„Great googa-mooga!”
Majestätisch bewegt sich ein gigantischer Meteorit durch die unendlichen Weiten des Weltraums und schlägt kurz darauf weniger majestätisch, dafür aber umso mehr Staub aufwirbelnd in der Wüste von Arizona auf. Die Begeisterung der Lehrer Ira Kane (David Duchovny, „
Akte X“) und Harry Block (Orlando Jones) schlägt mindestens ebenso hohe Salti wie das beim Aufprall des Meteoriten versehentlich in Mitleidenschaft gezogene Auto des Brandbekämpfers Wayne Green (Seann William Scott), der zufällig beim Aufprall zugegen war. Ira sieht schon bald seine Chance, dem tristen Lehrerdasein zu entfliehen und den Nobelpreis für diesen durchaus spektakulären Fund zu kassieren, vor allem, da sich bei eingehender Untersuchung Einzeller nicht irdischen Ursprungs zu Tage fördern lassen. Leider bewahrheitet sich jedoch nicht der bekannte Spruch, dass alles Gute von oben kommt. Nur allzu schnell müssen die Wissenschaftler nämlich feststellen, dass diese neuartigen Lebensformen die ansonsten Jahrmillionen andauernde Evolution innerhalb weniger Tage durchleben.
So sind es bald nicht mehr nur kleine außerirdische Einzeller, sondern die jeweils nächsten Entwicklungsstufen der Amphibien, Säugetiere und Primaten, die der Menschheit das Leben schwer machen. Das außerirdische
Ökosystem breitet sich unaufhörlich und ohne Rücksicht auf Verluste aus, was bald das Militär mit obligatorischer Waffengewalt auf den Plan ruft. Doch mit Waffengewalt alleine lässt sich der außerirdischen Invasion nicht Herr werden. Ira Kane, Harry Block, Wayne Green und die etwas schusselige Alien-Forscherin Allison Reed (Julianne Moore) machen sich im Alleingang auf, den Sieg der Aliens, welche getreu der Darwin’schen Selektionstheorie „survival of the fittest“ agieren, zu verhindern.
Die
Panspermia-Hypothese, die von einigen wenigen Wissenschaftlern vertreten wird, besagt kurz gesagt, dass das Leben auf die Erde gelangte, indem sich einfache Lebewesen über große Strecken durch das All bewegten (zum Beispiel auf Meteoriten) und irgendwann auf vorher leblosen Planeten landeten. Sicherlich ist diese Meinung sehr umstritten, wirft sie doch drei eklatant wichtige Fragen auf: Wie überhaupt kann Leben ins All gelangen, dort überleben und letztlich auch noch einen nicht gerade unspektakulären Aufprall auf dem Planeten unbeschadet überstehen? Drehbuchautor
Don Jakoby faszinierte diese Idee trotz aller Widersprüche und berechtigter Zweifel an ihrer Tragfähigkeit. Der Schöpfer der absurd-komischen Spinnenplage „
Arachnophobia“ [1990] entwickelte in Eigenarbeit ein erstes Skript, welches Regisseur
Ivan Reitman in die Hände geriet. Dieser, schon lange ein Fan von klassischen Sci-Fi-Thrillern, mochte diese etwas andere Art, von einer außerirdischen Invasion zu erzählen. Doch der Haken war: Ivans Filmsprache war und ist seit jeher die Komödie und Jakobys Originalskript leider Gottes auf einen Action-Thriller gemünzt gewesen. Eine Wandlung musste her. Und so entwickelte sich der vormals Action-Thriller unter Beibehaltung der wissenschaftlichen Theorien zu einer waschechten Action-Komödie, was gewissermaßen auch einer Evolution gleichkommt, wenn auch im kleinen Rahmen.
