Ein alter, erschöpft wirkender Mann legt sich zu Bett, dann rotiert eine Kamera im einsamen Wald und schließlich wird Weiß auf Schwarz der Titel des Filmes eingeblendet. Ich muss zugeben, dass ich nach solch einer Eingangssequenz mit absolutem Trash gerechnet habe – im besten Falle unterhaltsam. Aber manchmal wird man ja doch noch positiv überrascht:
Soft for Digging hat meine Erwartungen weit übertroffen... und mich trotzdem ein wenig enttäuscht.
Im ersten Kapitel - denn in solche ist der Film eingeteilt - lernen wir unseren Protagonisten kennen, einen mitten im Wald lebenden, alten Mann namens Virgil, dessen einzige Gefährtin seine unsagbar untreue Katze darstellt. Gleich zu Beginn läuft das kleine Fellknäuel weg, und Virgil gelingt es auch mit einer Quietschmaus nicht sie wieder anzulocken.
Auf der Suche nach dem Stubentiger irrt der alte Mann durch den Wald, während wir als ZuseherInnen dank der raffinierten Kamera-Einstellungen ein Gefühl für die Weite, aber ebenso für die Einsamkeit des Forstes bekommen, und dabei auch Virgil emotional näher kommen. Die melancholisch und unaufdringlich unheimliche Musik verstärkt die Wirkung der Bilder gezielt. Ganz alleine scheint Virgil dann allerdings doch nicht zu sein, in der Ferne sieht er ein Mädchen, welches sich über ein weißes Bündel beugt, und einen Mann. Er folgt den beiden tiefer in den Wald, und muss schließlich mitansehen, wie der Mann das Kind erwürgt – sowoh
l der Protagonist, als auch wir sehen dabei nur die zuckenden Beine der Heranwachsenden: Für mich schlimmer als die meisten direkten Gewaltdarstellungen.
Natürlich benachrichtigt Virgil die Polizei, doch obwohl sich alle AnwohnerInnen an der Suche beteiligen, kann das Mädchen nicht gefunden werden – der Wald ist groß, und dementsprechend schlecht sind die Chancen. Einstweilen wird die Suche abgeblasen, zu aussichtslos erscheint das Unterfangen. Außerdem ist der einzige Zeuge ein wunderlicher alter Mann, vielleicht spinnt er sich das ja auch alles nur zusammen.
Dieser feiert indessen ganz alleine Weihnachten, und beschert uns damit einige der rührendsten Szenen des Films. Wenn Virgil es, obwohl ihn natürlich niemand beobachtet, geradezu verstohlen mit dem Whiskey für den Punsch übertreibt, dann erreicht sein Charakter wesentlich mehr Tiefe als die Protagonisten so mancher großer Produktion – es sind halt die einfachen Dinge, die wirklich zählen. Und wenn er schließlich betrunken in einem Stuhl vorm Kamin einschläft, dann ist seine Einsamkeit schon fast greifbar.
Einige Tage später stößt er durch Zufall auf die Leiche des Mädchens. Die Suche war deshalb erfolglos, weil der Mörder das Kind kurzerhand vergraben hat. Virgil ruft abermals die Polizei, die zwei Beamten heben auch kurzerhand ein Loch aus... doch vom Kadaver ist plötzlich keine Spur mehr. Hat Virgil sich vielleicht doch alles nur eingebildet? Vor allem die Polizei scheint dies zu glauben, einer der Beamten lässt unserem Helden sogar ein Werbeprospekt für ein Altersheim zukommen.
Den alten Mann plagen von nun an schreckliche Alpträume. Deren filmische Qualität schwankt allerdings stark: Während einige an billige, amerikanische Nachahmungen mittelmäßiger japanischer Horrorstreifen erinnern, erreichen andere die Qualität von Silent Hill – und ich meine nicht den
Film, sondern die bis Teil 3 geniale Videospielreihe. Die kurzen Ausschnitte von Kinder-Alltag im Zeitraffer, die mit herrlich verstörender Musik unterlegt sind, können im ansonsten ruhig geschnittenen, gemächlichen
Soft for Digging ihr ganzes Potential entfalten.
Schließlich entdeckt Virgil im Prospekt für das Altersheim auch eine Anzeige für ein Waisenhaus... und am Fenster steht niemand anderes als das tote Mädchen. Der alte Mann macht sich auf das Rätsel ein für alle Mal zu lösen...
Das Ende wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten, allerdings will ich darauf hinweisen, dass es in höchstem Maß enttäuschend ausfällt, die Qualität des restlichen Filmes kann hier nicht gehalten werden. Die herrlich offene Struktur – schenken wir Virgil nun Glauben oder nicht? - wird zerstört, und wirklich Sinn ergibt das Finale auch nicht.
Sehr Schade, denn bisher wurde vieles richtig gemacht: Die wenigen Darsteller können überzeugen, vor allem Edmond Mercier beweist als Virgil Talent. Leider ist dies bisher seine einzige Rolle geblieben. Die Kraft der Bilder wurde bereits angesprochen, ebenso die kunstvolle Klanguntermalung. Deren eindrucksvolle Wirkung ist auch darauf zurückzuführen, dass im Film oft Stille herrscht – gerade gesprochen wird äußerst wenig, vom Finale abgesehen hören wir kein einziges Wort. Dementsprechend ist die Atmosphäre, trotz der vielen Klischees wie dem einsamen Wald, dem toten Mädchen, dem alten Waisenhaus, äußerst dicht. Und genau davon lebt der Film, auch wenn die Handlung letzten Endes unbefriedigend ausfällt.
So bleibt
Soft for Digging ein interessantes, kleines Experiment. Schade, denn mit besserem Drehbuch hätte der Film zum Geheimtipp avancieren können – aber es hat halt nicht sein wollen.
Chill-Skills:
Wackelige Kamera: 7 (Nicht ganz Blair Witch Project, aber die Richtung stimmt)
Splatter-Anteil: 1 (Ein normaler Bluttest involviert mehr roten Lebenssaft)
Gruselfaktor: 6 (Wenn die Stimmung greift, dann richtig)
Gruselige Kleinkinder-Bonus 8 (Ließe sich nur noch durch asisatische Kinder toppen)
Filmfehler-Anteil: 1 (Das Drehbuch nicht in den Aktenvernichter zu stecken!)