In einer dunklen Nacht versinkt der Frachter Eiko-Maru unter ungeklärten Umständen nahe der Insel Odo. Das zur Rettung kommende Schiff Bingo-Maru wird ebenfalls versenkt. Auch ein drittes Boot, ein Fischkutter, kann zwar Überlebenden an Bord holen, trifft aber das gleiche Schicksal. Die Bewohner der Insel Odo hören von ihren Alten eine Geschichte: früher opferte man junge Frauen, um den Godzilla zu besänftigen, der normalerweise im Meer lebt und sich von Fischen ernährt. Und tatsächlich: ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Yamane stößt auf den erwachten Godzilla, der von anhaltenden Atomversuchen geweckt wurde. Natürlich bewegt sich Godzilla in einer Welle der Zerstörung auf Tokyo zu, und damit beginnt die größte Monstersaga die das Kino jemals gesehen hat...
Inspiriert einerseits von wahren Ereignissen (ein japanischer Kutter geriet zu nahe an einen Atombombentest und seine Besatzung wurde verstrahlt), den Ereignissen der Vergangenheit (Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima) sowie amerikanischen Genrefilmen (
Panik in New York) schufen die Toho Studios zusammen mit Regisseur Ishiro Honda nicht nur einen Film, sondern tatsächlich einen Meilenstein der Popkultur und des japanischen Kinos: GODZILLA! Ursprünglich als Oktopus geplant (der in späteren Filmen zu Ehren kommen sollte) verlegte man sich auf einen mutierten Riesensaurier, der jedoch nicht etwa in teurer Stop-
Motion-Technik, sondern in sogenannter Suitmation um das wahrlich Böse zum Leben zu erwecken. Godzilla wurde ein Hit, die Amerikaner drehten extra (sinnbefreite) Szenen für ihren Markt nach, und auch die deutschen Verleihe kauften die Filme und bedankten sich mit kruden deutschen Titeln voller Frankensteins.
Und doch spielt das Titelmonster eigentlich nur eine Nebenrolle. Insofern ist der Film eigentlich selbst in der eigenen Filmreihe quasi einzigartig, da es ihm hier wirklich noch um die menschlichen Charaktere geht, und etwa nicht um die üblichen Monster, die sich regelmäßig kloppen während die leidlich interessanten Szenen mit Menschen nur der Überbrückung dienen und oft eine wahnwitzige Geschichte zu erzählen versuchen. Aber hier ist es eigentlich fast genau andersrum: über weite Strecken ist Godzilla nur Mittel zum Zweck, die Bedrohung im Hintergrund mit ohnehin wenig Screentime, die das Drama der menschlichen Charaktere vorantreibt. Und eben jenes ist vollgepackt mit menschlichen und zwischenmenschlichen Konflikten: der Wissenschaftler, der an seiner eigenen Erfindung zweifelt, der Forscher der Godzilla nicht töten will und sich mit dem Militär streitet, das junge Paar das in verkrusteten japanischen Traditionen nicht zusammensein darf, und viele mehr. Ist jetzt natürlich auch nicht so, dass man noch Jahre später die Geschichte problemlos zusammenreimen kann, aber immerhin will man nicht sofort zur Spultaste greifen, wie bei anderen Filmen der Reihe.
Natürlich kann man den Streifen dann als das anschauen, was er vordergründig ist: ein Monsterstreifen. Godzilla macht Städte platt, Menschen wollen etwas dagegen unternehmen, und alles läuft auf den Showdown hinaus. Aber – und da erzähle ich sicherlich nichts neues mehr – ist Godzilla auch ein Kind seiner Zeit; eine Verarbeitung der Traumata von Hiroshima und Nagasaki; eine Allegorie auf die atomare Bedrohung; und auch ein kleines Plädoyer für den Frieden, da dieser atomaren Bedrohung mit Feuerkraft nicht beizukommen ist. Diese Botschaft bzw. dieser Subtext schwankt munter zwischen „versteckt“ und „mit dem Holzhammer“, stört aber den Genuss des Filmes auf keinen Fall. Zumindest kann man immerhin festhalten, dass dieser Film noch keiner der absolut hohlen und sinnbefreiten Monsterklopper ist, die einiger seiner Nachfolger dann waren; auch wenn einige von ihnen auch eine Botschaft transportieren wollten, aber dazu mehr vielleicht an anderer Stelle.
