„Being a vampire sucks. It’s a bad joke, I know, but it’s the truth.“
Ach ja, so ein Untoter hat es schon nicht leicht – einsam, gefürchtet, gejagt und rücksichtslos vertrieben von jedem heimeligem Fleckchen Erde, dass er sich als Un-Ruhestätte auserkoren hat. Doch seit Bram Stokers Roman „Dracula“ das nächtliche Mondenlicht der Welt erblickte, haben die Menschen zugleich auch eine seltsame Faszination für diese geheimnisvollen Geschöpfe entwickelt. Das Verlangen nach Gänsehaut-Unterhaltung durch düstere Geschichten verhalf Stokers Version des Mythos Vampir dazu, in unzähligen Adaptionen die Kino- und Fernsehwelt zu erobern.
Unsterblich wie seine Charaktere hat der Mythos sich bis heute erhalten. Allerdings war er im Laufe der Zeit so manchen Veränderungen unterlegen, einige davon kaum auffällig, andere geradezu drastischer Natur. Nachtaktiv, mit übermenschlichen Kräften ausgestattet und auf eine recht eintönige Flüssigdiät beschränkt ist der Vampir in seiner gegenwärtigen Darstellung noch immer. Doch was seine Motive, sein moralisches Empfinden, seine Verbindung zur Menschenwelt angeht, haben wir ihn in den letzten Jahrzehnten von einer gänzlich neuen Seite kennen gelernt. Zumindest im TV ist der nicht-traditionelle Vampir fast zur neuen Tradition geworden. Statt sich nur mit Seinesgleichen einzulassen und die Menschen um sich herum lediglich als mobiles Selbstbedienungs-Buffet anzusehen, tritt er immer
häufiger in von Emotionen und Moral geprägten Kontakt mit ihnen, baut persönliche Beziehungen auf und nutzt seine Fähigkeiten sogar im Kampf gegen das Gute, um seinem untoten, verfluchten Dasein einen Sinn zu verleihen. Schon Barnabas Collins aus "Dark Shadows" [1966-71], "Nick Knight – Der Vampircop" [1989-96] und "Angel – Jäger der Finsternis" [1999-2004] haben es in mehr oder weniger ausgeprägter Form vorgemacht. Und nun schließt sich Mick St. John als neuestes Mitglied im Club der nach menschlicher Nähe oder Wiedergutmachung strebenden Blutsauger diesen Vorbildern an.
„Most vampires don’t have boundaries or rules, but I do. I don’t hunt women. I don’t hunt children. I don’t hunt innocents. But there’s predators out there that need to be dealt with.“
Mick (Alex O’Loughlin) verdingt sich als Privatermittler in Los Angeles. Anders als sein Freund Josef (Jason Dohring), der das Vampirdasein in vollen Zügen auskostet, bezieht er seine „Lebens“-notwendigen Rationen an Blut aus für die Bewohner der Stadt ungefährlicher Quelle – aus der Leichenhalle. Seinen dortigen Wocheneinkauf bindet er gekonnt in die Schnüffelarbeit ein, beweist sich doch Guillermo (Jacob Vargas), „sein Mann“ in diesen kalten, gefliesten Katakomben, nicht nur immer wieder als zuverlässiger Futter-Lieferant, sondern auch als Zugang zu Informationen aus erster Hand. Denn wie lässt sich ein Fall besser studieren als direkt am Opfer selbst?! Zumal Micks geschärfte Sinne ihm Dinge verraten, welche die staatlichen Ermittler höchstens erahnen. Doch was das Beschaffen von Hinweisen angeht, steht ihm seine neueste Bekanntschaft in nichts nach: Beth Turner (Sophia Myles), aufstrebende Journalistin bei einem Internet-Nachrichten-Dienst, erweist sich mehr als einmal als ebenso erfindungsreich wie hartnäckig in der Ausgestaltung ihre Reportagen, die – Zufall oder Schicksal? – immer wieder mit Micks Fällen kollidieren. Klar, dass die Beziehung der beiden dank der häufigen Zusammentreffen schon bald über das Berufliche hinausgeht. Zu dumm nur, dass Beth bereits vergeben ist. Und dass Mick gar nichts davon hält, wenn Unsterbliche sich mit Sterblichen einlassen – vor allem da er auch noch von seiner letzten Beziehung gezeichnet ist, in der die betörende Coraline (Shannyn Sossamon) Micks Leben auf unvorhersehbare und einschneidende Weise verändert hatte...
