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von Esteban Sapir




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Jugend ohne Jugend

Jugend ohne Jugend

Ein Film von Francis Ford Coppola

Was hat sich Francis Ford Coppola, Regisseur der legendären „Der Pate“-Trilogie, hierbei wohl gedacht?
Eine Intention lässt sich in seinem neuesten Werk „Jugend ohne Jugend“ nur schwer erkennen. Hat er mit diesem Alterswerk versucht, Fragen zu klären, die er sich mit fortschreitendem Alter stellte? Oder setzt auch bei ihm bereits große Lebensverwirrung ein? Das würde zumindest erklären, warum sein Film über alle Maße zusammenhangslos ist.
Der Versuch, die Handlung sinnvoll wiederzugeben, erweist sich als schwieriges Unterfangen: Ca. 1930: Dominic Matei (Tim Roth) ist alt, grau und hat noch nie einen Sinn in seinem Leben gesehen. Seine große Liebe Laura (Alexandra Maria Lara) hat er verloren, nicht einmal sein Buch konnte er fertig stellen, sodass er sich als absoluten Versager sieht, der seine Lebensaufgabe nicht meistern konnte und seinem Dasein ein Ende machen möchte. Es naht ein Unwetter heran und plötzlich trifft den 70-Jährigen ein Blitz. Anstatt dabei zu sterben oder zumindest gelähmt, blind oder stumm zu sein, passiert aber etwas ganz anderes: er wird um Jahre verjüngt und sieht wieder aus 35! Da er ein medizinisches Wunder ist, zieht er natürlich die Aufmerksamkeit des Geheimdienstes auf sich, die Untermänner Adolf Hitlers planen experimentelle Versuche mit ihm, vorerst nimmt ihn allerdings sein Arzt (Bruno Ganz) in Obhut. Mit der Zeit merkt Dominic, dass der Blitzschlag ihn nicht nur verjüngt, sondern ihm auch außergewöhnliche
mentale Fähigkeiten verliehen hat. Mit der Kraft seiner Gedanken kann er Dinge verändern, Bücher zu lesen, hat sich erübrigt: will er den Inhalt eines Werkes wissen, „weiß ich ihn einfach“! Sprachen sind für ihn kein Problem, bei wilden Bettabenteuern mit einigen Frauen beantwortet er jede Frage in jeder Sprache perfekt. Dazu kommt, dass er außerdem einen Doppelgänger zu haben scheint, bei dem aber nicht richtig klar ist, ob er tatsächlich real ist oder nur eine Fantasiefigur. Als Student der Linguistik und Interessent der Orientalistik sieht er allerdings seine zweite Chance gekommen, aus seinem Leben etwas zu machen und seine Lebensaufgabe zu meistern und stürzt sich in die Erkundung der Sprache. Auf diesem Weg trifft er eine Frau, die seiner verstorbenen großen Liebe Laura bis aufs Haar ähnelt. Sie heißt Viktoria, hat aber nach einer kurzen Begegnung der beiden einen Autounfall im Gebirge, wird daraufhin verängstigt in einer kleinen Höhle gefunden und spricht plötzlich nur noch Sanskrit. Des Weiteren behauptet sie, Rupina zu heißen und redet fortwährend wildes Zeug, das sie aber vorrangig nur Dominic mitteilen kann. Tage später ist mit ihr alles wieder in Ordnung, sie hat noch nie von einer Rupina gehört und auch Sanskrit ist ihr fremd. Die Liaison mit Dominic entwickelt sich zu einer festen Beziehung, doch nachts beginnt sie, wie aus heiterem Himmel, wieder zu behaupten, sie sei Rupina, diesmal bleibt es allerdings nicht bei wildem Geschwätz in Sanskrit, sie spricht plötzlich auch Altägyptisch. Mittels Tonbandaufzeichnungen versucht Dominic, dieses Rätsel zu lösen und kommt schließlich zu dem Lichtblick, dass sie der Schlüssel zur Erfüllung seiner Lebensaufgabe ist. Jede Nacht geht sie weiter in der Historie der Sprache zurück, irgendwann wird sie bei der Ursprache angekommen sein – jenem Punkt, wo Dominic immer hinwollte. Allerdings haben diese nächtlichen „Ausflüge“ in die Geschichte der Linguistik auch eine Nebenwirkung: Viktoria altert mit jeder Nacht um ein Vielfaches, bald sieht sie mit 25 Jahren aus, als wäre sie 70 und Dominic erkennt, dass es seine Schuld ist. Er wird sich einmal mehr von seiner Liebe entfernen müssen, um ihre Jugend zu bewahren. Doch, ob er dann noch seine Lebensaufgabe meistern kann, wird sich zeigen…

