Der Untergang von Zivilisationen oder gar der ganzen Welt war in der Vergangenheit bereits schon vielfach Thema in Filmen, denn mit dem Ende lässt sich nun einmal gut und (in erster Linie) bildgewaltig hausieren gehen. Dass einige Kritiker abseits der dargebotenen Zerstörung auch regelmäßig den Untergang der Kinokultur nahen sehen und nicht müde werden, zu bemängeln, dass der kostbare gehobene Anspruch immer öfter hinter dem reinen, teils erschreckend seelenlosen Spektakel zurückstecken muss, ist dabei ein nicht von der Hand zu weisender Umstand. Denn gelungene Unterhaltung hin, pompöse Schauwerte her: Kaputtmachen ist keine Kunst und das Üben in Zurückhaltung eine bis heute leider viel zu oft vernachlässigte Tugend. Doch erfreulicherweise gibt es hier und da eine Ausnahme von der Regel, die trotz aller Widrigkeiten beweist, dass sich vergleichsweise großes Kino auch im kleinen Verborgenen finden lässt. Eine dieser Ausnahmen stellt etwa das dystopische Fantasy-Abenteuer
„CITY OF EMBER“ dar, das auf dem gleichnamigen Jugendroman von
Jeanne DuPrau (auf deutsch „Lauf gegen die Dunkelheit“ betitelt) basiert, dem mittlerweile drei weitere Buchfortsetzungen gefolgt sind. Eine kleine aber feine Geschichte über eine Gemeinschaft am Rande des Zusammenbruchs und ihre Suche nach Licht in unheilvoll düsteren Zeiten.
Es waren düstere Zeiten, die ebensolchen vorangingen. Ein nicht näher bestimmtes Ereignis zwang die Menschhe
it dereinst zur Flucht in den Untergrund. Die von ihren Gründern
Ember getaufte unterirdische Stadt sollte der Menschheit helfen, das Unglück sicher und beschützt für die kommenden 200 Jahre zu überdauern. Erst danach, so die Mutmaßung, könne wieder an die Rückkehr zur Oberfläche gedacht werden. Zu diesem Zwecke wurden geheime Instruktionen in einer Metallschatulle deponiert, die der jeweilige Bürgermeister von
Ember seinem unmittelbaren Nachfolger „vermachen“ sollte, der ebenso verfährt, bis die gesetzte Frist abgelaufen und die Menschheit reif zum Empfang der Rückkehr-Instruktionen sein würde. Doch vor Ablauf der Frist geriet die Schatulle durch einen tragischen Zwischenfall in Vergessenheit, da das Wissen um ihre Bedeutung scheinbar nur wenigen Menschen zuteil wurde. Und so kam und ging der sehnsuchtsvoll herbeigesehnte Tag X, ohne dass jemand auch nur annähernd bemerkte, wie die Schatulle ihren wichtigen Inhalt, verborgen in der hintersten Ecke eines Schrankes, offenlegte…
Nun, kurz nach dem Tag X, fristet die Menschheit immer noch ihr Dasein unter der Erde, gebeutelt von Nahrungsknappheit und immer länger währenden Stromausfällen, die dem altersschwachen Energiegenerator der Stadt geschuldet sind. Inmitten dieser Krise lernen wir Lina (Saoirse Ronan) und Doon (Harry Treadaway) kennen, zwei Jugendliche, die gerade per Losverfahren ihre Beschäftigung in der Stadt erfahren haben. Unglücklich über den Ausgang dieser Prozedur tauschen die beiden kurzerhand gegenseitig ihre Bestimmungen. Doon, nunmehr Rohrarbeiter, hofft, alsbald einen Blick auf den sagenumwobenen Generator werfen zu können, während Lina als Nachrichtenüberbringer von Tür zu Tür eilt. Nur durch Zufall entdeckt sie in diesem Zusammenhang im Schrank ihrer senilen Großmutter die Gründerväter-Schatulle, ohne zu wissen, was es damit genau auf sich hat. Doch der nur noch in Fragmenten enthaltene Inhalt weckt ihre Neugier, und gemeinsam mit Doon fängt sie an, das Geheimnis nach und nach zu entschlüsseln. Wird es den beiden trotz aller Widrigkeiten gelingen, ihr Wissen zum Wohle der Menschen von
Ember einzusetzen? Denn manch einer verfolgt im Geheimen bereits eigene, egoistische Pläne…
Zugegeben hört sich dies bereits so gradlinig an, wie sich der Film dann auch letztlich präsentiert, doch die Filmwerdung
Embers, die das Realfilm-Debüt des Regisseurs
Gil Kenan („Monster House“ [2006]) darstellt, spielt, wenn man sie genauer inspiziert, viel weniger mit offenen Karten, als der erste Blick erahnen lässt. Denn
„CITY OF EMBER“ ist die allzeit berühmte Medaille mit den zwei Seiten: auf der einen Seite gibt es die, die jeder sehen kann, während sich auf der anderen die dem Augenlicht abgewandte verborgen hält. Licht und Dunkelheit – Evidenz und Bedeckhalten. Bereits hier zeigt sich, wie sich die beiden Gegensätze einem roten Faden gleich sinnbildlich durch das Geschehen rund um und in
Ember ziehen.
