(Österreich, 1962)
„Zwei kleine Italiener, die sehen es ein / Eine Reise in den Süden ist für andere schick und fein / Doch zwei kleine Italiener möchten gern zu Hause sein.“
(Conny Froboess)
Italien und Deutschland - eine schöne, kuriose, unendliche Geschichte. (3:4!)
In den Sechzigerjahren waren ein paar Landser noch sauer, dass der Bündnispartner im Krieg den Schwanz einkniff. Den Luigi und den Francesco duldete man als Gastarbeiter, wobei die Betonung auf 'Arbeiter' und weniger auf 'Gast' lag.
In den Wirtschaftswunderjahren entdeckten die Deutschen aber ein Italien, das zahlungskräftige Touristen mit offenen Armen empfing. Und wer nicht nach Italien konnte, reiste in Gedanken dort hin. Im Schlagerexpress. Mit Rudi Schurike als Lokführer. Sonne, Meer und Strand, Fluchtphantasien, Mediterranidylle.
An diese Projektionsfläche, halb unwirklich romantisch, halb mit Ressentiments besetzt, an dieses faulige Gemisch aus freddyquinnscher Fischkutterpoesie und Ausbruchsromantik hat der österreichische Regisseur Franz Antel (schon wieder alte Bündnispartner) vielleicht gedacht, als er 1962
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett ausheckte. Heraus kam eine Klamotte, die der Rede sicherlich nicht Wert wäre, wäre sie nicht zugleich ein unfreiwillig komisches Denkmal deutsch-italienischer Kulturgeschichte.
Die Spielanle
itung geht so:
Otto Kayser (Heinz Ehrhardt) ist der gestresste Chef einer Nudelfabrik. Seine Tochter Marion (Ann Smyrner) plant einen gemeinsamen Erholungsurlaub auf einer kleinen, abgelegenen Insel vor der süditalienischen Küste. Mit im Gepäck hat Kayser seinen Sekretär Dr. Steffen (Harald Juhnke), der heimlich in Marion verknallt ist und hofft, südländisches Flair und Urlaubsentspanntheit mögen den Annäherungsversuchen zuträglich sein.
Auf der Insel treffen sie auf den Ingenieur Michael Lutz (Peter Vogel) und seine Verlobte Barbara Holstein (Karin Dor), die gerade einen ausgewachsenen Verlobungskrach ausfechten. In am Hafen gelegenen Ferienort kommen hinzu: Gina (Trude Herr), die Frau des Dorfpolizisten, die hinter seinem Rücken ein Syndikat auf Taschendieben und Trickbetrügern unterhält, und eine Schlagerband mit Gus Backus, die im örtlichen Großhotel zwangsmusiziert.
Man merkt, dass mich wenig Lust überkommt, die Handlung en detail wiederzugeben. Vor allem, weil Antels Komödie mit Dingen arbeitet, die in deutschsprachigen Komödien nur ganz selten vorkommen: Verwechslungen, Verwirrungen, einem Drunter-und-Drüber. Es geht immer "turbulent" und "verrückt" zu, gar "crazy"!
Das Italien, das Antel in kräftigen, sonnendurchfluteten Bildern einfängt, ist in der Hand von deutschen Urlaubstruppen. Die Einheimischen, die in diesem Film fast ausschließlich aus Ginas Räuberbande bestehen, liegen den ganzen Tag faul und wiederkäuend am Hafen und dösen in der Sonne. Sie stehen nur auf, um dicke deutsche Touristen auszurauben, oder um zusammen mit Trude Herr den „Tango d´Amore“ zu singen. Darin geht es nicht um die Liebe, sondern um triebgesteuerte Brieftaschenerleichterung:
„Wenn ich was zum stehlen seh´, dann erwacht mein Blut, kribbelt´s in den Fingerspitzen mich / Sizilianisch, kleptomanisch wird mir gleich zu Mut´, und dann singe ich…“
Ein Glanzstück interkulturellen Einfühlungsvermögens. Herr und ihre Truppe sonnengebräunter Klischeeitaliener streunen beim Singen durchs malerische Fischerdorf wie eine Bande rolliger Katzen auf der Suche nach den Restaurantabfällen. Diese Idylle ist nicht nur falsch und verlogen – sie ist oberfalschverlogen, denn Antel drehte im jugoslawischen Rovinij (heute Kroatien). So ein Beschiss.
Die Polizeigewalt in Gestalt von Ginas Ehemann (Raoul Retzer), Prototyp des trotteligen Dorfpolizisten, ist entweder nichtsahnend oder wird vom Eheweib mit Fusel ruhig gestellt. Auch das ist ein Wink: Dieses Element der Gewaltenteilung funktioniert überhaupt nicht. Italien ist in der Hand von Gangstern, die Exekutive liegt besoffen in der Ecke.
