„You were my favorite slut.“
Schon seit langer Zeit findet in der Welt der bewegten Bilder ein fortwährender Kampf um die Krone des Quotenkönigs statt. Denn wer erfolgreich ist, sitzt nun einmal ganz oben, während die anderen entweder nonchalant abserviert werden oder ein tristes Dasein im Schatten der übermächtigen Konkurrenz fristen, bis sie schließlich in Vergessenheit geraten. Dass sich hierbei nicht immer Qualität durchsetzt, ist traurig, aber wahr. Vor allem im Kino geht kommerzieller Erfolg fast ausschließlich mit überbudgetiertem Mainstream-Einerlei einher – Originalität und Einfallsreichtum sucht man hier (abgesehen von wenigen willkommenen Ausnahmen) vergebens. Wer nun aber gedacht hat, dass sich derartige Revierkämpfe schlechterdings nur auf den Großbildleinwänden der Lichtspielhäuser verorten lassen, kennt die bittere Wahrheit noch nicht, die sich tagein, tagaus auf dem Fernsehbildschirm in den heimischen vier Wänden abspielt. Der TV-Markt verzeichnet nämlich eine Entwicklung, die hinsichtlich ihrer schicksalshaften Relevanz zunehmend mit derjenigen aus dem Kino gleichzieht, die sich schlicht und ergreifend wenig experimentierfreudig gibt. Ein Drama, das in Serie ging...
Jeder Mensch hat Visionen, so auch der Drehbuchschreiber Mike Klein (David Duchovny). Nach vielen Jahren der Planung steht nun endlich das Drehbuch zu einer Pilotfolge für eine neue Serie, und letzlich hat sich auch ei
n Sender gefunden, der bereit und willig erscheint,
„The Wexler Chronicles“ zu produzieren. Doch schon während der Entwicklungsphase gerät Mike mit der starrköpfigen Präsidentin (Sigourney Weaver) des Senders aneinander, die durch die Grundidee von einem Mann, der den Selbstmord seines Bruders überwindet, irgendwie (wie übrigens auch 82% einer kürzlich in Auftrag gegebenen Umfrage) sehr depressiv gestimmt wird. Dass autobiographische Züge in das Drehbuch eingeflossen sind und die komplette Kernidee der Serie auf dem tragischen Ereignis fußt, interessiert sie im Grunde herzlich wenig. Ausschlaggebend sind nun einmal die harten Zahlen und Fakten. Mike ist der Verzweifelung nahe, hat er doch so viel Herzblut in das Konzept einfließen lassen. Als auch noch der reichlich Probleme verursachende Zach Harper (Fran Kranz) den eigentlichen Favoriten um die Besetzung der Hauptrolle aussticht, sieht der Autor seine Felle bereits vollends davonschwimmen. Der extra eingeflogene Programmchef Richard McCallister (Ioan Gruffudd) versichert jedoch, dass wohl nur wenige Änderungen am Konzept vorgenommen werden und Mikes Intention nach wie vor über allem stehe. Dies beruhigt den gesundheitlich angeschlagenen Autor zunächst, wenngleich das eigentliche Drama mal wieder keinem vorgeschriebenen Drehplan folgt und schon bald unangemeldet vor der Türe steht…
Was uns Regisseur
Jake Kasdan („Nix wie raus aus Orange County“ [2002]), der Sohn von Lawrence Kasdan („
Dreamcatcher“ [2003]), hier mit
„THE TV SET“ auftischt, ist das berühmte zweischneidige Schwert, die sprichwörtliche Münze mit den zwei Seiten. Den satirischen Stilmitteln geschuldet, wirkt das Geschehen nämlich einerseits vollkommen realitätsfern, andererseits auf eine befremdliche Art und Weise ehrlicher als so mancher Enthüllungsroman. Denn die Gegebenheiten, die Kasdan hier bestimmt, wenngleich behutsam seziert, sind nicht vom TV- / Kino-Business abonniert, sondern im Gegenteil in so gut wie jedem anderen Ressort vorzufinden, das erfolgreich werden will. Wer kennt nicht das Fallenlassen von kreativen Ideen zugunsten einer massenorientierten, deutlich unoriginelleren Ausrichtung? Der Hundeblick eines bärtigen
David Duchovny („
Akte X“), der in der Rolle des gebeutelten Drehbuchautors wieder einmal sein Talent für Charakterrollen unter Beweis stellt, ist somit Ausdruck der Enttäuschung von vielen Mitmenschen, die in der Vergangenheit zurückgesteckt haben, um der breiten Masse zu geben, was diese zu verdienen glaubt.
