Im Sommer der siebziger Jahre vertreiben sich ein paar Kinder eines Dorfes aus Süditalien ihre freie Zeit mit Spielen und Herumtollen. Unter ihnen ist auch Michele (Giuseppe Cristiano), der, als er nach der verloren gegangen Brille seiner kleinen Schwester sucht, eine seltsame Entdeckung macht. Unter einer am Boden liegenden Wellblechplatte befindet sich eine kleine Erdhöhle, vielmehr ein Loch, in dem ein Junges seines Alters anscheinend gefangen gehalten wird. Fortan versorgt Michele den armen Filippo (Mattia di Pierro) heimlich mit Essen und Wasser und kommt bald dahinter, dass nicht nur er, sondern auch die Erwachsenen der kleinen Dorfgemeinschaft ein Geheimnis bergen…
Dies könnte die Grundgeschichte sein, aus der Hollywood eine reißerisches, tragisches Drama mit viel Geschrei, vielen grässlichen Bildern und düsterer Musik gemacht hätte. Zum Glück stammt „Ich habe keine Angst“ aber nicht aus Hollywood, sondern ist sowohl italienischer, als auch spanischer und britischer Machart und vielleicht gerade deshalb etwas anders, als man es von einem US-Blockbuster erwartet hätte.
Sofern man das als Zuschauer beurteilen kann, gibt es in dem Film kaum Special Effekts oder computeranimierte Sequenzen, die den Action- oder Spannungsgrad künstlich steigern lassen. „Ich habe keine Angst“ lebt allein von realitätsnahen, einfachen Bildern, erscheint dadurch fast wie eine Dokumentation und wirkt deshalb sehr authentisch und lebensnah. Unterstützt wird dies noch von dem natürlichen Spiel der guten Jungdarsteller, die – ebenso wie die Erwachsenen – relativ unverbrauchte Gesichter im Filmgeschäft sind und somit nicht gleich mit bestimmten Filmhelden identifiziert werden können.
Das Besondere an diesem Film ist die Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird. Der Zuschauer schlüpft in die Haut des Hauptdarstellers Michele, muss mit ansehen, was er entdeckt und weiß nur das, was der kleine Junge erfährt. So lässt es den Zuschauer kaum kalt, als Michele eines Tages die schrecklich abgemagerte, verdreckte Gestalt des Jungen Filippo entdeckt und sich bei dessen Anblick mehr als erschreckt. So gruselt man sich, als Michele langsam immer tiefer in das dunkle Loch hineinschaut und sich ihm plötzlich eine bleiche Hand entgegenreckt. Die Hintergründe dieser abscheulichen Geschichte werden Michele zwar im Laufe des Films klar, jedoch erfährt und erfasst er nur soviel, wie er als Junge im vorpubertären Alter überhaupt verstehen kann und das ist auch das, was der Zuschauer an Informationen erhält. Dies lässt viel Spielraum für Spannung und eigene Vermutungen. Der Film gibt vereinzelt Gründe und Abläufe vor und legt auch ein Ende fest ohne aber dabei zu detailliert und komplex zu werden.
Alles in allem ist „Ich habe keine Angst“ eine runde Sache. Der Film ist nicht der Burner schlechthin, erscheint aber aufgrund seiner Darsteller und Machart als sehr gelungen, wenn man gern auch einmal die ruhigere Filmvariante und nicht immer nur das große Spektakel bevorzugt.