To fight monsters we created monsters.
Gleich vorangestellt: Wer sich nicht mit riesenhaften Robotern anfreunden kann, die für die Menschen gegen riesenhafte Monster-Aliens in den Kampf ziehen, sollte lieber einen weiten Bogen um den neuesten Science-Fiction-Actioner
„PACIFIC RIM“ machen. Denn dieser liefert wie bestellt genau das, was man auch erwartet. Im visuell bahnbrechenden 3D-XXL-Format, das dem Science-Fiction-Subgenre
Kaijū, dem auch
Godzilla zugehörig ist, Tribut zollen und darüber hinaus die Fanboys dieser Welt zufrieden stellen möchte. Doch was nützt die an und für sich noble Grundintention eines visionären Regisseurs, wenn sie voll und ganz im ohrenbetäubenden Getöse untergeht und sich das Geschehen daher nur allzu schnell als bloßes CGI-Augenwischspektakel mit rascher Übersättigungsgefahr entpuppt?
Der Kampf gegen Monsterherden, die aus dem Meer auftauchten und den Menschen seitdem das Leben schwer machten, hat über Jahre hinweg den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Rohstoffe erfordert. Doch selbst die von Menschenhand konstruierten
Jaegers – gigantische Roboter, die von zwei Piloten gesteuert werden, deren Gehirne mittels einer Neuronenbrücke miteinander verbunden sind – sind nicht in der Lage, den gigantischen Ungeheuern – den
Kaijus – Einhalt zu gebieten. Von einem Tag auf den anderen liegt das Schicksal der Welt plötzlich auf den S
chultern zweier Soldaten, die, wenn man es genau nimmt, niemand so richtig auf dem Schirm hatte. Der Ex-Pilot Raleigh (Charlie Hunnam) und die unerfahrene Rekrutin Mako (Rinko Kikuchi) werden angeheuert, die Steuerung eines legendären, aber schon in die Jahre gekommenen Jaegers zu übernehmen. Unter der Führung des undurchsichtigen Stacker Pentecost (Idris Elba), der im Hintergrund die Strippen zieht, klammert sich die Menschheit an den letzten verbleibenden Riesen-Strohhalm und stellt sich der monströsen Übermacht, die nicht ablässt, einmal mehr und aufs Äußerste entschlossen entgegen.
Damit erst gar nicht der Eindruck entsteht: Nicht einmal der Autor dieser Zeilen wähnt in einem Film wie
„PACIFIC RIM“ mehr als effektreiche Popcorn-Unterhaltung, bei der man das Gehirn einmal ruhigen Gewissens ausschalten kann. Es müssen selbstredend nicht immer menschliche Dramen, schwere Sinnkrisen und dergleichen auf die Zuschauer losgelassen werden. Davon gibt es nämlich in der realen Welt bereits mehr als nur genug. Und es sei daher an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit festgehalten: Wem (zumindest von den visuellen Effekten her) oscarreifes Roboter-Monster-Gebashe allein genügt, um im Kinosaal Spaß zu haben, kommt in den 131 Minuten an Haudrauf-Zeit garantiert auf seine Kosten. Dass hier aber wohl wieder einmal das Kind in einem über die tatsächliche Qualität des jeweiligen Films siegt, steht dabei völlig außer Frage. Ein Mysterium, das spätestens seit Michael Bays erfolgreicher Kleiner-Junge-Phantasie „
Transformers“ [2007] regelmäßig zur Anwendung findet und die Kritiker dieser Welt hinsichtlich der Filmbewertung vor eine allzu schwere Aufgabe stellt.