Es liegt nicht fern, in der Story einen groben, modernen Abklatsch von Ivan Reitmans Megahit „Ghostbusters“ aus dem Jahre 1984 zu sehen. Damals wie auch heute machen sich vier Unerschrockene auf, eine nicht menschliche Bedrohung aufzuhalten, und beide Male sitzt Ivan Reitman im Regiestuhl. Doch hier enden auch schon die Parallelen. Denn war „Ghostbusters“ in erster Linie ein zynischer, unkorrekter Spaß mit viel Glibber und skurrilen Einfällen, wirkt
„EVOLUTION“ eher wie der etwas zu krampfhafte Versuch, an Erfolge wie „Men in Black“ [1997] anzuknüpfen. Daher erscheint es auch nicht verwunderlich, dass eine der Hauptrollen mit einem Alien-Veteranen besetzt wurde. Kenner werden in dem berühmten Hundeblick von David Duchovny immer den Agenten Fox William Mulder aus „Akte X“ sehen, wenngleich der Regisseur vehement bestreitet, Duchovny lediglich auf Grund seiner Rolle in der Kultserie ausgewählt zu haben. Trotzdem sind unverkennbar einige (wirklich unbeabsichtigte?) Anspielungen auf Duchovnys frühere Rolle im Film zu entdecken, und natürlich darf auch hier die Regierung dubiose Machenschaften verfolgen. Selber entdecken und schmunzeln, lautet die Devise.
Eine Alieninvasion lebt natürlich nicht nur von menschlichen Charakteren, weshalb es immer wieder in den Händen der Special-effects-Crew liegt, schier unvorstellbare Bilder am PC zu generieren. Für sein 80 Mio. Dollar-Projekt konnte Reitman als Visual Effects Supervisor
Phil Tippett gewinnen, der zuvor unter anderem die Dinosaurier in Steven Spielbergs Blockbuster „
Jurassic Park“ [1993] erschaffen hat. So lässt sich schon in etwa erahnen, welche Qualität die Effekte haben, ohne den Film überhaupt gesehen zu haben. Rund 80 Prozent der wirklich gelungenen Effekte (geflügelte Kreaturen, Spinnen, eine riesige Amöbe und etliches anderes Getier) wurde auf digitalem Weg von den
Tippett Studios hergestellt, der Rest wurde, basierend auf Designs aus den Tippett Studios, von den Effektstudios
PDI/Dreamworks und
Sony Imageworks generiert, so zum Beispiel der Meteorit gleich zu Beginn des Films. Hier lässt sich wirklich nichts bemängeln, die Effekte sind durchgehend „State of the Art“ und zum Teil viel besser als manches, was man heutzutage in um ein Vielfaches teureren Produktionen vorgesetzt bekommt.
Erstaunlicherweise krankt der Film gerade an dem, was Ivan Reitman sonst zuvor so vorzüglich gelang: Humor! War in „Ghostbusters“ hauptsächlich Bill Murray für den Witz zuständig, „verlässt“ sich
„EVOLUTION“ leider nur allzu oft auf eine Krankheit, die die Filmlandschaft schon länger heimsucht und auf den Namen „Fäkalhumor“ hört. Wo sind all die liebevollen Wortspiele und coolen One-Liner, die 1984 die Geisterjagd so unterhaltsam machten, ohne zu albern zu wirken? Auch das Quartett Duchovny/Jones/Moore/Scott hätte ohne Zweifel genügend Potential für einen durchgehend unterhaltsamen Film geboten, wie einige, wenige Szenen belegen. Doch scheinbar war Reitman zu sehr vom Erfolg von dem schlüpfrigen „American Pie“ [1999] oder dem derben „Road Trip“ [2000] beflügelt, denen er als Produzent beiwohnte, dass er die dort benutzte Art von „Humor“ – über diese Bezeichnung lässt sich freilich streiten! – auch für seine Sci-Fi-Komödie verwenden wollte. Die rektale Entfernung eines außerirdischen Parasiten nebst schmerzverzerrtem Gesicht und weitaufgerissenen Augen des Patienten ist noch mit das Harmloseste. Von dem späteren Einlauf mittels Feuerwehrschlauch, der einer riesigen Amöbe gelegt wird- ...doch lassen wir das lieber.
„EVOLUTION“ zeigt ohne Zweifel, dass eine Alieninvasion auch ihre lustigen Seiten haben kann, was vor allem dem gutaufgelegten Schauspielerensemble und den tollen Effekten zu verdanken ist. Doch hätte manche Derbheit aus dem Drehbuch besser durch einen Schonwaschgang beseitigt werden sollen. So ist der Film zwar bis zu einem gewissen Grad durchaus unterhaltsam und nett anzusehen. Eine humoristische Weiterentwicklung ist er entgegen seines Titels nicht. Braucht halt alles eine gewisse Zeit.