wie der komplette Film. Johnny Cash hätte ihn bestimmt trotz der nötigen Straffung gut gefunden, June Carter ebenso – zwei Liebende, die jetzt gerade wohl irgendwo da oben von ihrer gemeinsamen Wolke auf die Erde hinabblicken und glücklich dreinschauen, überaus glücklich.

Eine Rezension von Stefan Rackow
(04. Juli 2008)
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Daten zum Film
Walk the Line USA 2005
(Walk the Line)
Regie James Mangold Drehbuch Gill Dennis & James Mangold, basierend auf dem Buch "Man In Black" von Johnny Cash und der Autobiographie "Cash: The Autobiography" von Johnny Cash und Patrick Carr
Produktion Alan C. Blomquist, John Carter Cash, James Keach, Cathy Konrad, Lou Robin Kamera Phedon Papamichael
Darsteller Joaquin Phoenix, Reese Witherspoon, Ginnifer Goodwin, Robert Patrick, Dallas Roberts, Dan John Miller, Larry Bagby, Shelby Lynne, Tyler Hilton, Waylon Payne, Shooter Jennings, Sandra Ellis Lafferty, Dan Beene, Clay Steakley, Johnathan Rice
Länge 135 Minuten FSK ab 6 Jahren
http://www.walkthelinedvd.com/
Filmmusik T-Bone Burnett
Preise und Auszeichnungen Oscar 2006 für Reese Witherspoon (Best Performance by an Actress in a Leading Role)
Kommentare zu dieser Kritik
Anj TEAM sagte am 05.07.2008 um 16:24 Uhr

Bevor ich diesen Film gesehen hatte,wusste ich rein gar nichts über Johnny Cash und mochte auch keine Countrymusik. Aber da ich Phoenix- UND Witherspoon-Fan bin, durfte ich mir diesen Film natürlich nicht nehmen lassen.

Und ich kam ziemlich glücklich wieder aus dem Kino. Was diesen Film zum größten Teil ausmacht sind für mich die Gesangseinlagen. Ich fand es super, dass die beiden Hauptdarsteller zum einen selbst gesungen haben und dass zum anderen die entsprechenden Szenen in voller Länge gezeigt wurden. Man konnte sich zurücklehnen, zuhören und genießen. Ich liebe Phoenix' Stimme! Irgendwann später habe ich auch einmal die Lieder in der Originalversion von Cash gehört und muss sagen, dass sie mir da wesentlich weniger gefallen.
Reese Witherspoon moche ich schon vor "Walk the Line" und finde, dass sie selbst in einer Komödie wie "Natürlich Blond" Tiefe beweist (was übrigens auch der Film tut, von dem ich selbst auch großer Fan bin.) Aber in "Walk the Line" hat sie dem ganzen wirklich noch einmal die Krone aufgesetzt und zu Recht den Oscar bekommen.

"Walk the Line" ist einfach schön, echt und ehrlich,und schon allein wegen der beiden Hauptdarsteller grandios. Steht zu Recht in meinem DVD-Regal! :-)
Anj TEAM sagte am 24.08.2008 um 09:58 Uhr

HEUTE: 24. August 2008, 20:15, RTL

"Walk the Line" im TV! Alle armen Leuten, die diesen wunderbaren Film nicht auf DVD haben, bitte reinschalten! :-)

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