Um die "Dem-ist-auch-nichts-zu-doof"-Reihe zu einem würdigen Tiefpunkt zu bringen, tut es natürlich kein Italoschmumpf, kein klebriger Teeniefilm, kein krachlederner Söldnerfilm: Für den wirklichen Bodensatz müssen wir uns schon in die Welt der Bahnhofskinos begeben. Vor dem Videorekorder fand ja jeder noch so hanebüchene Schwachsinn seinen Weg in ein Schuhschachtelkino, sei es der dreiundzwanzigtausendste Kung-Fu-Film aus der Shaw-Schmiede oder einer der so beliebten (die Frage "bei wem?" überlassen wir seriöseren Sozialstudien) italienischen Gefangenenlagerfilme. Und wenn schon niedere Instinkte angesprochen werden, dann kann man auch ein paar Pornostreifen nachlegen. Was muß es umständlich gewesen sein, für ein bißchen nackte Haut extra den Weg ins Kino anzutreten und sich dann dort das sportliche Herumgebalze auch noch in Spielfilmlänge ansehen zu müssen.
Bei dem vorliegenden Streifen mit dem kreativen Titel EIN HEISSER EISLUTSCHER handelt es sich aber nicht etwa um einen angestaubten 08/15-Porno. Von wegen! Es handelt sich um einen angestaubten 08/15-Porno, den der Videoverleih zum Softsex-Gerangel schnitt, um den Film als "prickelnde Sexkomödie" zu verkaufen. Während die Faszination beim Fund solch beknackter Unglaublichkeiten nicht übertragbar scheint, schreibt es mir die Rezensentenpflicht doch vor, einige Worte über diesen Film zu verl
ieren, den wahrscheinlich kein weiterer Mensch im Laufe der Geschichte mehr sehen wird.
Da fällt zunächst einmal die Wahl der Trailer auf der VHS-Kassette auf. Zunächst wird eine Mario-Puzo-Verfilmung namens ZEIT ZUM STERBEN angepriesen, in der offenbar sehr viele Menschen das Zeitliche segnen. Danach gibt es einen Clip zu einem Film namens SARDISCHE BLUTRACHE, in dem ebenfalls sehr viel geschossen wird, obwohl uns ein Sprecher jovial erklärt: "Es darf gelacht und geschmunzelt werden". Welch Rückschlüsse die Wahl der Trailer auf das Zielpublikum oder auf zusammenhängende Bedürfnisse zuläßt, wage ich nicht zu beantworten, aber lasse es gerne als großes, über uns schwebendes Fragezeichen im Raum stehen. Wenigstens sehen wir gleich danach einen Trailer für eine prickelnde Sexkomödie - nämlich exakt den Film, den wir uns jetzt ansehen werden! Der Verleiher traut dem Kunden wahrscheinlich viel zu, aber Verstand kann dabei nicht im Spiel sein.
Und schon rollt das - räusper - Spektakel über den Schirm. Der Titel ist dabei ein wenig irreführend: Es gibt kein einziges Eis im Film, so richtig heiß ist es angesichts der mies abgefilmten Begegnungen auch nicht, und gelutscht wird vielleicht in der Hardcore-Fassung, aber nicht hier. Bleibt uns also nur die spannende Handlung: Ein Schriftsteller fühlt sich von seiner Ehefrau, die immer sehr erschüttert von feministischen Seminaren nach Hause kommt, sexuell vernachlässigt und läßt sich von einer drallen Blondine eine Art Porno-Pay-TV andrehen. Die Verkäuferin läßt sich bei der Demonstration ihres Produkts zwar ein wenig unmotiviert ausziehen und begrapschen, will aber eigentlich nur fernsehen.
Der Schriftsteller fühlt sich von seinem Neuerwerb nun sehr inspiriert und träumt von einem alten Lustgreis, dessen Odyssee durch die Stadt ihn zu diversen willigen Damen führt, denen er gerne einfach nur zusehen möchte. Bei zwei schicken Schicksen in einer Kunstgallerie hat er Glück, schaut sich ein wenig das Gerangel an und schläft dann ein. "Er ist tot!", kreischt eine der Frauen entsetzt. "Nein", beruhigt sie der Assistent des schlummernden Herren: "Er hat das Problem, daß er, wenn er erregt ist, immer einschläft". Probleme aus dem wirklichen Leben, quasi. Übrigens balzen die beiden Kunst-Girls nur deswegen herum, weil sie Geldprobleme haben und sich Opa recht erkenntlich zeigt - ein Moment, der uns ob seiner ernsten Fragestellung zum Thema Kunst und Prostitution sehr nachdenklich stimmt.
Zum Glück flötet der Assistent bald mit Opas Frau herum, wodurch der alte Herr seine Lebenskräfte wieder entdeckt und selbige in einer (nicht in der vorliegenden Fassung) ausufernden Orgie feiert. Zapp, schon sitzen wir wieder mit dem Schriftsteller auf der Couch, der sich noch ein bißchen das Fernsehprogramm ansieht. Ich will ja nicht unbedingt verraten, wie die hochdramatische Handlung ihren Höhepunkt (man beachte den gekonnten Einsatz ambivalenten Vokabulars) findet.
Komisch, wie auf der Videobox angepriesen, ist an dem Film übrigens gar nichts - es sei denn, man findet nackte Frauen irgendwie intrinsisch komisch. Sexy ist nun auch wirklich nichts daran, weil die Abfilmerei so schrottig vonstatten geht, daß man immer nur vom Fernseher zurückschreckt, wenn mal wieder der Lustopa beim Zusehen in Fischaugenoptik Grimassen schneidet. Vielleicht hätte eine vollständige Fassung dieser Fleischbeschau wenigstens den wenigen Sinn, den sie eventuell einmal gehabt hat, erhalten, aber das ist eine Spekulation, der wir nicht länger als unbedingt nötig nachhängen werden.
Warum, höre ich die Leserschaft jetzt fragen, schaue ich mir diesen Schrott überhaupt an? Ganz einfach: Damit ihr das nicht tun müßt.