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Tja, soviel zur „Handlung“, die wirkt, als hätte man hunderte philosophische Grundaspekte zusammengekehrt und nacheinander abgearbeitet. Dieses Unglaubliche und mitunter vom Irdischen ziemlich Entfernte erfordert vom Zuschauer ein hohes Maß an Verständnis und Willen, um sich darauf wirklich einlassen zu können. Wenn man es schon übel findet, dass der Hauptcharakter vom Blitzschlag nicht verletzt, sondern gegenteilig sogar verjüngt wurde, sitzt man eventuell im falschen Film.
Was dem Streifen aber definitiv zu Gute zu halten ist, sind einige kompositorische Finessen. Coppola entwickelt viele tolle Bildideen, einige Vermischungen von Fiktivem und Realem und zeigt oft auch das richtige Gespür für passende Handlungsplätze. Beeindruckend in Erinnerung bleiben beispielsweise Momente, in denen Dominic versucht, Veronika/Rupina von ihren suizidgefährdeten Angstattacken zu bewahren, etwa wenn sie sich aus dem Haus am Meer schleicht, mitten in den Klippen der Küste sitzt und von starkem Wellengang umspült wird. Angenehm sind generell die Aufnahmen des Hauses an der Küste, sie strahlen durch eine warme Farbpalette Ruhe aus. Auch, als Viktoria später in ein tibetanisches Tal zu einem Ureinwohner gebracht wird, jenem Ort, an die sie einst aus irgend einem Grund meditierte, und jener Ureinwohner mit fremder Sprache beruhigend auf sie einredet, um ihre Seele zu reinigen, kann als sehr schöne visuelle Erfahrung genannt werden. Besonders in Dominics Genesungsphase zu Beginn des Films, lassen sich auch einige schöne Kompositionen im Haus des Arztes ausmachen. Dieser Teil des Films besticht durch Ruhe, durch angenehme Ruhe, von der etwas mehr dem folgenden Film sicher auch gut getan hätte. Zwischendurch kommt es nämlich immer wieder zu seltsamen Begegnungen mit Dominics Doppelgänger, hektische Bildeinfälle sollen zwar die Szenerie verstärken, nehmen aber den Gelassenheitscharakter der vorangehenden Handlung.
Verwirrend ist definitiv auch, was die deutsche Geschichte damit zu tun hat. Wollte Coppola damit Kritik üben? Oder warum fließen Motive wie Hakenkreuze oder gezeigte Videoaufnahmen Hitlers stets in negativem Zusammenhang ein? Warum hat er überhaupt diesen Aspekt mit in die Handlung gesetzt? Zuerst denkt man, damit würde ein konstanter Spannungspunkt erzeugt werden, aber Fehlanzeige. Die Sache mit den deutschen Forschern unter Hitler erzeugt zu viel Spannung, um dem Film seine Ruhe zu lassen, aber auch viel zu wenig, um wirklich spannend zu sein. Somit wirkt dieser Handlungsaspekt leicht deplatziert und er reißt den Film oft aus seiner Ruhe, und zwar gerade dann, wenn er ein gemächliches und angenehmes Erzähltempo gefunden hat.
Auf die Symbolik scheint Coppola großen Wert gelegt zu haben. Sei es die immer wiederkehrende rote Rose, die eine zentrale Rolle im Film zu spielen scheint, die bei einem Dialog mit seinem Doppelgänger plötzlich aus dem Nichts auftaucht. Oder sei es die Verwendung von chinesischen Schriftarten, die sicherlich irgendwas aussagen sollen. Aber was sind Symbole, wenn sie völlig aus dem Zusammenhang gegriffen kein Mensch versteht?
Sicherlich kann auch Viktorias wilde nächtliche Verwandlung in Rupina als Symbol gesehen werden, doch ihre Verhaltensweise, dieses schweißtreibende, laute Gerede, erinnert unweigerlich an Exorzismus, fraglich ist nur, ob das wirklich damit bezweckt werden sollte. Hier kann man nur Vermutungen anstellen, für die man in den meisten Fällen leider keine Beweise findet.

