Für gewöhnlich können Fortsetzungen erfolgreicher Kinohits ihren jeweiligen Originalen nicht im Ansatz des Wasser reichen. Getreu dem Motto: „Was einmal funktioniert, das funktioniert garantiert auch ein zweites Mal“ wird meist versucht, ein Konzept, das gut ankam, pedantisch in ein Sequel hinüberzuretten – allenfalls mit ausgetauschter Crew. Solange der Rubel bzw. Dollar rollt, lässt man sich auch als Kunstbanause beschimpfen. Es gibt aber auch Ausnahmen. Vom zweiten Teil von Francis Ford Coppolas epischer Mafia-Saga „Der Pate“ behauptet manch ein Cineast, dass dieser das ohnehin großkalibrige Original sogar überträfe. Coppola sponn die „Familien“-Chronik um den heiseren Clan-Boss Don Vito Corleone und dessen kriminelle Sippe konsequent weiter und schuf ein epochales Meisterwerk, das 1974 mit sechs Oscars überhäuft wurde, darunter für den „Besten Film“ und den grandiosen Robert de Niro in einer seiner denkwürdigsten Rollen als junger Don Vito.
“Der Pate II” schildert parallel die Machtübernahme Michael Corleones (Al Pacino) sowie die Jugend seines Vaters und unmittelbaren Vorgängers Don Vito (Robert de Niro) und dessen Aufstieg vom schlichten Einwanderer zum einflussreichsten Gangster des Landes, der seine Geschäfte im von den dicht zugezogenen Lamellen abgedunkelten Zimmer wie ein Aristokrat abwickelt. Der Film besteht also aus zwei nebeneinander herlaufenden Hauptlinien, anhand derer Regisseur Coppola Struktur und Mechani
smen des skrupellosen Corleone-Clans aufdeckt.
Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelte Plotstrang um den jungen Vito, der seine Familie mit Diebstählen über die Runden bringt, zeigt schon sehr deutlich die Motivation Coppolas auf, welche dieser wie folgt in Worte fasst: “In Teil zwei bin ich wirklich darauf aus, die Familie zu zerstören. Aber ich will sie auf eine Weise zerstören, von der ich glaube, dass sie am gründlichsten ist: von innen!” Und bei diesem Vorhaben geht der Italo-Amerikaner in der Tat so gründlich vor wie irgend möglich. Dieser Don Vito, wie er uns hier vorgestellt wird, der quasi direkt in die Kriminalität hineingeboren wurde und mit ihr aufwuchs, der als Neunjähriger mit ansehen musste, wie seine Familie dem berüchtigten Mafia-Boss Don Ciccio zum Opfer fiel und der selbigem nur knapp in die Vereinigten Staaten entkommen konnte - dieser Don Vito erscheint wie das entscheidende Rädchen in der komplexen Maschinerie aus Mord, Intrigen und Korruption. Die eröffnende Sequenz in den Bergen ist der Stein des Anstoßes für Vitos Karriere im organisierten Verbrechen - was hier bereits gesät wird, kann für ihn und seine Familie später nur ins Verderben führen.
Als Erwachsener hat Vito es zunächst schwer, in Amerika Fuß zu fassen. Der arbeitslose Immigrant verdient sein Geld mit kleinerer und größerer Kriminalität, kommt dabei allerdings dem örtlichen Mafioso Don Fanucci in die Quere. Er fasst den Entschluss, Fanucci umzubringen, um so die Vormachtstellung im New Yorker Stadtbezirk Little Italy zu übernehmen. Tatsächlich steigt der junge Mann anschließend zum gefährlichen Gangster auf - und die Tragödie nimmt ihren Lauf.
Der zweite Handlungsstrang setzt im Jahr 1958 ein und zeigt Michael Corleone, wie er die Familien-Tradition seines inzwischen verstorbenen Vaters in zweiter Generation fortführt. Michael, der sich eigentlich immer aus dessen Geschäften heraushalten wollte, herrscht nun mit rigider Hand über das Corleone-Imperium und bekommt dabei wesentliche Unterstützung von seinem engen Freund und Berater Tom Hagen (Robert Duvall), einem pflichtbewussten Mann, der durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist. Außerhalb der Stadt droht jedoch schon bald Ärger: Und zwar in Form von Frankie Pentangeli, der von Michael verlangt, konkurriende Mafiosi auszuschalten, was dieser jedoch zunächst ablehnt, da er in dem Mann, für den die Gangster arbeiten, einen wichtigen Partner im Glücksspielgeschäft sieht. Auch innerhalb der eigenen Familie bahnt sich Konfliktstoff an. Michaels Schwester Connie (Talia Shire) liegt mit ihrem Bruder im Clinch, weil sie einen Mann ehelichen will, den Michael nicht für den richtigen hält. Und seine Frau Kay (Diane Keaton) wendet sich immer mehr von Michael ab, weil sie sich von der extremen Gewaltbereitschaft, mit der ihr Gatte versucht, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, abgestoßen fühlt.