Am Beispiel der Produktion eines Serien-Piloten führt der selbst serienerprobte und damit mit den internen Abläufen bestens vertraute Kasdan eine eigentlich nicht sonderlich beschwerlich wirkende Prozedur teilweise nahe an den Rand der Absurdität, etwa wenn eine so namhafte Serienschöpfung wie „
Slut Wars“ (der „Bachelor“ lässt grüßen!) 19% Marktanteil verzeichnet, während wirklich innovative Neukreationen regelrecht auf den Knien kriechend um Aufnahme in den Sendeplan betteln müssen. So traurig es auch ist: ein Blick in das Fernsehprogramm fördert heutzutage nahezu Ähnliches zutage.
Auf den ersten Blick ist die ihrerseits an eine glatte, langsam voranschreitende TV-Produktion erinnernde Zurschaustellung fernsehinterner Missstände somit einfach nur unterhaltsam. Genaugenommen versteckt sich aber bei der teils zahmen, teils leisen Inszenierung das wirkliche Drama
unter der Oberfläche. Während die Senderinternen rund um eine grandios aufspielende
Sigourney Weaver („
Avatar“ [2009]) einem vormals guten Skript den (ihrer Meinung nach) „letzten Schliff“ verpassen, geht der Autor an dieser Veränderung gesundheitlich fast zu Grunde – nur um am Ende zu erkennen, dass Familienglück doch noch eine Stufe über Quoten und nackten Fakten anzusiedeln ist. Eine Erkenntnis, die für den verantwortlichen Programmchef leider zu spät kommt. Ein Kompromiss ist immer noch besser als eine unsanfte Landung im Papierkorb des Lebens. Insoweit entwickelt sich
„THE TV SET“ gegen Ende von der Satire auch zum waschechten Drama, das von erhoffter Anerkennung und letztendlich überarbeiteten Träumen berichtet. Der Film geriert sich zum Spiegel unserer Gesellschaft. Auch wenn man den Blick in Duchovnys Gesicht kurz vor Beginn des Abspanns lieber abwenden würde, zu sehr kann man darin lesen und muss sich zwangsläufig fragen, ob die TV-Welt trotz eingegangener Kompromisse wirklich so heil daherkommt, wie allenthalben behauptet wird.
Es ist fast schon als Ironie des Schicksals zu bezeichnen, dass
„THE TV SET“ (natürlich völlig ungerechtfertigt) an den Kinokassen eine Bauchlandung hinlegte. Doch Schlechtem wohnt auch immer etwas Gutes inne. Wenn man dem Film nämlich etwas nicht vorwerfen kann, dann ist es mangelnder Mut: einerseits prangert er originell die fehlende Experimentierfreudigkeit TV-Schaffender an und stilisiert deren Vorstellungen zu Karikaturen ihrer selbst, um andererseits mit sowohl leisem Witz als auch gehörig Chuzpe zu überzeugen. Mit dem ausgebliebenen Erfolg an den Kinokassen hält schließlich auch noch ein gesundes Stück Realität Einzug in den tragikomischen TV-Zirkus, denn Qualität setzt sich bekanntermaßen nicht immer durch. So müssen wir am Ende nickend dem Fazit zustimmen, dass ein entlarvender Film, wenn man so sagen will, eigentlich gar nicht konsequenter sein könnte.