Ein weiser Mann sagte einmal:
„Das Krokodil, es frisst so viel, am liebsten Scheuerlappen. Als Schwanz hat’s einen Besenstiel und will den Mond sich schnappen.“ Was in vorabendlichen Kindersendungen vom Herrn Platsch so verniedlicht dahergebrabbelt wird, lässt einen nach einem Filmabend mit der „
Rogue“-Scheibe im DVD-Rekorder die Metaphorik in den zitierten Zeilen und somit auch deren Wahrheitsgehalt erkennen. Ja, für ein hungriges Krokodil ist so ein läppiges Stück ganzer Mensch wohl wirklich nicht viel mehr als ein Scheuerlappen und so hoch, wie die doch so schwerfällig aussehenden Archosaurier springen können, wirkt es beinahe so, als könnten sie auch dem Mond in den Hintern beißen, wenn dieser nur einen hätte. Aber kreative Verbindungen zwischen Pitti Platsch und Krokohorror mal beiseite gelassen und auf den Film konzentriert. Also?
Reisereporter Pete McKell (Michael Vartan) sieht sich in Australien um und findet sich seinem Job zuliebe zusammen mit anderen Touristen auf einem Boot wieder, um unter der Leitung von Kate Ryan (Radha Mitchell) durch weitläufige Sumpfgewässer zu tuckern und die ihn umgebende Natur zu bewundern. Eigentlich ein ganz netter Trip, bis den Reisenden Notsignale aus weiter entfernten Felsenhöhlen auffallen und sie beschließen, nachzusehen, ob jemand ihre Hilfe braucht. So dringen sie schließlich in unbekanntere Gewässer vor und merken zu spät, dass diese gleichzeitig das Revier eines riesigen Kr
okodils sind, das sein Zuhause zu verteidigen weiß…
Nach einigen durchschnittlichen und vielen abfälligen Bewertungen von Greg McIeans „
Wolf Creek“ und dem üblichen Tierhorrormüll, der einen in der Videothek um die Ecke so gern anspringt und einen in Versuchung führt, einen Blick auf Filme wie „
Frankenfish" und „
Raging Sharks“ zu werfen, dürften die Erwartungen bezüglich „Rogue – Im falschen Revier“ nicht allzu hoch sein. Trotzdem lässt sich bei noch so schlecht gemachtem Viechergemetzel immer noch auf einen Filmabend voller Lacher hoffen, denn schlecht heißt nicht unbedingt unlustig. Bei „
Rogue – Im falschen Revier“ hofft man jedoch vergebens – und wird doch nicht enttäuscht. Denn dieser jüngst auf DVD erschienene Krokohorror ist gar nicht mal so oll.
Mit seinen langen, von mystischen Didgeridoo-Klängen untermalten Kamerafahrten durch die Natur Australiens wirkt der Film beinahe wie eine qualitativ sehr hochwertige Dokumentation mit Aufnahmen von „echten“ Krokodilen. Passenderweise ist dann das Krokodil, um welches es letztlich geht und das sein Revier gegen die eindringenden Touristen zu verteidigen versucht, so gut computeranimiert, das es dem Zuschauer kein Loch in die Spannung haut, da es verdammt echt 'rüberkommt und man keine Zeit hat, den Einfall zu haben, dass es sich ja hier nur um ein Stück Pappmaché handelt. Der Film nimmt sich Zeit, eine mystische, von Gegensätzen geprägte Atmosphäre aufzubauen, durch welche die Natur Australiens wunderschön und gleichzeitig unglaublich gefährlich wirkt.
Die Reaktionen und Kommentare der Figuren sind für eingefleischte Horrorfilmgucker nahezu befreiend. Es gibt keine dummen Pseudoweisheiten wie „Es ist ein Fleischfresser“ und keine nervigen, lückenfüllenden Sinnlosstreitereien über ausgespannte Exfreunde. Die Figuren verhalten sich durchaus glaubwürdig. Sogar der betrunkene Idiot und Unruhestifter wird durch den Ernst der Lage zum hilfreichen Mitstreiter. Zwar geraten einige der Touristen im Angesicht der nahenden Bedrohung in Panik und agieren irrational, kriegen sich aber rasch wieder ein und nerven den Zuchauer nicht mit grundlos hirnlosem Verhalten. Wenn man sich bei einigen anderen Horrorfilmen wie „
The Descent - Der Abgrund des Grauens“ oder „
The Cavern - Abstieg ins Grauen“ gefragt hat, ob sich Menschen in einer lebensbedrohlichen Extremsituation wirklich lieber gegenseitig mit banalem Gestreite fertig machen würden als alle anderen Gedanken als den an das bloße Überleben auszublenden, kriegt man in „
Rogue – Im falschen Revier“ eine befriedigende Antwort: Nein – würden sie nicht.
Natürlich gibt es auch hier wieder ein paar Dinge, die stören und einen „Typisch Film“ seufzen lassen. Beinahe schon obligatorisch ist für solche Filme ja der Ausfall des Funkgeräts in genau derjenigen Gegend, in der das Unheil passiert, und der Held, der von sich selbst nie geglaubt hätte, einer zu sein, aber der im Angesicht des Todes doch noch an die nette, halbtote Frau denkt, die er retten muss, bevor er seinen eigenen Hintern aus der Speisekammer des Krokodils bewegt. Schade irgendwie, dass auch die Geschichte mit dem Notsignal aus den Bergen nicht wieder aufgegriffen wird. Zwar spielt das keine entschiedene Rolle, hätte aber zur Abrundung der Geschichte wenigstens noch mal aufgegriffen werden können. Gab es wirklich ein Signal? Wenn ja, von wem? Waren das vielleicht auch Opfer, die verletzt in einer Krokodilhöhle festsaßen? Aber dazu wird nichts mehr gesagt. Das Notsignal war Mittel zum Zweck, um eine Begründung zu haben, warum die Protagonisten in eine unbekannte Flussmündung fahren, in der sie sich nicht so schnell fremde Hilfe erhoffen können. Danach hatte der Vorfall dann keine Bedeutung mehr für den weiteren Handlungsverlauf und wurde aus der Geschichte gekickt.
Für einen gemütlichen Horrorfilmabend ohne viel Überdrehtheit und eher simpler Authenzität ist „
Rogue – Im falschen Revier“ genau das richtige. Auch wenn man danach jeglichen Willen, auch einmal eine Bootstour durch Australiens beeindruckende Landschaft zu machen, verloren hat und sich somit wohl einen tollen Trip entgehen lässt. .. Oder sein Leben rettet…