„Save the cheerleader, save the world.“
Wer kennt sie nicht, jene Individuen, die als Prototypen der Marke „Held“ hinhalten müssen? Als da wäre die berühmte Gattung, welche allein durch ihr rein bestrumpfhostes Auftreten klar macht, dass sie nicht immer von unserer Welt kommt, gleichwohl ihre muskulösen Waden in den Dienst derselben stellt, um das Böse das Fürchten zu lehren. Oder seltsam aussehende Zeitgenossen, die einfach mal lautstark trällernd verkünden, dass sie Helden sind. Kurzum: ihre Ausprägung ist gar so vielfältig wie die blühende Phantasie des Mannes, der viele ihrer Art erdacht hat: Stan Lee.
VOM GLEICHGEWICHT DER NORMALITÄT. In den meisten Fällen sind es hierbei ganz normale Menschen, die sich plötzlich mit den Alltagssorgen eines Superhelden rumplagen müssen. Was zum Beispiel
ein Spinnenbiss so alles anrichten kann! Lee erschuf im Laufe vieler Jahre einen wahrhaft bunten Kosmos einfallsreich kostümierter Supermänner und -frauen, die sich in rein optischer Hinsicht alle zwar irgendwie ähneln mögen, bezugnehmend auf ihre innere Gefühlswelt jedoch so unterschiedlich wie nur irgend möglich ausgeprägt sind. Eines eint sie aber fast alle: ihre Fähigkeiten schlummern nur in den wenigsten Fällen –
Superman mal ausgenommen – schon seit jeher
in ihnen, sondern sind häufig Folge eines Unfalls / fehlgeleiteten Experiments / sonstigen Ereignisses, das irgendwann in das bisher so beschaulich wie langweilig dahinplätschernde Leben des Protagonisten tritt und es sich dort erst einmal gemütlich macht.
Doch was ist, wenn nichts Derartiges vorgefallen zu sein scheint und sich dennoch plötzlich und unvorhergesehen Veränderungen einstellen, die der oder die Betroffene zunächst nicht richtig einordnen kann? Was, wenn das Gleichgewicht der Normalität durch etwaige Faktoren zu weichen droht? In
„HEROES“, der neuen Hitserie von Produzent und Drehbuchautor
Tim Kring („
Providence“ [1999 – 2001], „
Crossing Jordan“ [2001 – 2007]) dreht es sich vordergründig genau um das:
GENESIS. Die Geburt ist bekanntermaßen der Moment, mit dem das Leben seinen Anfang nimmt, und auch unsere Serie will sich hiervon gar nicht lossprechen, im Gegenteil. Nur dauert dieses Mal die Phase, an deren Ende eine „Geburt“ stehen soll, mehrere Jahre bis Jahrzehnte und reicht somit weit in unsere allseits bekannte Normalität hinein. Das Endresultat ist etwas Neues, die Entstehung von etwas Einzigartigem, das sich im hier behandelten Serien-Universum anschickt, die Grenzen des uns Bekannten und Wohlvertrauten zu durchbrechen. Denn als eines Tages den Globus eine totale Sonnenfinsternis ereilt, merken mehrere Menschen – unabhängig voneinander, da sie über den ganzen Erdball verstreut sind –, dass in ihnen besondere Fähigkeiten schlummerten, welche jedoch erst jetzt, nach vielen Jahren des beschaulichen Wandelns auf Mutter Erde, erwacht sind. So entdeckt beispielsweise die Cheerleaderin Claire (Hayden Panettiere), dass sie im wahrsten Sinne des Wortes unverwüstlich ist, während Peter Petrelli (Milo Ventimiglia, „
Gilmore Girls“, „
Pathology“ [2008]) – sehr zum Leidwesen seines politisch aktiven Bruders Nathan (Adrian Pasdar) – der festen Überzeugung ist, dass er fliegen kann, was er auch zu beweisen gedenkt. Und als ob es nicht schon schwierig genug wäre, sich ab dem jetzigen Zeitpunkt mit diesen neuen Erkenntnissen rumschlagen zu müssen, ziehen auch noch dunkle, gefährliche Wolken am Horizont auf, denn unbemerkt blieben die seit der Sonnenfinsternis eingetretenen Veränderungen nicht.
Eine mächtige und durchaus gefährliche Organisation heftet sich im Verborgenen an die Fersen der besonderen Menschen, den
Heroes. Die im späteren Verlauf der Geschichte nur noch als
Firma bezeichnete Gruppierung, welche selbst Mord als Mittel zum Zweck in Betracht zieht, zeigt reges Interesse an den Heroes und ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten, welche selbst einigen Helfern der Firma zuteil zu sein scheinen. Eine Bedrohung besonderen Ausmaßes stellt jedoch vor allem der Killer Sylar (Zachary Quinto) dar, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, nach und nach alle Heroes auf der Welt aufzuspüren, grausam umzubringen, um so – aber
psssst! Es soll ja nicht gleich alles zu Anfang verraten werden. Denn eigentlich über die komplette Laufzeit der Serie herrscht bei den Protagonisten – sei es bei Gut als auch Böse – ein ganz bestimmtes Gefühl vor und drängt praktisch alle anderen in den Hintergrund:
Unsicherheit. Jemand, der Licht ins Dunkel bringen möchte, ist einer der Guten: der junge indische Genforscher Mohinder Suresh (Sendhil Ramamurthy). Der gewaltsame Tod seines Vaters, eines angesehenen Professors für Humangenetik, bringt den jungen Suresh schließlich auf die Spur der Heroes, als er der Tatsache gewahr wird, dass sein Vater vor langer Zeit schon eine (für ihn verhängnisvolle) Theorie über diese außergewöhnlichen Menschen aufgestellt hat. Somit sind die Fronten recht schnell klar, und es dauert nicht lange, bis sich Gut und Böse das erste Mal gegenüber stehen. Was erst im Laufe der Geschichte klar wird, ist, dass New York bereits kurz vor einer fatalen Katastrophe steht, die zu verhindern einzig in den Händen der Anderen, der Außergewöhnlichen zu liegen scheint. Die Zeit läuft...
