US-amerikanische Teenie-Komödien, die sich um die Suche nach dem “ersten Mal” und die Irrungen und Wirrungen der Pubertät drehen, gibt es wie Sand am Meer. Abgesehen von einigen Ausnahmen wie z.B. “American Pie” bieten die meisten von ihnen allerdings nicht viel mehr als zotigen Körpersäfte-Klamauk und taugen bei allem Flachwitz bestenfalls zum gehobenen Fremdschämen. Ganz anders “Superbad”: Greg Mottolas mit derbem Anarcho-Witz gepfefferte Highschool-Buddy-Komödie macht ihrem Namen zwar alle Ehre und feuert aus allen Rohren mit respektlosen Gags, glänzt darüber hinaus jedoch auch mit einer entwaffnenden Seriosität im Kern der Geschichte und Figuren mit Profil, denen man ihre Sehnsüchte, Hemmungen und Spleens im Schlaf abkauft. Unbegreiflich, dass nur etwa eine halbe Million Menschen den Weg in deutsche Kinos fanden.
Der schüchterne Evan (Michael Cera) und der moppelige Seth (Jonah Hill) sind 17, beste Freunde - und immer noch männliche Jungfrauen. Das soll sich schnellstens ändern. Als die überaus hübsche Jules (Emma Stone) Seth zu einer Hausparty einlädt, auf der auch Evans Traumfrau Becca (Martha McIsaac) zu Gast ist, wittern er und sein Kumpel die große Chance auf einen heißen One-Night-Stand. Mithilfe ihres Schulkameraden, dem Nerd Fogell (Christopher Mintz-Plasse), der sich einen gefälschten Personalausweis zugelegt hat, der dokumentiert, dass er 25 Jahre alt, Organhändler ist und “McLovin” heißt, wollen die beiden noc
h fix ein paar Flaschen Hochprozentigen besorgen. Doch leider geht beim Gang in den Kiosk alles schief: Fogell wird in einen Raubüberfall verstrickt und findet sich plötzlich im Streifenwagen zweier gesetzloser Polizisten (Seth Rogen, Bill Hader) wieder, die ihn kurzerhand auf ihre eigene Party mitnehmen. Seth und Evan müssen nun ohne Alkohol zu Jules` Party aufbrechen - es sei denn, es gibt noch eine Notlösung…
Greg Mottolas Film ist nicht nur eines der genialsten Buddy-Movies der letzten Jahre, sondern auch die rührende Geschichte zweier Outsider, bei denen der eine alles über den jeweils anderen zu wissen scheint. Doch Seth ist kein Outsider wegen seines Übergewichts und Evan nicht, weil er schüchtern ist - beide können schlicht nicht aus ihrer Haut heraus. Die beiden reden ausgiebig über Sex, hatten aber noch nie welchen. Als sie beschließen, dies zu ändern, stolpern sie in eine Serie von Peinlichkeiten, brenzlichen Situationen und Verwechslungen, die sie im Endeffekt zwar nicht an ihr selbsternanntes Ziel führt, dafür aber um ein paar wichtige Erkenntnisse reicher macht. Etwa die, dass das Gesetz dem Otto Normalbürger gedanklich stets einen Schritt voraus ist (eine kleine Anspielung auf die mit Abstand überraschendste Pointe des Films).
Immer wenn man denkt, dass der Schlamassel um das Loser-Trio nicht mehr steigerungsfähig ist, setzt Mottola noch einen drauf. Fogells Verlegenheits-Identitätswechsel sowie Seths und Evans Deal mit einem Unfallverursacher an anderer Front sorgen für einen fatalen Domino-Effekt, der einen Chaostrip mit zuletzt selten erlebter Gagdichte nach sich zieht. Während Evan sich bei einer Alkoholbeschaffungsaktion auf einer fremden Party mit ablenkenden Gesangseinlagen zum Horst macht, füllt Seth das kostbare Nass gleich in ganzen Waschmittelkanistern ab. Dabei kommen sie einigermaßen glimpflich davon, obwohl ein Menstruationsfleck auf Seths Hose noch einmal für Aufruhr unter dem prügellaunigen Feiervölkchen führt. Der Plot glänzt gerade durch seine Simplizität und fließt ohne Störungen und Unterbrechungen dem Wesentlichen entgegen. “Superbad” gelingt wie kaum einem zweiten mir bekannten Teen-Movie die glaubhafte Auslotung der menschlichen Komponente: Wenn Seth und Evan am Ende auf dem Bett nebeneinander liegen und bemerken, wie sie in all den Jahren auf der Schule zusammengewachsen und dicke Freunde geworden sind, trifft er mitten ins Herz. Angeblich sollen Seth Rogen und Evan Goldberg beim ersten Entwurf ihres autobiografisch geprägten Drehbuchs erst 13 Jahre alt gewesen sein.
Jonah Hill, Michael Cera und Christopher Mintz-Plasse sind sich für keinen noch so schlüpfrigen Scherz zu schade, geben aber dennoch nicht die hormongesteuerten 08/15-Teenies aus vergleichbaren US-Genreproduktionen á la “Road Trip” ab. Als unzertrennliches Dreiergespann haben sie alle Sympathien auf ihrer Seite. Hill hat beinahe etwas Altkluges als Seth, der in seiner Freizeit am liebsten Penisse in allen Variationen zeichnet und in dessen feuchten Träumen wohl vor allem die Mutter seines Kumpels auftauchen dürfte. Seth unterliegt trotz seines Einzelgängerstatus einem Gruppenzwang; er glaubt, sich sinnlos betrinken zu müssen, um bei seiner Flamme landen zu können. Michael Cera spielt Evan mit derselben gutmütigen Verlässlichkeit und Tolpatschigkeit, die seinen Paulie Bleeker im Indie-Hit “Juno” begleitete. Christopher Mintz-Plasse`s Vorstellung als Vollpfosten Fogell, dessen Metamorphose zu seinem obercoolen alter ego “McLovin” zunächst nur langsam vonstatten geht, läuft außer Konkurrenz und wird wenn überhaupt nur noch von den beiden verkindschten, feierwütigen Polizisten übertroffen, die den (falschen) Anschein erwecken, als könnten sie nicht bis Drei zählen, und das Trio damit stellenweise zur Weißglut bringen. Bei den Damen ist Emma Stone als unschuldige, aber doch oft unerreichbar wirkende Schulschönheit Jules am Auffälligsten.
“Superbad” sei, so James Berardinelli in seiner Review des Films, “eine Annäherung an das, was Quentin Tarantino und John Hughes gemeinsam schaffen würden, wenn sie eine Teenagerkomödie drehen würden.” Greg Mottola erlaubt sich darüber hinaus vieles, was man von einem herkömmlichen Genrefilm nicht erwartet hätte. Die Schlussszene in der Shopping Mall ist etwa deshalb so großartig, weil sie beides beinhaltet: die Wehmut darüber, für die Förderung der persönlichen Ziele innerhalb seiner Möglichkeiten getrennte Wege einschlagen zu müssen, wie auch die Vorfreude auf neue Erfahrungen in einem neuen Lebensabschnitt.