Wer den Film nur wegen Heinz Ehrhardt schaut, hat schon verloren. Der Mann scheint nur deshalb auf der Besetzungsliste zu stehen, weil sein Name auf den Kinoplakaten volle Kassen versprach. Sein Humor gehört natürlich zum Besten, was dieser Streifen zu bieten hat. Er gibt den deutschen Kleinbürger, der nicht ohne die halbe Hauseinrichtung in den Urlaub fährt: Grill, Minikühlschrank, Plattenspieler. So eine Rolle konnte er immer gut. Man verzeiht ihm sogar Anti-Witze wie den hier:
„Fräulein Schleswig… ääähhh äähh… Fräulein Holstein“.
Harald Juhnke spielt, na ja, nüchtern eben. Ob als Quartalssäufer gerade außerhalb der Phase oder vom Filmteam trocken gelegt, das lässt sich aus der Distanz nur schwer sagen. Das, was er hier abliefert, lässt keine Rückschlüsse auf schauspielerische Fähigkeiten zu und könnte auch von einem Hydrant mit Freizeitmützchen gespielt werden.
Sehr erquickend ist der Auftritt vom Schlager-Ami Gus Backus, der origineller Weise einen Schlagersänger spielt. Backus ist für die obligatorischen, schlecht getarnten Fickphantasien im Unterhaltungsmusikgewand verantwortlich. In einem Lied besingt er die Freuden der natürlichen Nahrungsgewinnung und scharwenzelt sich dabei glitschig und schleimig an das blonde Fräulein, Sängerkollegin Hannelore Auer heran:
„Mit dir, mit dir, da möchte´ ich heute angeln gehen´ / Mit dir, mit dir, da denk ich mir das wunderschön [sic?] / Und scheint nachher der Mond, dann weißt du dass sich´s lohnt / Mit dir, mit dir, da möchte ich angeln gehen!“
Immerhin kriegt er im Laufe des Films die Fresse vollgehauen und landet im Dorfkittchen. Ein bisschen Gerechtigkeit muss schon sein.
Zweifellos interessant sind die Darstellungen von Ann Smyrner und Karin Dor. Smyrner verkörpert die laszive Lebefrau mit Hang zu Intrigespielchen. Wenn der richtige Mann um die Ecke kommt kennt die Dame keine Verwandten. Was sie beruflich macht, wird im Film verschwiegen. Vielleicht gar nichts. Vielleicht wartet die Dame auf den richtigen Mann mit Geld. Das war ja damals noch ein tragfähiges Rollenverständnis.
Dor spielt eine schicke Stewardess, die ihr wunderschön-kratzbürstiges Temperament darauf ver(sch)wendet, endlich „Frau Lutz“ zu werden. Diese Energie vergeudet sie an einen Mann, der lieber die Angelrute auswirft und nach heutigen Maßstäben entweder eine trübe Tasse oder ein attraktives Arschloch abgeben würde – das kommt ganz auf die Perspektive der Damen an. (Doch wer mit einer leicht bekleideten, paarungswilligen Karin Dor auf einer einsamen Insel weilt und da nur mit den Achseln zuckt, kann doch niemand anderes sein als der König der trüben Tassen?!)
Ab einem recht frühen Zeitpunkt sehen wir beide, vor allem Frau Smyrner, nur noch in luftig-kurzem Sommerfummel oder knappen Bikinis, und beide fechten einen Catfight nach dem nächsten. Das hat irgendwie ordentlich Sexappeal, auch wenn der nur ein paar Zentimeter von dem Amüsement entfernt liegt, das Männer beim Frauenschlammcatchen empfinden.
Die Königin der Besetzungsliste ist ohne Diskussion Trude Herr. Ihre Darstellung des italienischen Nudelholzweibes unter Dauerbluthochdruck ist kaum weniger klischeehaft als alles andere in diesem Film, aber sie macht das schlichtweg großartig. Auch Klischees wollen erst mal gekonnt aufgeführt werden. Auch in den Dialogen hat sie, neben Erhardt, die besten Auftritte. Zum Beispiel, wenn sie über ihren Onkel, den Superverbrecher Giuliano sinniert:
„Onkel Giuliano war niemals knauserig mit uns Kindern. Wenn wir zu ihm kamen und 15.000 Lira haben wollten, ist er extra in den Keller gegangen und hat sie für uns gedruckt!“
Und wenn wir schon dabei sind: Der Filmtitel hat mit der Handlung natürlich nichts zu tun. Es geht nur um den Titelsong, gesungen von Bill Ramsey. Darum, dass seine Frau Mimi (Edith Hancke) nicht ins Bett will, bevor sie nicht den Krimi fertig gelesen hat. Dabei montiert Antel Auszüge aus dem Buch mit der Filmhandlung. Es entsteht also ein Kontrast zwischen Erzählstil und Filmhandlung (also Krimi vs. Klamotte), die Handlungen jedoch ergänzen sich, irgendwie, ein bisschen. Ein Effekt, den Antel ein paar mal vorführt. Und es ist niemals witzig.
Der umtriebige Regisseur wollte den Film auch ursprünglich
Die Leute mit dem Sonnenstich nennen, was die Sache fast schon auf den Punkt gebracht hätte. Der Verleih bestand aber darauf, den Film rund um Ramseys Schlaghergeröhre aufzubauen, was diese an den Haaren herbeigezogene Offtext-Handlungsironie erklärt. Ein Top 10-Hit wurde es obschon.