DIE, DIE GEMEINSAM WANDELN. Eine Stärke der Serie ist zweifellos ihre bereits anhand der Inhaltsangabe zu erahnende rasante Erzählweise, die auch mal unvorhergesehen vom Hier und Jetzt ins Vergangene springt, nur um das sowieso schon dichte Storygerüst der bisher bis ins letzte Detail durchdachten Superhelden-Mär mit noch mehr Material anzureichern. Dies ist bereits insofern ein kluger Schachzug, als dass einer der Charaktere (der von
Masi Oka verkörperte Hiro Nakamura) sich in der Zeit vor- respektive zurückteleportieren kann. So erweisen sich die Zeitsprünge gewissermaßen als zweischneidiges Schwert, begibt sich doch der in der Realität beheimatete Zuschauer
zusammen mit Hiro aus dem Serienuniversum auf die lange und beschwerliche Reise nach Wahrheiten, wird unsichtbarer Wegbegleiter eines Menschen, der – genau wie wir – eine Erkenntnis sucht, welche vielleicht am Ende des Weges wartet. Dass diese hierbei für unseren neugeborenen Helden weitaus gewichtiger ausfällt als für uns, die wir „nur“ der Geschichte folgen wollen, versteht sich freilich von selbst. Der eine ist auf der Suche nach Antworten, der andere (der Zuschauer) wartet darauf, dass sie gefunden werden. Eine Wechselbeziehung im besonderen, außergewöhnlichen Stil und Ausdruck der im folgenden näher beschriebenen Serienausrichtung, welcher Hiro auf der Suche nach seiner Bestimmung sogesehen exemplarisch für all die anderen, unzähligen „Helden“ unterworfen ist.
Denn es sind nicht etwa strahlende Helden voller Stärke und Anmut, die wir zu Gesicht bekommen. Im Gegenteil fühlen sich die unverwundbare Chearleaderin Claire, die zwiegespaltene Niki oder etwa der die Zukunft malende Isaac, welche durch
Hayden Panettiere,
Ali Larter („
Final Destination" [2000]) und
Santiago Cabrera ein durch und durch
menschliches Gesicht verliehen bekommen, den Großteil der Geschichte über alles andere als wohl in ihrer nun gar nicht mehr so vertrauten Haut. Plötzlich gilt es nämlich, das Neue sowohl zu begreifen als auch zu verstehen, um es in Zukunft nutzbringend anwenden zu können. Hin- und hergerissen zwischen Normalität und der erst noch zu findenden neuen Berufung, gewissermaßen erst auf der untersten Stufe des Erwachsen-, sprich: Heldwerdens stehend, zeigen uns zutiefst menschliche Wesen, die gut und gern nebenan wohnen könnten, dass es keines Capes, Gummianzuges oder sonstigen Firlefanzes bedarf, um große Taten zu vollbringen. Somit stellt Krings Serie „
HEROES“ eine gelungene Abwechslung zum bereits breitgestreuten und stellenweise ermüdenden Superhelden-Genre dar, indem sie „einfache“ Menschen götterähnlichen, altgedienten Superwesen gleichstellt und den Schwerpunkt des Erzählten auf das durcheinander gewirbelte Gefühlsleben der Protagonisten ausrichtet. Dass trotz allem Spannung und durchaus Kinotauglichkeit beweisende Actioneinlagen nicht zu kurz kommen, ist der wendungsreichen und (überwiegend) intelligent geschilderten Geschichte geschuldet, welche geschickt den Bogen von der Vergangenheit über die Gegenwart, hin zu einer Zukunft spannt, die so rosig nicht aussieht. Und immer ist der Zuschauer, sind wir als Wegbegleiter auf der schicksalshaften Reise dabei, geleitet von schon nach kurzer Zeit Liebgewonnenen, die durch das Unnormale, das so plötzlich in ihr Leben trat, und die damit einhergehenden Alltagssorgen nur noch menschlicher erscheinen.
Manchmal sind eben doch gerade die, die etwas Unglaubliches vollbringen, diejenigen, welche von Grund auf normal erscheinen. Wie du, wie ich. Wer genau hinsieht, wird noch einen kurzen Blick von diesen Helden, die gar keine sein wollen, erhaschen können, bevor sie eins werden mit der breiten Masse, in ihr untertauchen. Es ist zum einen das einfache Zugehörigkeitsverlangen eines Jeden, zum anderen Folge eines zutiefst
menschlichen Bedürfnisses, das in der heutigen Zeit auch vor sogenannten Helden nicht Halt macht. Sei es ihnen von Herzen gegönnt.