Bereits um die Zehn-Minuten-Marke des Mystery-Thrillers „Der eisige Tod“ erklärt ein junger Theologie-Student (Ashton Holmes, „A History Of Violence“) einer hübschen Kommilitonin (Emily Blunt, „
Der Teufel trägt Prada“) während der Fahrt den Unterschied zwischen Nietzsches Theorie der
Ewigen Wiederkehr und der Reinkarnation.
Während man bei Letzterer die Möglichkeit erhalte, immer wieder ein neues Leben zu beginnen, müsse man nach Auffassung des deutschen Philosophen dasselbe Ereignis immer und immer wieder durchleben.
Der geübte Genre-Fan wird an dieser Stelle schon erahnen können, auf welches Szenario auch Gregory Jacobs' zweiter Spielfilm letztlich hinauslaufen wird.
Und wären da nicht die extrem stimmungsvollen Aufnahmen des dänischen Kameramanns Dan Laustsen („
Silent Hill“) und der in diesem Streifen völlig unter Wert verkaufte Score von Clint Mansell („
Requiem for a Dream“), man hätte wahrscheinlich schon früher sein Kissen hervorgekramt, um sich anstelle der lahmen Grusel-Story lieber eine Mütze gesunden Schlafes zu gönnen...
Nun kann das (Genre-)Rad freilich nicht jeden Tag neu erfunden werden und es wäre schließlich auch nicht das erste Mal, dass eine straffe Inszenierung einer im Grunde überflüssigen Story doch noch zu einem gelungenen oder zumindest kurzweiligen Kinoerlebnis verholfen hätte.
Leider mangelt es „Der eisige Tod“ trotz kurzer Spieldauer an einer solch straffen Erzählweise, womit es sich folglich auch mit der Kurzweiligkeit erledigt hat.
Denn auch wenn der Film schon allein aufgrund seiner audiovisuellen Vorzüge ein Stück besser als der sich ebenfalls mit unheimlichen Vorfällen auf einer dunklen Landstraße befassende Nervtöter „Dead End“ (2003) geglückt ist, fühlt sich dieser Leinwand-Schrecken letztendlich so an, als ob man ein vermeintlich cleveres Kurzgeschichten-Konzept auf Biegen und Brechen auf Spielfilmlänge aufgeblasen und die inhaltlichen Lücken mit überflüssigem Gelaber und ein paar gut gemeinten aber wenig gelungenen Schock-Effekten ausgefüllt hätte.
Im Mittelpunkt des Geschehens stehen übrigens die zwei bereits zu Beginn erwähnten, im Film namenlos belassenen Charaktere, die zwecks weihnachtlicher Heimkehr eine Fahrgemeinschaft gebildet haben und zunächst recht wortkarg in einem heruntergekommenen Wagen mit defektem Beifahrerfenster und ohne Nummernschild ihre Reise über den Highway antreten.
Dass sich der aufdringliche männliche Part des Duos von seiner zickigen Beifahrerin in Wirklichkeit mehr als eine Beteiligung an den Spritkosten erhofft hat, wird nach der ersten improvisierten Konversation sehr deutlich.
Tatsächlich ist dieser nämlich Hals über Kopf in die junge Frau gegenüber verschossen und hat die lange Überfahrt nur in Kauf genommen, um seine Angebetete für ein paar Stunden für sich allein zu haben.
Als sich nach einer kurzen Rast das Verhältnis zwischen den Beiden nicht ganz so entwickelt, wie sich das der hoffnungslose Romantiker ausgemalt hat, trifft er auf der Weiterfahrt eine folgenschwere Entscheidung:
Er lenkt seinen Wagen in eine abgelegene, völlige verschneite Seitenstrasse und kollidiert prompt mit einem mysteriösen anderen Auto.
Mit Totalschaden gestrandet und von der nächsten Tankstelle weit entfernt, erleben die Studenten in der Nacht das eiskalte Grauen…
Nun gut, die Zusammenfassung liest sich möglicherweise spannender als das, was einem Regisseur Jacobs da letztlich auftischt.
Alles, was sich nach dem Unfall ereignet wirkt so altbacken und vorhersehbar, dass selbst Oma Ernas Kaffeekränzchen mehr Spannung verspricht – na klar: die Handys bekommen erstmal kein Netz, dann trällert das Radio unheilschwanger Weihnachtslieder, graue Männer huschen um das Auto und ein sinisterer Polizist (Martin Donovan wirkt in seiner Rolle so beängstigend wie ein Karpfen an der Angel) schaut gelegentlich auch mal nach dem Rechten.
Da es den Protagonisten irgendwann doch zu kalt wird und der nächtliche Wanderzirkus bald auch beunruhigende Züge annimmt, erkunden sie die Umgebung und machen natürlich einige wenig erfreuliche Entdeckungen und Erfahrungen – wir erinnern uns an diesem Punkt bitte auch einmal an das zurück, was uns da anfangs recht prägnant über den Herrn Nietzsche berichtet worden ist…
Dass man der letzten Aufforderung normalerweise eine Spoiler-Warnung vorwegschicken sollte, ist dem Rezensenten übrigens durchaus bewusst - allerdings sind die Geschehnisse in „Der eisige Tod“ für eine moderne Mystery-Story so einschläfernd banal, dass sich der Verfasser ernsthaft wundern würde, wenn tatsächlich nicht viele Zuschauer das Ende spätestens ab dem Mittelteil vor dem geistigen Auge selbst abspielen könnten.
Diesen traurigen Umstand hat dann wohl auch der Regisseur erahnt und das inhaltlich besonders dünne letzte Drittel vorsichtshalber mit viel zwischenmenschlichem Blablabla zugekleistert.
Eine bessere Entscheidung wäre es wahrscheinlich gewesen, das nicht wirklich greifende Drama ganz hinten anzustellen und lieber vermehrt auf das zu setzen, was man wohl als größten Pluspunkt des Machwerkes verbuchen kann: die Atmosphäre.
Eigentlich dreht sich der Schreiber mit seinen Ausführungen inzwischen ebenso im Kreis wie der Film selbst, welcher ungefähr so lasch schmeckt wie eine ungewürzte Gemüsebrühe. Alles schonmal da gewesen - nur besser und/oder spannender.
Verwunderlich ist es deshalb auch nicht, dass Emily Blunt ihre Rolle mit einer so überzeugenden und natürlichen Mischung aus Ablehnung und Gereiztheit verkörpert – fast so, als sei ihr das Drehbuch zu dem Schund erst kurz vor Beginn der Aufnahmen ausgeteilt worden.
Ashton Holmes' moderner Romeo geht dagegen nicht nur seiner Filmfreundin gehörig auf den Zwirn, weshalb die hochphilosophische Ausgangsidee im Prinzip einen weitaus interessanteren Verlauf hätte nehmen können:
Die Blunt wäre nach dem Unfall so sehr von Holmes' Annährungsversuchen genervt, dass sie ihn mit einer Axt erschlägt.
Immer und immer wieder…