Die Bürde wog schwer, die J.J. Abrams („
Cloverfield“) im letzten Jahr mit „
Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht“ zu nehmen hatte: Er musste, natürlich, nicht nur dem gehässigen Feuilleton oder den kommerziellen Erwartungen des Medienkonzerns Walt Disney, an die George Lucas im Jahre 2012 die Rechte des Star-Wars-Franchise für ansehnliche vier Milliarden US-Dollar abtrat, gerecht werden. Selbstverständlich stellte das größte Erschwernis die vollständige Zufriedenstellung des gigantischen
Fandom dar, dessen Urteil bei einem potenziellen Scheitern mit weitaus härterer Konsequenz auf die siebte Ausformung der legendären
Space Opera einschlagen würde, als jedes Intelligenzblatt auf dieser Welt imstande zu formulieren wäre. Grund dafür ist natürlich der ungeheure Aufwand an Emotionen, die Generation um Generation seit jeher in Verbindung mit dem Krieg der Sterne bringt.
J.J. Abrams aber enttäuschte nicht im Geringsten, er wahrte den Geist der Vorlage mit einer ganz und gar berauschenden Strahlkraft in Sachen Eskapismus und nutzte „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ gleichermaßen als effektiven Sensibilisierungsgegenstand, um die heutige Zuschauerschaft (auch im präventiven Hinblick in Richtung Zukunft) auf die klassische Natur der Star-Wars-Saga einzustimme
n. Mit „Rogue One: A Star Wars Story“, dem ersten Anthologie-Film innerhalb des stetig expandierenden Star-Wars-Universums, betritt man nun jedoch neue Gefilde, die im Vorfeld so prekär wie beflügelnd erschienen. „Rogue One: A Star Wars Story“ nämlich muss unter Beweis stellen, dass Star Wars auch dann funktioniert, wenn nicht mit dem herkömmlichen Personal aufgewartet wird, wenn ein Operieren abseits der Wohlfühlzone stattfindet und somit auch filmerzählerisch neue, gewissermaßen singuläre Bahnen eingeschlagen werden.
Gareth Edwards („
Monsters“) weiß indes den massiven Vorteil auf seiner Seite, dass er „Rogue One: A Star Wars Story“ nicht den zentralen Episodensträngen der Saga verhaften muss und folgerichtig eine stilistische Freiheit an den Tag legen kann, die nachhaltig und wegweisend für alles Kommende aufzeigt, welch kunstfertiger Innovationsreichtum dem Fundament des Star-Wars-Kosmos in Wahrheit eingeschrieben ist. Man muss dieses erste
Stand-Alone-Abenteuer als eine auf die Leinwand gebannte
Fan Fiction verstehen; Debatten über Sinn und Unsinn seiner Existenz versperrt es sich von vornherein, allerdings trägt Edwards dieses zweihundert Millionen Dollar schwere
Spin-Off mit einer Leidenschaft der Materie gegenüber vor, dass sich eine unabhängige Dynamik entflammt, die auch jenseits des sequenziellen Erzählens begeistert. Abseits einiger Referenzen, die das nostalgische Befinden der treuen Anhängerschaft beschwören, hat „Rogue One: A Star Wars Story“ mit der märchenhaften Taktung der Weltraumoper selbst kaum noch etwas gemein.
Stattdessen zeichnet sich Gareth Edwards für einen rustikalen Kriegsfilm verantwortlich, der das Star-Wars-Universum mit einer bisher nie dagewesenen Härte durchströmt: Edwards wollte einen reinrassigen Genre-Film drehen - fernab der Verkapselung in Zugeständnissen und Anbiederungen - und das hat er auch zweifelsohne getan. Nach einigen unrhythmischen Anfangsminuten belegt der britische Filmemacher dann auch mit einschneidender Vehemenz, warum er nicht nur für das kontemporäre Blockbusterkino ein Segen ist, sondern auch für „Rogue One: A Star Wars Story“ einen echten Gewinn darstellt: Sein Gespür für die symbiotische Beziehung von Bild und Ton ist in diesen produktionsökonomischen Dimensionen, abgesehen von Denis Villeneuve (
Arrival), konkurrenzlos. Schon sein durchaus interessanter „
Godzilla“ faszinierte mit den wohl eindrucksvollsten Illustrationen des Blockbustersommers 2014 – und hier setzt auch „Rogue One: A Star Wars Story“ vorbehaltlos an.
Das martialische, zuzeiten offenkundig mit realitätsbezogenen Ikonographien verzweigte Gemenge, zu Wasser, am Boden, in interstellaren Höhenlagen, von Jedha bis Scarif, von Ruinenlandschaften in staubigen Wüsten bis hin zu Schlachtfeldern unter Palmen, entfesselt im letzten Drittel eine paralysierende Wucht, die sich selbst vor den Gefechten in „Das Imperium schlägt zurück“, der Speerspitze des Reihe, nicht verstecken muss. Ganz im Gegenteil. Alles, was Star Wars zukünftig im Hinblick auf die Action auffahren wird, muss sich wohl oder übel an „Rogue One: A Star Wars Story“ messen lassen. Obgleich das Erlebnis selbst in Gänze ein betörendes bleibt, verfügt auch „Rogue One: A Star Wars Story“ über unverkennbare Mängel, die sich vor allem in den Profilen der neuen Charaktere, angeführt von Felicity Jones blasser Jyn Erso, bündeln. Allesamt scheinen sie rein funktionale Abziehbildchen der eigenen Überzeugung, der Facettenreichtum innerhalb der Persönlichkeitsstrukturen geht dem Film vollkommen ab.
Immerhin aber bemüht sich „Rogue One: A Star Wars Story“ gelegentlich angenehmerweise darum, die Glorifizierung der Rebellen mit Vorsicht zu genießen, macht der von Diego Luna gespielt Cassian Andor in einer Szene doch deutlich, dass sich auch der Widerstand aus einem Menschenschlag gebiert, der sich nicht zuletzt aus Spionen, Saboteuren und Attentätern zusammensetzt. Aus Vergessenen, Versprengten, Verdammten und Abtrünnigen, die sich der Gewalt als Mittel zum Zweck gewiss sind, um dem imperialen Faschismus die Stirn zu bieten, die aber augenscheinlich auch über keinerlei Alternative verfügen. Wie schon im Verlauf der Star-Wars-Episoden selbst bewusst wurde, destilliert sich aus all den intergalaktischen Krisenherden ein Gleichnis der Hoffnung. Denn Hoffnung ist der Nährboden, aus dem eine Rebellion keimt. Hoffnung ist dort, wo auch Leben ist. Und das ist „Rogue One: A Story Wars Story“ definitiv: lebendig.
Cover & Szenenbilder: © 2016 Walt Disney Studios Motion Pictures