Die Filme rund um den großen Grünen (nicht zu verwechseln mit Jabba the Hut) sind ja auch berühmt für ihre häufig debile Tricktechnik: Menschen in Gummikostümen stampfen Legostädte nieder und lassen sich von Spielzeugpanzern beschießen. Irgendwo ist diese Übersteigerung sicherlich berechtigt; Kritiken, die beim Godzilla-Erstling schreiben, dass die Effekte super sind und keine Spur von Spielzeug zu sehen ist, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, den Film durch die rosarote Fanboy-Brille zu sehen. Denn natürlich sieht man den Modellen ihr Modell-Sein an. Natürlich sind die Flugzeuge, Panzer und Schiffe Plastikspielzeuge (erstere mit beeindruckend sichtbaren Fäden). Und natürlich ist gerade der erste Auftritt Godzillas, der Blick über den Berg nicht sonderlich gruselig. Aber das gehört nunmal auch irgendwo dazu, das sorgt für dieses leichte Grinsen und nicht zuletzt für die wohligen Kindheitserinnerung, wo man sich von solchen Tricks noch beeindrucken lässt. Und mehr Seele als in einer CGI-Orgie neueren Datums steckt fraglos auch drin. Gerade bei dem großen Angriff auf Tokyo kann die düstere und gelungene Schwarz-Weiß-Fotografie aber auch einige Drähte, Modelle und Reisverschlüsse verdecken, so dass in dieser zentralen Szene die Tricks dann doch über weite Strecken funktionieren.
Durch diese Schwarz-Weiß-Fotografie kann man Godzilla ein Bedrohungspotential auf keinen Fall absprechen. In diesem ersten Film ist Big-G weder Freund aller Kinder, noch Beschützer der Erde – wie auch, es gibt weder die typischen Aliens, noch andere Riesenmonster, mit denen sich Godzilla kloppen darf. Hier stampft Godzilla noch vielmehr als Urgewalt auf Tokyo zu, unaufhaltsam und unerbittlich. Menschen sterben, die Nachwirkungen werden thematisiert, und so überhaupt hält die kindliche Freude an Zerstörungsorgien an Modellstädten in diesem Film noch so gar keinen Einzug. Auch muss Godzilla die Mätzchen der späteren Filme noch nicht mitmachen, das Monster darf seine Würde behalten und somit kann man den Streifen über weite Teile auch als eine Art Monsterhorrorfilm sehen. Darüberhinaus bleibt der Film auch ziemlich in der Realität verankert, soweit man das über einen Film mit einer mutierten Riesenechse sagen kann: bis auf den Oxygen-Zerstörer bleibt das Geschehen über große Strecken realistisch und damit auch immer im weitesten Sinne „möglich“. Die Militärs benutzen auch einigermaßen vernünftige Pläne wie mit den Stromreihen, und nicht den üblichen Wahnwitz späterer Teile.
Letztendlich ist Godzilla wahrlich ein Klassiker im besten Sinne. Wohl kaum ein Kind bzw. inzwischen Erwachsener kennt die große grüne Echse mit einem Faible für japanische Städte nicht. Nach diesem klasse Erstling trat Godzilla einen quasi unvergleichlichen Siegeszug an, es folgten allein 27 weitere japanische Produktionen, ein amerikanischer Namensmissbrauch, zahlreiche Spielzeuge, Comics und Videospiele. 2004 erhielt Big-G sogar seinen eigenen Stern auf dem Walk-of-Fame, als einer von drei fiktionalen Charakteren bekam er von MTV einen Lifetime Achievement Award, und auch wenn im Ausland kaum noch Filme ins Kino, drehten die Japaner munter weiter und ließen sich dabei oft sogar etwas neues einfallen – und verließen sich Toho sei Dank auf die Suitmation, in den moderneren Streifen durch gezielte CGI unterstüzt.
Denn auch wenn man die Filme für lächerlichen Kinderkram hält: der erste ist wirklich gut und ein Stück Kinogeschichte.
In diesem Sinne:
Stomp Tokyo!