„So you never bite anyone?“
„No. No. Unless they really ask for it.“
Ein Vampir als P.I. in L.A., der sich in einer Liebe wiederfindet, die so (zumindest nach seiner eigenen Meinung) nicht sein darf – klingt irgendwie vertraut? Zugegeben, einige der Grundelemente, zumal in so kompakt vorgestellter Form, erinnern stark an einen gewissen Serien Spin off. Doch ein Gefühl von déja vu tritt schon im Pilot von
"MOONLIGHT" niemals auf. Schnell wird klar, dass hier keineswegs plump abgekupfert, sondern vielmehr einem bekanntlich sehr alten und daher auch gern mal totgesagten Motiv neues und erstaunlich munteres Leben eingehaucht wurde. Dabei fällt vor allem der ständige Emotionswechsel auf. Wie das Mondlicht des Nachts für ein friedliches Nebeneinander von Licht und Dunkelheit sorgt so balanciert
"MOONLIGHT" geschickt düstere und helle Momente. Tragik und Glück, Spannung und Witz werfen den Zuschauer immer wieder in neue Gefühlswelten. Allein der australische Import
Alex O’Loughlin kitzelt mit viel Gefühl und noch mehr Charme scheinbar mühelos die verschiedensten Facetten aus seiner komplex gestalteten Figur heraus. Anders als Angel zeigt Mick seine dunkle, hässliche Seite nicht erst in im wahrsten Sinne des Wortes seelenlosen Momenten. Immer wieder sorgt er für ausreichend Grusel, wenn er mit erschreckender Leichtigkeit in die Rolle des gnadenlosen Jägers schlüpft – nur um gleich darauf mit viel Herz, einem gewinnenden Lächeln und einem spitzbübischen Funkeln in den Augen sämtliche Zuschauersympathien zurückzuerobern.
„If I can help others, it might make up to what I am.“
Gefangen in einem verhassten Schicksal, alles andere als fehlerlos und der „normalen“ Welt entfremdet ist Mick fast so etwas wie eine Neuauflage des wenig strahlenden Helden im klassischen
film noir. Die Grundstruktur der Serie, welche sich im Grunde genommen als Kombination aus Detektivgeschichte und Drama entpuppt, und das Durchbrechen linearer Erzählweisen beispielsweise durch Flashbacks verstärken diesen Eindruck. Und schließlich fügen sich auch der urbane Schauplatz und Micks Anmerkungen, die in
voice over Form die Geschichte untermalen, in dieses Bild ein.
Aber egal, ob nun als Erinnerung an gute alte (Film-)Zeiten oder als modernes Mystery-Drama mit Abenteuer-Einschlag –
"MOONLIGHT" ist vor allem durch eines so reizvoll: den hohen Unterhaltungswert. Umso unverständlicher, dass die Show nach nur einer Staffel, die durch den Autorenstreik in Hollywood zudem auf nur 16 Folgen verkürzt ist, abgesetzt wurde. Derzeit ist der Serienmarkt so hart umkämpft wie vielleicht nie zuvor. Opfer bleiben da leider nicht aus. Das Gute daran ist, dass
"MOONLIGHT" nie in jene der Auslaufzone geraten wird, in der schon so manche Serie nach zu langer Fahrt unrettbar im Kiesbett stecken geblieben ist. Statt dessen folgt einem recht eindrucksvollen Beginn eine noch beachtlichere Steigerung bis hin zu einem starken Finale. Was außerdem möglich gewesen wäre, werden wir wohl leider nicht mehr erfahren. Denn auch wenn die Fans aktuell noch einen leidenschaftlichen Kampf um den Erhalt der Show ausfechten, müssen wir uns wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass der Serie eine deutlich kürzere Lebensdauer als ihrer Hauptfigur vergönnt ist. Das sollte jedoch Niemanden vom Einschalten abhalten! Denn abgesehen davon, dass das Finale als solches durchaus befriedigend ist und den Zuschauer nicht mit einem Haufen ungeklärter Fragen und einem fiesen Cliffhanger zurücklässt, wie es bei jäh gestoppten TV-Projekten bedauerlicherweise so oft der Fall ist, wäre es vor allem für Genrefans ein geradezu tragischer Fehler, sich selbst das Vergnügen von Micks Bekanntschaft vorzuenthalten. Und wenn schon nicht in Form einer dauerhaften Bildschirmpräsenz, dann zumindest im Herzen seiner Fans wird Mick schließlich doch unsterblich bleiben.