Ember, jene unterirdische Stadt, die laut ihrem Bürgermeister für sich in Anspruch nimmt, als einziges helles Licht in einer Welt voller Finsternis zu leuchten. Einer Welt, der derart Schreckliches widerfahren ist, dass sie in die wortwörtliche Dunkelheit getaucht wurde. Doch irgendwann, so weiß man eigentlich, verzieht sich auch die schwärzeste Finsternis. In den Köpfen der Menschen sieht das hingegen manchmal gänzlich anders aus. Was nämlich auch vorgefallen sein mag, und sei es noch so lange her: die Angst setzt sich, wenn man ihr verfällt, wie ein Parasit fest und wird, ähnlich der Metallschatulle, von Generation auf Generation übertragen, ohne dass das Licht der mehr als deutlichen, da offenkundigen Wahrheit die akzeptierte Dunkelheit zu erhellen in der Lage wäre.
Diese Erkenntnis findet Niederschlag in dem großartig umgesetzten Set, das die unterirdische Stadt nicht etwa liebens-, sondern vielmehr bemerkenswert zum Leben erweckt. All die Dinge, die hier pulsieren, rumoren und widerhallen, all die noch so kleinen Funken, morschen Installationen und rostigen Gerätschaften lassen
Ember als Gesamteinheit überraschend lebendig erscheinen, obwohl der Stadt mehr als offenkundig der baldige Untergang droht. Auch hier duellieren sich vor den Augen des Zuschauers Licht und Schatten, ohne einen wirklichen Sieger hervorzubringen. So bleibt die immer lichter werdende Hoffnung neben der wachsenden Angst bestehen, was der Film wunderbar plastisch mit seinen extremen Hell-Dunkel-Passagen verdeutlicht. Wo Licht, da existiert nämlich auch Schatten.
Allerdings sollte man nun nicht den Fehler machen und der Flucht aus der Dunkelheit mehr Bedeutung zumessen, als angeraten wäre. Denn abseits des durchaus vorhandenen Subtextes ist
„CITY OF EMBER“ immer noch vordergründig die Verfilmung eines Jugendromans, der gleichermaßen Jung wie Alt anzusprechen versucht. Dabei macht es sich der Film jedoch nicht immer leicht. Während die größtenteils gelungenen Effekte wohl nur eingesetzt wurden, um die Jüngeren bei Laune zu halten, werden die Älteren vor allem ob des doch recht straffen Erzähltempos (knappe 90 Minuten) eine Braue heben. Brav wird jeder Zuschauer bei der Hand genommen, damit bis zum offenkundigen Ende auch niemand verschütt geht. Infolge der Gradlinigkeit bleiben aber leider einige der Figuren, allen voran Schauspielgrößen wie
Tim Robbins („
Die Verurteilten“ [1994]) als Doons Vater,
Bill Murray („Broken Flowers“ [2005]) als Bürgermeister oder Altstar
Martin Landau („
Ed Wood“ [1994]) als verschlafener Rohrarbeiter etwas blasser als gedacht. Nun gut, in der Dunkelheit lässt sich nun einmal schlecht ein Sonnenbrand holen. Die Jungstars (und hier besonders die aufstrebende
Saoirse Ronan, bekannt aus „
In meinem Himmel“ [2009]) können sich, während sie Licht ins Dunkel zu bringen versuchen, im Rahmen des Drehbuchs von
Caroline Thompson (u.a. „
Edward mit den Scherenhänden“ [1990]) deutlich besser profilieren.
Fazit: „CITY OF EMBER“ stellt zugunsten einer atmosphärischen Inszenierung das vordergründige Spektakel in den dunklen Hintergrund und präsentiert sich als gradlinig erzählter, unter der Oberfläche aber durchaus tiefsinniger Lichtblick im Fantasy-Genre, der allein schon aufgrund des großartigen Setdesigns einen genaueren Blick wert ist – auch wenn einige Schatten den ansonsten uneingeschränkt empfehlenswerten Filmgenuss etwas trüben.
Zusatzbemerkung: Der Film erscheint über capelight auf DVD und Blu-ray. Die dieser Rezension zugrunde liegende DVD wird in einem schmucken Schuber mit Leuchteffekt ausgeliefert, der ohne FSK-Logo auskommt. Neben dem Hauptfilm in Deutsch und (gut verständlichem) Englisch (DD 5.1 mit zuschaltbaren Untertiteln) helfen einige Extras, etwas Licht ins Dunkel der aufwendigen Produktion zu werfen. So werden etwa die Special Effects und das größte Set der Welt näher beleuchtet, während Featurettes über die Hauptfiguren und ein mehrminütiges Making of auch noch die letzte Unklarheit beseitigen sollten. Eine DVD, die sich nicht nur optisch ganz hervorragend im Heimkinoregal macht.