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Mit vielen Voice-over-Kommentaren durch Dominic sollte augenscheinlich versucht werden, den Zuschauer an den Charakter zu binden, allerdings ist vieles von dem Gerede derart zwanghaft tiefenpsychologisch, philosophisch, sprachverdreht und manchmal auch inhaltsleer, dass der Zuschauer trotzdem eine gewisse Distanz aufbaut. Auch der scheinbare Wechsel der Wichtigkeit der Personen tut der Handlungsverfolgung einen Abbruch: hat man sich in der ersten Hälfte vollkommen auf Dominic eingestimmt, scheint eine großen Teil der zweiten Hälfte die Figur der Viktoria einen essentiellen Part einzunehmen. Wieso, weshalb, warum weiß sicherlich nur Coppola selbst.
Einen der Pluspunkte fährt der Film bei den Darstellern ein: Tim Roth wirkt in seiner Mammutrolle mitunter zwar etwas gelangweilt, kann aber über die meiste Zeit des Films eine gute Leistung abliefern und macht die Figur durchaus lebendig. Alexandra Maria Lara spielt ebenfalls sehr engagiert, zwar wirkt sie in ihrer wechselnden Viktoria/Rupina-Perspektve manchmal etwas unbeholfen, das kann man aber wohl kaum den Darstellern anlasten. Auch die deutschen Schauspieler Bruno Ganz und André Hennicke machen ihre Sache in kleineren Rollen recht gut, zwar nicht außergewöhnlich, aber eben in Anbetracht der verwirrenden Umstände gut.
Was kommt nun unter dem Strich bei „Jugend ohne Jugend“ heraus? Irgendwie ein seltsames Gefühl. Man ist nach dem Film nicht wirklich schlauer als vorher, hat viele philosophische Gedanken um die Ohren gehauen bekommen, hat alten Leuten bei der Verjüngung und jungen Leuten beim Altern zugesehen, hatte etliche Male Archivaufnahmen von Hitler zu betrachten, sprang ein wenig in der Zeit umher, hat lose und oberflächliche Informationen betreffs Orientalistik bekommen, wurde mit Sanskrit, Altägyptisch und einer real nicht existierenden Filmsprache belagert und fragt sich am Ende nach wie vor: Was hat sich Coppola hierbei gedacht?

Eine Rezension von Sebastian Walther
(23. Juli 2008)
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Daten zum Film
Jugend ohne Jugend USA, Deutschland, Italien, Frankreich, Rumänien 2007
(Youth Without Youth)
Regie Francis Ford Coppola Drehbuch Francis Ford Coppola
Produktion Francis Ford Coppola Kamera Mihai Malaimare Jr.
Darsteller Tim Roth, Alexandra Maria Lara, Bruno Ganz, André M. Hennicke
Länge 124 Minuten FSK 12
http://www.sonyclassics.com/youthwithoutyouth/main.html
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