Versuchen wir es trotzdem und beginnen zunächst mit dem Guten, dem Offensichtlichen. Denn der vom Film aufgefahrere visuelle Bombast setzt wie erwartet neue Maßstäbe in Sachen Detailreichtum und -verliebtheit. Knackig scharf und vom Stammkameramann
Guillermo Navarro versiert eingefangen, präsentiert sich
„PACIFIC RIM“ als derzeitige Messlatte für das mit Computern Mögliche und setzt sogar wortwörtlich noch einen drauf, indem der hohe Standard der Visual Effects kurzerhand auf den Schultern der meisterhaft zum Leben erweckten Riesenroboter und -monster platziert wird. Hier lässt sich George Lucas`
Industrial Light and Magic (ILM) wahrlich nicht die Butter vom Brot klauen und liefert beste digitale Arbeit ab, die sich hervorragend in die reale Umgebung integriert. Darüber hinaus zeigt sich der Score aus der Feder von
Ramin Djawadi („Game of Thrones – Das Lied von Eis und Feuer“) ungewöhnlich verspielt und kraftvoll und bietet mal nicht nur das übliche Pauken- und Trompetengedröhne, das in letzter Zeit so sehr in Mode scheint. Gerade das eingängige, mehrfach ertönende Hauptthema lädt automatisch zum Mitwippen des Taktes ein. Kurzum: Gute und überaus solide Arbeit mit echten Ohrwurmqualitäten.
Doch mit den tollen Effekten geht gleichzeitig das größte Problem des Films einher: So hervorragend die Bilder nämlich auch sein mögen, so seelenlos-perfekt dreschen sie auf die Leinwand ein. Gerade mit diesem Aspekt hatte seit jeher schon die ungleich kindlichere
Transformers-Reihe und selbst der jüngste
Hasbro-Flopp „Battleship“ [2011] zu kämpfen (da wie dort hatte interessanterweise ebenfalls
ILM die Effektgewalt). Keiner der Kämpfe berührt; alles, was man fühlt, ist lediglich der kräftige Bass des Tieftöners, der mehr als einmal zum Einsatz kommt. Die tricktechnische Perfektion fordert ihren Tribut in einem brachialen Geschehen, das trotz jedweder Größe distanziert bleibt, da jeder noch so kleine Anflug von Originalität sofort ungefragt in Grund und Boden geprügelt wird. Ohne Unterlass jubelt das Auge ob der Bildgewalt, während das vernachlässigte Herz ein regelrechtes Meer an Tränen verdrückt. Fraglos: Ginge man nur nach den Effekten, der Film wäre eine glatte 1, was aber, wenn man es genau nimmt, auf so ziemlich jeden großen Blockbuster der letzten Zeit zuträfe und keinesfalls der Weisheit letzter Schluss sein kann. Gerade weil del Toro nicht müde wird zu betonen, dass
„PACIFIC RIM“ (s)ein Herzensprojekt sei. Irgendwo in diesem Film ist sie bestimmt zu finden, die Leidenschaft. Doch sie hält sich gekonnt verborgen inmitten von zerstörten Städten und etlichen Monsterkadavern.
Und die schizophrene Krux aufseiten des Rezipienten zieht sich munter weiter durch den Film, wenn del Toro etwa beschließt, den nicht zu leugnenden Nerdfaktor, der quasi das gesamte Projekt umgibt, kurzerhand in Gestalt eines nervigen Wissenschaftlerpärchens einzubauen. Die Knallchargen, eindrucksvoll verkörpert von
Charlie Day („
Kill the Boss“ [2011]) und
Burn Gorman („
The Dark Knight Rises“ [2012]), liefern mit ihrer jeweiligen Performance Fremdschämmomente vom Allerfeinsten und tragen mit ihrem penetranten Overacting keinesfalls dazu bei,
nicht den unschönen Vergleich mit den diversen Peinlichkeiten eines Michael-Bay-Roboter-Vehikels anstellen zu wollen. Zwar boten schon andere del Toro-Werke stets eigenwillige, diskussionswürdige Figurenkonstellationen, doch diese Kombo übertrifft sie alle. So sieht es also aus, wenn sich die Metaebene eigenhändig mit dem Holzhammer erschlägt. Da kann auch ein einprägsamer, aber im Endeffekt viel zu kurzer Gastauftritt des kantigen Hellboy-Darstellers
Ron Perlman nicht mehr viel retten.
