Nachdem „Lost“-Creator J. J. Abrams nicht nur dem „Mission: Impossible“-Franchise mit seiner Regiearbeit beim dritten Teil der Reihe wieder neue Impulse verleihen konnte, nachdem John Woo die Serie zuvor mit „
Mission: Impossible II“ gnadenlos havarieren ließ, sondern auch dem „Star Trek“-Universum eine gelungene Frischzellenkur mit „
Star Trek“ und „Star Trek Into Darkness“ verabreichte, in dem er die aufregenden Geschichten um Captain Kirk und Mr. Spock in ein frisches Prequel-Gewand kanalisierte, stand dem New Yorker Multitalent mit seiner Arbeit an „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ nun seine wohl größte Herausforderung bevor. Ob es sich dabei nun um ein Privileg oder doch eher um eine Bürde handelt, die J. J. Abrams zu stemmen hatte, möchte man als Außenstehender nicht wirklich kategorisieren. In jedem Fall hat es der Filmemacher aber gewagt, sich dem Flaggschiff des Fandom anzunehmen und einer gigantischen Anhängerschaft gestellt, die die Enttäuschungen über George Lucas Prequel-Trilogie noch immer nicht ganz verkraftet hat.
Es sollte sich bei „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ um einen Film handeln, der sich wie Balsam um die geschundene Fanseele legt. Dies zu betonen wurden die Verantwortlichen im Vorfeld nicht müde; und nachdem erste Bilder vom Set im Internet auf sic
h aufmerksam machten, auf denen J. J. Abrams nicht vor einem Greenscreen posierte, sondern sich inmitten von handgemachten Modellbauten präsentierte, war die Vorfreude selbstredend schon reichlich angeheizt. Nachdem dann auch der Trailer die Erwartungen innerhalb von gut zwei Minuten noch einmal ins Astronomische potenzierte, sah man sich wie so oft mit einem selbstgesteckten Problem konfrontiert: Der eigenen Erwartungshaltung. Doch egal, wie extrem man sich von „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ endlich wieder einen ECHTEN Star-Wars-Film ersehnt hat – J. J. Abrams kann sich nun endgültig als Künstler definieren lassen, der zu seinem Wort steht. Diese Episode VII ist genau das Werk geworden, welches man sich als Fan des Franchise so inständig gewünscht hat.
Mit der glattpolierten Digitaloptik eines „Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung“ und Co. hat „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht nichts mehr gemein. J. J. Abrams hat erkennbaren Wert darauf gelegt, die Physis zurück ins „Star Wars“-Universum zu bringen, was nicht nur bedeutet, dass wir uns über den abgenutzten Look der Sternenjäger, Frachter und Raumstationen erfreuen können, der uns an das verbogene Metall eines „
Krieg der Sterne: Episode IV - Eine neue Hoffnung“ gemahnt. Die Charaktere sind wieder aus Fleisch und Blut, sie leiden, mühen ihre abgekämpften Körper durch die Wüste, durch den Wald, über das Eis – und handeln auch mal aus eigennützigem Antrieb. Mit Finn (John Boyega, „
Attack the Block“), Rey (Daisy Ridley) und Poe Dameron (Oscar Isaac, „
A Most Violent Year“) bekommen wir Figuren, die sich irgendwann auch in die Ahnengalerie der Serie einreihen dürfen, um ihren rechtmäßigen Platz neben Han Solo (Harrison Ford, „Jäger des verlorenen Schatzes“), Luke Skywalker (Mark Hamill, „Kingsman: The Secret Service“) und Ben Kenobi (Alec Guiness, „
Der kleine Lord“) einzunehmen.
Bereits der Auftakt beweist, mit welcher Klasse „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ seine Figuren einzuführen versteht: Während sich der neue Maskenbösewicht Kylo Ren (Adam Driver, „Inside Llewyn Davis“) anfangs als gewissenloses Monstrum darstellt, welches den Genozid an der Zivilbevölkerung des Planeten Jakku veranlasst, verbirgt sich hinter einer Sturmtrupplermontur Finn, der bereits im Kindesalter von der First Order (einem neuen Konzept des Imperiums) rekrutiert wurde, aber nicht in der Lage ist, dem Mord an Unschuldigen auf Kommando beizuwohnen: Sein mit blutverschmierter Held inmitten eines regelrechten Infernos zählt wahrscheinlich zu den eindrucksvollsten Bildern, die das „Star Wars“-Franchise insgesamt hervorgebracht hat. Dass in Finn die helle Seite der Macht stärker als die dunkle ist, steht außer Frage, doch in erster Linie geht es ihm darum, sich nur möglichst schnell möglichst weit von den finsteren Fängen der First Order zu distanzieren – und da stößt er auf den renommierten Renaissance-Piloten Poe und seinen quirligen, mit brisanten Informationen ausgestatteten Astromechdroiden BB-8.
Noch besser aber gefällt Rey, eine drahtige Schrottplünderin, die sich auf dem von Krieg gebeutelten Planeten Jakku eigenständig beigebracht hat, wie man auf eigene Faust überlebt. Ihre Figur birgt das unbändige Potenzial in sich, die Rolle des Luke Skywalker zu beerben, „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ jedenfalls veranschaulicht sie als eine so renitente wie smarte Persönlichkeit, die die Macht in sich trägt und nur einen Stimulus benötigt, um sich dessen in dieser identitätslosen Zeit (die Jedi-Ritter respektive der galaktische Bürgenkrieg werden für Mythen gehalten) gewahr zu werden. Dass sich dazu auch ein Kylo Ren weniger als erbarmungsloser Antagonist entpuppt, sondern als innerlich zerrissenes und letztlich zu beeinflussbares Kind, auf dessen Helm der gesamte Kampf von Gut gegen Böse farbdramaturgisch festgehalten wird, stellt nur noch weiter unter Beweis, dass das Drehbuch von „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ den Basiskoordinaten des Originals die unbedingte Treue geschworen hat.
Zurück zum Ursprung der Mythologie aber scheint indes nur auf den ersten Blick bisweilen die Devise gewesen zu sein. Ohne Frage, „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ bereitet reinrassigen Fanservice auf, mit jeder Menge Easter Eggs, Querverweisen und cineastischen Referenzen versehen. J. J. Abrams aber ist in der Lage, seine Star-Wars-Revitalisierung mit einer Eigendynamik durchströmen zu lassen, die sich aus der Synergie des hintergründigen Wissens des Zuschauers und der hier dargebotenen neuen Zeitrechnung zusammensetzt: Nostalgie verkommt hier keinesfalls zum Deckmantel, unter dem es sich zu verstecken gilt. Das Alte umrahmt vielmehr das Neue und lässt den offenherzigen Fan sowie den unberührten Neuling über gut 140 Minuten auf einer eskapistischen Wolke durch das innig geliebte Universum im interstellaren Raum treiben, welches einst so bahnbrechend, stilprägend und liebevoll mit „Krieg der Sterne“ von George Lucas initiiert wurde. Man kann J. J. Abrams für diesen Siegeszug wahrlich nur gratulieren.
Cover & Szenenbilder: © 2015 Walt Disney Studios Motion Pictures