In “Der Pate” (1971) machten uns Regisseur/Autor Francis Ford Coppola und sein Co-Drehbuchautor Mario Puzo, welcher auch die Romanvorlage schrieb, mit einer in sich geschlossenen Gesellschaft vertraut, die nach ihrem eigenen Regelkodex lebt und agiert und sich von der “normalen”, rechtschaffenen Welt vollkommen abzugrenzen scheint. Die Mafia - eine Gruppe von ruchlosen Kriminellen, für die Ehre und Loyalität alles ist und die keine Verletzung bzw. Missachtung der oben genannten Attribute duldet. Vordergründig ist die Mafia eine Bande von skrupellosen Machtmenschen, doch unter der Oberfläche offenbart sie sich als ehrenwerte, an feste soziale Gebräuche, Rituale und Traditionen gebundene Vereinigung, die genauso in einem moralischen System integriert ist wie die Bürger auf der legalen, gesetzorientierten Seite. Der Begriff Moral definiert sich unter den Gangstern eben lediglich völlig anders. "Mafia" ist dabei ein Tabuwort im Film. Es heißt “Familie”, und die ist das Heiligtum, welches vom obersten Herrscher, dem Paten, der das Zepter in der Hand hat und alles durchorganisiert, bewacht und regiert wird. Der Pate führt die Mafia als eine geschlossene Männergesellschaft, deren (männliche) Nachfolger sein Erbe anzutreten und das Imperium mit zu erhalten haben. Brutalität und Mord sind Mittel zum Zweck. Natürlich ist dieses Bild einer geordneten Welt bloß eine brüchige Fassade, da sich die abstrakten Moralvorstellungen der Mafia-Mitglieder nicht mit den illegalen Geschäften, in die sie verwickelt sind, vereinbaren lassen.
In “Der Pate II” wird diese Diskrepanz zwischen der Kriminalität und der Ehrenhaftigkeit der Mafia von Coppola noch stärker herausgekehrt. Die sich über mehrere Epochen erstreckende Dramaturgie mit ihren beiden eigenständigen Handlungssträngen ermöglicht es ihm, dieses brüchige Wertesystem noch präziser zu analysieren und vor allem: zu sezieren. Die flagrante Widersprüchlichkeit der “ehrenwerten Gesellschaft” und das ambivalente Verhalten der handelnden Personen in diesem netzwerkartigen Beziehungsgeflecht werden von Coppola schonungslos auseinandergenommen. In seiner epischen Breite - das Werk dauert über drei Stunden - entwirft “Der Pate II” eine überwältigende Chronik einer zerfallenden Familie, ein tiefschürfendes Panorama, das zwar die Mafia mit all ihren inneren Strukturen und spezifischen Sitten porträtiert, letztendlich aber eine universelle Geschichte über zeitlose Themen wie Freundschaft und Hass, Familie, Vertrauen und die Frage nach der eigenen Verantwortung im Leben ist, in der sich aber jeder Einzelne irgendwie wieder finden kann. Wenn ein Michael Corleone am Schluss erkennen muss, dass er genau das verloren hat, auf das er stets am strengsten Wert gekegt hat, blicken wir in die leeren Augen eines Mannes, der nun verstanden hat, dass er sein Scheitern selbst in die Wege geleitet hat, der längst zur Marionette der Logik seines Stammbaums geworden ist.
Mit “Der Pate II” legte Altmeister Francis Ford Coppola im Jahr 1974 eines der raren, unvergesslichen Meisterwerke der Filmgeschichte vor. Mithilfe eines namhaften Darstellerensembles, angeführt von einem höchst charismatischen Al Pacino, einem Robert de Niro, wie ich ihn immer wieder sehen könnte, und einem Robert Duvall, der sich seine Rolle des Tom Hagen komplett einverleibt zu haben scheint, breitet Coppola über 192 Minuten ein bildgewaltiges Drama vom Ausmaß einer Shakespeare`schen Tragödie aus, das der fatalistischen Logik eines brüchigen Herrschaftssystems folgt, die sich den Protagonisten eingebrannt hat wie die Sonne in das Kopfsteinpflaster Siziliens mit seinem mediterranen Flair. Es dauerte über 15 Jahre, bis Coppola sich entschloss, den Bogen mit “Der Pate III” zu Ende zu spannen. Als Gesamtwerk gesehen, ist der Einfluss der "Godfather"-Trilogie auf spätere Gangsterepen wie “Es war einmal in Amerika” (1984) oder “GoodFellas” (1990) nicht zu unterschätzen. Ein Geniestreich, dem sein fester Platz in der Ruhmeshalle der Filmklassiker nicht mehr zu nehmen ist.