Zudem kommt noch erschwerend hinzu, dass dem knapp 190 Millionen US-Dollar teuren Science-Fiction-Actioner trotz simpelster Prämisse ein durchgehender Spannungsklimax fehlt. Auf Kampfgetümmel folgt ein charakterbezogener Moment, dem sich eine weitere und im direkten Vergleich zum Vorgänger wenig variierte Ausschreitung anschließt, was, obwohl es jederzeit schick aussieht, allzu schnell ermüdet. Die redundanten und stets bei Nacht ausgetragenen Monsterreibereien dominieren natürlich zwangsläufig den Großteil der 131 Minuten Spielzeit, so dass den wenigen menschlichen Charakteren des Films in den kurzen erlaubten Atempausen nichts weiter übrig bleibt, als ihr Heil in der Flucht zu suchen, die zumeist in altbekannten heroischen Floskeln, ermutigenden Anführer-Reden und pathetischem, gegenseitig erwidertem Schulterklopfen mündet.
Uff. Es geht um so viel und doch um nichts. Sicher ist indes nur: Die Menschheit wird wieder einmal glorreich siegen. Fragt sich lediglich, wie effektreich es diesmal vonstatten gehen wird. Soweit so bekannt.
Die berechtigte Frage, die bleibt, ist jedoch, ob man Derartiges im vorliegenden Fall überhaupt kritisieren kann und darf. Dies ist durchaus zu bejahen. Denn schöne Effekte alleine machen automatisch noch keinen guten Film und ersetzen erst recht nicht eine simple Geschichte vom Reißbrett, die einfach nichts Neues zu erzählen weiß, Hommage hin oder her. Da kann der Film noch so sehr darum bemüht sein, Fanservice zu betreiben: Er sieht am Ende, wie schon so viele andere Hochglanz-Vertreter vor ihm, einfach nur gut aus. Und das ist nach heutigen Maßstäben, selbst für einen nach eigenem Bekunden originären Monsterfilm und im Speziellen für einen formidablen Regisseur, der uns einst mit „
Pans Labyrinth“ [2006] regelrecht verzauberte, schlicht und ergreifend zu wenig.
Zu gerne würde man hier wohlwollend ein Auge, wenn nicht sogar derer zwei zudrücken. Doch dann entginge einem zwangsläufig der wieder einmal aufgenötigte, nichtsdestotrotz recht ordentlich umgesetzte 3D-Effekt, der zumindest ansatzweise für einen gewissen Tiefenaspekt im ansonsten überraschend stereotypen Kampfgetümmel sorgt. So dürfte del Toros
„PACIFIC RIM“ für viele Zuschauer unbewusst zum zwiespältig aufgenommenen Vergnügen geraten, bei dem fortwährend das böse Riesenmonster auf der linken, der gute Roboter auf der rechten Schulter sitzt. Engelchen und Teufelchen 2.0. Reichen schöne Bilder, die alles nieder-, aber nicht mitreißen, für einen gelungenen Kinoabend? Den Kampf des Films um Anerkennung entscheidet letztendlich der Einzelne, je nachdem, für welche Seite im Unterbewusstsein Partei ergriffen wird. Anders lässt sich – zumindest für den Rezensenten – dieses wahre Monster von einem Film nicht bändigen. Da kann das innere Kind noch so herzzerreißend zetern.
„PACIFIC RIM“ ist übrigens sowohl dem Andenken des „Godzilla“-Regisseurs Ishiro Honda als auch dem des in diesem Jahr verstorbenen Großmeisters der Stop-Motion, Ray Harryhausen, („Panik in New York“ [1953]) gewidmet. Zwei hingebungsvolle Visonäre auf ihrem jeweiligen Gebiet, deren Leidenschaft für das Medium Film in jeder Einstellung ihrer Werke erkennbar wurde und sich in einem bis zum heutigen Tage unnachahmlich-sympathischen Charme manifestieren konnte. Ihr Fehlen wird gerade heute schmerzlicher denn je bewusst.