Hierzulande wird man beim Namen “The Ring” höchstwahrscheinlich als allererstes an den Film mit Naomi Watts denken. Genau genommen handelte es sich bei dem 2002 entstandenen Schocker über ein mysteriöses Video, das sieben Tage nach dem Ansehen den Tod zur Folge hat, jedoch lediglich um ein US- Remake eines sehr erfolgreichen japanischen Horrorthrillers namens “Ringu”, der bereits vier Jahre vor dem populären Hollywood- Gruselhit auf dem Markt erschien und in Deutschland nur den Status als Geheimtipp inne hat. Jener Streifen schwappte 1998 die bis heute anhaltende Welle von fernöstlichen Schockern nach Europa, die im gesunden Jahrestakt von den amerikanischen Kollegen neu aufgelegt werden. “The Grudge”, “Dark Water”, “The Eye“, “Mirrors” und wie sie alle heißen. Den Klassiker unter dieser Spezies stellt aber nach wie vor “Ringu”- subtiler Horror vom Feinsten, bei dem sich einem die Fingernägel kräuseln…
Die Story, sofern sie dem Leser noch nicht bereits bekannt ist, kurz zusammengefasst: Eine Reporterin untersucht in Tokio den mysteriösen Tod zweier Teenager. Angeblich soll ein Videoband dafür verantwortlich sein, welches jeden, der es sieht, nach genau einer Woche umbringt. Auf dem Band sind rätselhafte Bildfragmente enthalten, die auf den ersten Blick keine Bedeutung zu haben scheinen. Doch die Reporterin recherchiert und stößt auf eine grausame Legende, die von einem Mädchen erzählt, auf dem aus der Vergangenheit e
in Fluch lastet. Inzwischen ist Eile geboten: Denn der Sohn der Reporterin hat das Video ebenfalls gesehen…
So weit, so gut. Die Handlung von Original und Remake ist identisch, auch wenn sich der Verlauf der Geschichte in beiden Fällen unterschiedlich gestaltet. Insgesamt betrachtet ist “Ringu” strammer erzählt und hält sich nicht großartig mit nebensächlichen Storyfäden auf. Zwar ist der dramaturgische Ablauf äußerst ruhig, doch Regisseur Hideo Nakata konzentriert sich eben auf das Wesentliche. Das heißt nicht, dass “Ringu” im direkten Vergleich mit seinem Pendant “The Ring” zwingend der bessere Film ist. Das liegt im Auge des Betrachters. Doch sowohl inhaltlich als auch optisch gibt es Unterschiede. Das Original besticht durch düstere, unheilvolle Bilder und ein herrliches Spiel mit Ausleuchtungen. In einigen Sequenzen verdunkelt Nakata bewusst bestimmte Räume auf der Leinwand, um den Effekt zu erzielen, dem Zuschauer eventuelle Vorkommnisse visuell vorzuenthalten, und überlässt ihm selbst die Interpretation, was denn da im Finsteren so lauert. Eine ungemeine Wirkung hat auch der bedrohliche Einsatz von Toneffekten, der gleich von Beginn an für eine leichte, unbehagliche Gänsehaut am ganzen Körper sorgt.
Nakata steigert die Spannung behäbig, lässt seine Schauergeschichte lange auf der Schiene eines Krimi- Puzzles laufen. Immer mehr Informationen fügen sich schließlich zu einem runden Bild zusammen, so dass “Ringu” nach einer knappen Stunde die Katze aus dem Sack lassen kann. Hier wird man dann stets tiefer in den dunklen Schlund der sich nun dramatisch zuspitzenden Ereignisse gezogen, nur um dann am Ende mit einem Paukenschlag entlohnt zu werden, der Angsthasen die Schweißperlen auf die Gesichter treiben dürfte. Der Suspense- Faktor, den “Ringu” bis in den Abspann entwickelt, hängt in seiner Höhe aber sicher auch davon ab, wie sehr sich der Betrachter mit den Charakteren identifizieren kann.
Der Horror, der von “Ringu” ausgeht, entsteht dabei ausschließlich im Kopf des Betrachters. Die Ungewissheit, die fortwährend über den paranormalen Geschehnissen hängt, ist in einer fantastisch dichten Atmosphäre auf die Leinwand transportiert worden. Basierend auf dem Kultroman von Kijo Suzuki, fand Nakata für seine Inszenierung genau den richtigen Ton, und wartet mit einer Stilsicherheit auf, die begeisternd ist. Auch wenn die Macher in der Erstverfilmung nicht das Budget zur Verfügung hatten, mit dem Gore Verbinski und seine Crew vier Jahre später an den Start gingen, wird ein stimmiges Gesamtpaket erzeugt. Die Frage, ob der Schrecken in der realen Welt existiert oder als Teil einer anderen Dimension, aus dem Jenseits, fungiert, begleitet den gesamten Film.
“Ringu”, das Original, hat in seiner Heimat zurecht den Kultstatus erlangt, den es verdient. Auch wenn die Filmwelt durch Hideo Nakatas japanischen Horror- Export mittlerweile von bösen, rachsüchtigen Geistern, deren schwarze lange Haare ihr Antlitz verdecken, übersättigt ist, ist der schauerliche Effekt des wohligen Unwohlseins, den das Werk hüben wie drüben bei den Gruselfans hervorgerufen hat, nahezu ungebrochen. Ob einem nun die Erstverfilmung mehr liegt oder das Hollywood- Remake mit Naomi Watts, das muss jeder nach seinem subjektiven Empfinden selbst beurteilen. Auf DVD gibt es noch einige Fortsetzungen, darunter auch ein Prequel.