„I know how it looks. But sometimes how it looks, and how it is, are two different things. The truth was in my heart. I followed it.“
In seinem neuen Werk „Super“ steckt Regisseur und Drehbuchautor James Gunn („
Slither“) einen einfachen Diner-Koch ins rote Heldenkostüm, um dessen Ehefrau aus ihrem Verhältnis mit einem fiesen Gangster zu retten und obendrein die Stadt von weiterem kriminellen Unrat zu befreien.
Wenn man sich die Ausgangssituation des Films mal ganz oberflächlich zu Gemüte führt, muss man wohl zu allererst unweigerlich an „
Kick-Ass“, jene blutige Comicadaption von Matthew Vaughn, in welcher ein nerdiger Highschool-Schüler im
youtube-Wahn und Strampelanzug heldenhaft die Sau rauslässt, denken.
Doch zwischen der vorliegenden Arbeit und dem zuletzt genannten Streifen besteht ein himmelweiter Unterschied:
„
Kick-Ass“ ist in seiner aufdringlichen Gewalttätigkeit peinlich und schwindelerregend schlecht, „Super“ hingegen auf seine irrwitzige Art durchaus amüsant und gleichzeitig mit einem unerwarteten Tiefgang ausgestattet.
Es gibt zwei perfekte Momente im Leben von Frank D'Arbo (Rainn Wilson, „
Haus der 1000 Leichen“): Die Heirat mit seiner bildhübschen Frau Sarah (Liv Tyler, „
The Strangers“) und den Augenblick, in welchem er einem Polizisten den Fluchtweg eines Bankräubers nennen konnte.
Davor ist er ein Loser gewesen, auf welchen seine Schulkameraden – im wahrsten Sinne des Wortes - herabgepinkelt haben.
Als die ehemals drogenabhängige Sarah Frank eines Tages verlässt, um bei dem zwielichtigen Jacques (Kevin Bacon, „
Tremors - Im Land der Raketenwürmer“) anzubandeln, verliert der Koch nicht nur seine große Liebe – dieses einschneidende Ereignis verstärkt sein inneres Verlangen nach Gerechtigkeit, so dass sich dieser, nach inspirierendem Studium von Fernsehsendungen und Comicheften sowie der Berührung durch den Allmächtigen höchstpersönlich, im selbstgeschneiderten Heldenanzug auf den Weg macht, um dem Abschaum auf der Straße den Garaus zu machen und seine Angetraute aus den Fängen des Bösen zu befreien.
Die ersten Gehversuche in der Rolle des Rohrzange-schwingenden
Crimson Bolts verlaufen eher schlecht als recht, doch der frischgebackene Rächer verbessert seine Technik langsam und sorgt später sogar auf recht radikale Weise dafür, dass sich Kinobesucher nicht in der Reihe vordrängeln.
Nach einer Verwundung muss Frank allerdings auf die Hilfe der flippigen Comic-Verkäuferin Libby (Ellen Page, „
Hard Candy“) zurückgreifen, um seinen heiligen Kreuzzug weiterführen zu können.
Libby, die ein unstillbares Verlangen nach dem großen Abenteuer packt, wird trotz erster Bedenken zu seinem Sidekick
Boltie.
Zusammen entwickelt das Duo neue Waffen und hinterlässt während der wenig bedachten Rettungsaktion Sarahs eine Spur von Blut und Verwüstung...
Auch wenn James Gunn mit „Super“ inhaltlich wohl kaum einen Preis in Sachen Innovation erhalten wird, macht der ehemalige
Troma-Angestellte und Autor des
„Dawn Of The Dead“-Remakes mit seiner Darstellung eines tragischen Menschen, der sich in seinem krankhaften Tatendrang langsam von der Realität zu verabschieden droht, vieles davon richtig, was sein Kollege Vaughn etwa zeitgleich so famos gegen die Wand gefahren hat.
Keine Frage – auch „Super“ ist streckenweise ganz schön brutal, schwarzhumorig und vereinzelt sogar geschmacklos.
Im Gegensatz zu „
Kick-Ass“ verkommen die Haupt-Charaktere hier allerdings nicht zu hölzern gezeichneten Comicfiguren, sondern sie bleiben mit ihren sympathischen Wesenszügen, wie auch psychotischen Macken, für den Zuschauer irgendwo stets greifbar. Echte Menschen mit echten (wenn auch überzeichneten) Fehlern.
Frank wird eben nicht zum
Crimson Bolt, weil es ihm plötzlich zu langweilig geworden ist, vom iPhone aus über seine großen Geschäfte auf dem Klo zu berichten – sein Beschützerinstinkt seiner Frau gegenüber ist ihm buchstäblich zu Kopf gestiegen.
Trotz der folgenden, völlig irrationalen Gewaltausbrüche im Heldenkostüm, kann man sich dennoch mit seinem edlen Ziel identifizieren.
Obwohl „Super“ ja irgendwie schon auch eine bunte Rächergeschichte ohne zu arg übertriebenen Schnickschnack ist, kommen einem nach Sichtung des Werkes vielleicht doch noch ganz andere filmische Referenzen als der genannte „
Kick-Ass“ in den Sinn.
Ohne nun zu hoch stapeln zu wollen, fühlte sich der Rezensent stellenweise sogar an Klassiker wie den Charles Bronson-Reißer „Ein Mann sieht rot“ (1974), Martin Scorseses Meisterwerk „
Taxi Driver“ (1976) und Paul Verhoevens bissige Zukunftsvision „RoboCop“ (1987) sowie Bill Paxtons packendes Regiedebüt „
Dämonisch“ (2001) erinnert – wenn man deren bitteren Kern anschließend im Popcorn-Maker mit einer dicken Karamell-Glasur überzogen hätte.
Nachdem man sich über die Raserei des
Crimson Bolts und seiner Assistentin amüsiert hat, bekommt der Film eine nicht zu leugnende, traurige Note.
Ist all die Gewalt wirklich notwendig gewesen, wozu hat sie letztlich geführt? Haben wir vielleicht sogar Frank als gemeingefährlichen Psychopathen unterschätzt?
Das Ende schließlich ist ein echter Gewinner. Rührend. Menschlich.
„Super“ schließt zu Tyler Bates' einsamer und dennoch beschwingter Popmelodie mit einem beeindruckend klaren und schönen Monolog, der das vorherige Blutbad zwar nicht auslöscht oder abmildert, aber den Taten zumindest eine Bedeutung zukommen lässt, die über das bloße Heldentum des
Crimson Bolts hinausreichen.
Gunn erfindet mit seiner neuen Arbeit das Kino gewiss nicht neu, aber „Super“ bietet neben gut aufgelegten Schauspielern und einer soliden Inszenierung unter seiner bunten Oberfläche noch eine ungeahnte Wärme, die man eher selten in Filmen dieser Art vorfindet.